Knapp ein Viertel bildet aus Behinderung: Unternehmen wagen Inklusion

Knapp ein Viertel aller ausbildenden Unternehmen beschäftigte in den vergangenen fünf Jahren Azubis mit Behinderung. Soziale Gründe, aber auch schlichter Fachkräftemangel bringen sie dazu – mit überraschenden Ergebnissen.

Wer einmal Menschen mit Behinderung beschäftigt hat, verliert seine Vorbehalte, zeigt die Umfrage des IW Köln. - © Firma V/fotolia.com

Eine Reihe von Faktoren entscheidet darüber, ob ein Unternehmen Menschen mit Behinderung ausbildet oder nicht. Das zeigt eine Befragung von knapp 1.400 Firmen durch das Institut der deutschen Wirtschaft Köln (IW).

Zunächst spielt die Unternehmensgröße eine Rolle. Ein knappes Viertel der kleinen und ein Drittel der mittelgroßen ausbildenden Unternehmen haben in den letzten fünf Jahren Jugendliche mit Behinderung ausgebildet, zeigt die Umfrage. Bei den großen Unternehmen ist es jedes zweite.

Nicht mangelndes Engagement der kleineren Betriebe erklärt diesen Unterschied, sondern die Tatsache, dass mit zunehmender Betriebsgröße auch die Anzahl der Auszubildenden steigt und damit die Wahrscheinlichkeit, dass unter ihnen auch Menschen mit Behinderung sind.

Erfahrungen sind ein Türöffner

Unternehmen, denen Fachkräfte fehlen, sind eher bereit, Azubis mit Handicap eine Chance zu geben, als solche ohne Personalengpässe.

Ebenfalls eine Rolle spielt, ob Firmen auf Vielfalt setzen. “Firmen, die Jugendliche mit Migrationshintergrund oder sozial Benachteiligte beschäftigen, stellen eher Jugendliche mit Behinderung ein“, sagt IW-Ausbildungsexperte Christoph Metzler.

Sobald Unternehmen Erfahrungen mit Azubis mit Behinderung gemacht haben, reduzieren sich ihre Vorbehalte, ist eines der überraschenden Ergebnisse der Befragung. So scheuen knapp 47 Prozent der unerfahrenen Firmen den hohen bürokratischen Aufwand, aber nur rund 35 Prozent der erfahrenen Betriebe geben an, dass sie die Bürokratie von weiteren Einstellungen abhält.

Wer einen Menschen mit Behinderung beschäftigt, gibt sich ab dann offener. Zum einen bauen Unternehmen durch die Beschäftigung von Menschen mit Behinderung Erfahrungswissen auf. Zum anderen haben Menschen mit Behinderung eigene Kontakte, die von Unternehmen zur Gewinnung von Fachkräften genutzt werden können.

Zu wenige Bewerber mit Behinderung

Denn das ist ein Problem, das alle Unternehmen in der Umfrage nannten. Sie haben zu wenig Kontakte zu Menschen mit Behinderungen. Über 68 Prozent der Firmen ohne Erfahrung haben schlicht keinen Kontakt zu jungen Menschen mit Behinderung und selbst 79 Prozent der Betriebe, die bereits entsprechende Azubis beschäftigen, haben für weitere Stellenbesetzungen zu wenige Bewerber.

Auf die Frage, welche Angebote das Engagement der Unternehmen besonders gut unterstützen, antworten die Unternehmen einheitlich. Mehr als drei Viertel finden es hilfreich, einen festen externen Ansprechpartner etwa für das Beantragen von Fördergeldern zu haben. Knapp drei Viertel votieren für eine zentrale Informationsst elle zum Thema sowie Ausbildungsmaterial in leichter Sprache. Etwa 37 Prozent nutzen die sozialpädagogische Begleitung für Auszubildende. dhz

Behinderungen sind vielfältig

15,9 Prozent aller ausbildungsaktiven Unternehmen haben in den letzten fünf Jahren junge Menschen mit einer Lernbehinderung, wie einer Rechtschreibschwäche oder Dyskalkulie, ausgebildet. Diese Beispiele wurden in den Fragebogen aufgenommen, um den vieldeutigen Begriff der Lernbehinderung greifbar zu machen. Somit stellt dieser Behinderungstyp die größte Gruppe dar.

Am zweithäufigsten qualifizieren Unternehmen Auszubildende mit einer körperlichen Behinderung, zum Beispiel einer Lähmung von Gliedmaßen oder einer Funktionseinschränkung von Organen (7,9 Prozent).

Etwa gleich viele Unternehmen bilden Jugendliche mit einer psychischen Behinderung, wie Schizophrenie oder Zwangserkrankung, aus.

Deutlich weniger Unternehmen beschäftigen Auszubildende mit einer geistigen Behinderung, wie Hirnschädigungen oder dem Down-Syndrom. Sie sind nur in gut einem Prozent der Unternehmen zu finden.