Baumärkte wollen mit ihrem Angebot immer stärker professionelle Handwerker als Kunden gewinnen. Die einstigen Rivalen nähern sich einander an, was durch Lieferengpässe und Materialmangel begünstigt wird.
Baumärkte bedienen schon lange nicht mehr nur Hobby-Heimwerker, sondern nehmen auch professionelle Handwerker gezielt in den Fokus. Diese zeigten sich in der Vergangenheit meist reserviert, wenn es um das Thema Baumarkt geht. Der Do-It-Yourself-Boom seit den 1960er-Jahren, als die ersten Baumärkte in Deutschland eröffneten, kostete sie schließlich viele Aufträge.
Mittlerweile gibt es 2.067 Bau- und Heimwerkermärkten in Deutschland, wie der Markt- und Konsumentendatenanbieter Statista meldet. Laut Angaben des BHB Handelsverband Heimwerken, Bauen und Garten lag im Jahr 2021 der Gesamtbruttoumsatz der Bau- und Heimwerkermärkte sowie des Fachhandels bei stattlichen 24,3 Milliarden Euro. Der neue DIY-Trend zeigte sich nicht nur während der Pandemie mit ihren Restriktionen, sondern wird auch durch den Handwerkermangel befeuert.
Alte Rivalität
Trotz alter Rivalitäten zwischen Handwerk und Baumarkt nehmen die Baumärkte in Zeiten von Lieferengpässen und Materialmangel eine besondere Rolle ein. Wie nahezu alle Bereiche des Lebens sind auch sie von den Herausforderungen des unsicheren Rohstoffmarkts mit Preisschwankungen und angespannten Lieferketten betroffen. Dennoch bieten sie eine nahezu konstante Warenverfügbarkeit.
Ungeachtet dieser Vorteile sind die Vorbehalte aus dem Profilager noch nicht ganz ausgeräumt. Aris Neumann, Geschäftsführer der Adon GmbH aus Fulda, die auf Ausbauarbeiten in Innenräumen spezialisiert ist, wirft ein: "Das größte Problem im Baumarkt ist für uns, dass dort kein Fachpersonal vorhanden ist." Der Fachhandel sei spezialisiert und biete Qualitätsprodukte zu guten Preisen. Neumann arbeitet mit seinem 16-köpfigen Team deutschlandweit für verschiedene Fertighausanbieter sowie Privatkunden.
Positive Image-Studie
Doch hat Neumann Recht mit seiner kritischen Betrachtung? Es lohnt sich, neben der persönlichen Beurteilung von Baumärkten einen objektiven Blick auf deren Image zu werfen: Wie Baumärkte von Endverbrauchern aktuell eingeschätzt werden, zeigt eine repräsentative Umfrage des Instituts Splendid Research zum Thema Baumärkte 2023. Im Rahmen einer Online-Befragung wurden insgesamt zwölf Marken beleuchtet. Anhand der Angaben von 1.000 deutschen Verbrauchern zwischen 18 und 69 Jahren wurde zunächst ermittelt, dass Obi, Bauhaus und Hornbach die hierzulande bekanntesten Baumarkt-Marken bilden.
Mit 94,4 Prozent der Nennungen ist Obi fast überall bekannt und der von Splendid Research ermittelte Markenindex liegt an der Spitze. Beim Markenimage erhält Obi 69 Punkte, das sich aus verschiedenen Attributen zusammensetzt, wie Vertrauenswürdigkeit (73,4 Punkte), hohe Qualität und Authentizität (jeweils 71,6 Punkte), Weiterentwicklung (70,2 Punkte) und Attraktivität (70,0 Punkte). Weniger Punkte dagegen gibt es für das Merkmal Einzigartigkeit mit 59,8 Punkten. Im Ranking nehmen Hornbach und Bauhaus den zweiten sowie dritten Platz ein. Diese beiden Baumärkte sind gleichermaßen bekannt und deren Produktqualität wird von den Verbrauchern ebenfalls als hoch bewertet.
Für Neumann spielen weitere Attribute eine Rolle und er erklärt: "Ich kaufe im Fachhandel, weiche aber auf Baumärkte aus, weil sie gut erreichbar sind, wenn ich Kleinigkeiten brauche. Das Sortiment ist hier groß und meist ist auch alles verfügbar." Ansonsten seien Baumärkte für ihn keine Option, weil die Preise bei bestimmten Produkten teilweise deutlich höher als im Fachmarkt lägen. "Wenn wir beispielsweise Fliesenkleber oder Spachtelmasse im Baumarkt kaufen würden, wäre unsere Marge schnell aufgebraucht." Bestimmte Farben und Spezialwerkzeuge, wie beispielsweise professionelle Spritzmaschinen, bekäme er im Baumarkt nicht in der gewünschten Qualität. Neumann sagt: "Hier wurde ich im Baumarkt sogar schon einmal an den Fachhandel verwiesen."
Damit so etwas künftig nicht mehr passiert, investiert Hornbach in spezielle Profitheken mit geschulten Profikundenbetreuern — ähnlich wie im Fachhandel. Ruben Lehmann, Leiter Profi-Service Deutschland der Hornbach Baumarkt AG, beobachtet, dass der Gewerbekundenanteil stetig an Bedeutung zunimmt. Er betont, dass der B2B-Bereich aber nicht nur das Handwerkssegment, sondern alle gewerbetreibenden Branchen einschließe.
Fachhandel bevorzugt
"Das klassische Handwerk kauft im Fachhandel, weil geglaubt wird, dass es dort die bessere Ware gibt – das war zumindest damals das Mindset, das auch heute noch in manchen alteingesessenen Handwerksunternehmen herrscht", sagt Lehmann. Er erläutert, dass sich Hornbach nicht nur am Wettbewerb, sondern auch am Angebot des Fachhandels misst und seinen Schwerpunkt auf entwickelte Eigenmarken legt, die gewerblich verarbeitet werden. "In erster Linie geht es darum, den Gewerbekunden durch unsere Services vor allem Zeit zu sparen", betont Lehmann.
Das Konzept zur Großkundenbetreuung von Bauhaus konzentriert sich auf den Produktbedarf sowie spezielle Serviceleistungen für Handwerk und Gewerbe. Nach Angaben des Händlers findet dies im B2B-Bereich einen immer größeren Zuspruch. Unter Betrachtung der Gesamtheit aller zahlenden Kunden gibt Bauhaus an, dass der aktuelle Anteil von B2B- und Großkunden bei zehn bis 20 Prozent liegt. Auch hier wird eine stetige Zunahme von Kunden aus dem klassischen Handwerk verzeichnet. Dies deckt sich mit der Beobachtung des BHB Handelsverbands, der feststellt, dass das Sortiment der Baumärkte zunehmend von kleinen Handwerksbetrieben genutzt wird.
Die Pandemie befeuerte unser Geschäft, denn viele Fachhändler hatten geschlossen und es gab keine Verfügbarkeit mehr. Hier war Hornbach gut aufgestellt und die Gewerbetreibenden konnten ihren Bedarf bei uns decken“, sagt Lehmann. Der Händler verbindet Online-Welt und stationäre Welt und ermöglicht Handwerkern die Reservierung von Waren per Internet, die sie dann zeitnah im Markt fertig kommissioniert abholen können. Er erklärt: "Vorher wurden wir manchmal belächelt und erst dann bewusst von den Handwerkern wahrgenommen. Wir haben auf Profibedarf angepasste Prozesse und Serviceleistungen. Die Handwerker, die dies einmal in Anspruch genommen und gute Erfahrung damit gemacht haben, werden oft zu Bestandskunden, die keinen Bedarf mehr haben, woanders kaufen zu müssen."
Warenangebot für Profis
Um eine konstante Warenversorgung über alle Gewerke hinweg gewährleisten zu können, setzt Bauhaus auf eine "Mehr-Lieferanten-Struktur", durch die die herrschende Warenknappheit in Teilen ausgeglichen werden kann. Großkunden und Profihandwerker haben Zugriff auf ein erweitertes Profi-Sortiment, das – laut Unternehmen – in Preis und Qualität den Produkten aus dem Fachhandel entspricht und zumeist verfügbar ist. Die Produkte, die bei Bauhaus von Handwerkern am häufigsten eingekauft werden, sind Baustoffe sowie Elektro- und Sanitär-Materialien. Dieses Sortiment steht auch Endkunden zur Verfügung, sofern sie danach fragen.
Auch Hornbachs Marktbevorratung richtet sich sowohl an Profi- als auch an DIY-Kunden und ruft für beide Kundensegmente die gleichen Preise auf. Lehmann sagt: "Wer Rabatte gibt, war vorher zu teuer. Wir bieten Preisvorteile nur dann, wenn wir einen Handlingsvorteil in der Abwicklung haben. Ergeben sich bei Beschaffungsprozessen oder durch die Lagerbevorratung Vorteile, reichen wir diese komplett an die Kunden weiter. Es geht auch nicht darum, dass uns ein Lieferant für drei Monate den besten Preis liefern kann." Wichtiger seien langfristige Geschäftsbeziehungen, "die sich gerade in schwierigen Zeiten als tragfähig erweisen".
Die Krisen genutzt
Während der angespannten Zeit der vergangenen drei Jahre konnten Baumärkte ihre Produktportfolios vor allem im Profi-Handwerksbereich bekannter machen. Handwerker griffen auf das dortige Warenangebot zurück, um ihre Arbeitsleistung erbringen zu können, sofern sie sich nicht rechtzeitig im Fachmarkt bevorraten konnten. Neumann sagt: "Aufgrund meiner guten Kontakte zu Fachhändlern konnte ich für bevorstehende Notzeiten rechtzeitig ausreichend Material einlagern, was einigen meiner Kollegen nicht möglich war."
Diese konnten alternativ beispielsweise die Bauhaus Drive-In-Arena nutzen, die von Handwerkern zunehmend frequentiert wird, wie der Händler beobachtet. Er sieht seine Vorteile gegenüber dem Fach- oder Großhandel insbesondere in seinen langen Öffnungszeiten und der schnellen und bequemen Warenverfügbarkeit auch größerer Mengen. Im Laufe dieses Jahres plant Bauhaus, seinen Großkundenbetreuungsservice in 48 Fachzentren bundesweit anzubieten. Dort soll es eigenständige Fachabteilungen geben, in denen sich ein spezialisiertes Team ausschließlich um die Belange der B2B-Kunden kümmert.
Vorteile für beide Seiten
Die Möglichkeit, den Bedarf ihrer Kunden in Krisenzeiten weitestgehend decken zu können, bescherte den Baumärkten eine Erfolgswelle, auf der sie auch künftig reiten möchten. Fakt ist, dass Handwerker ein wichtiges Kundensegment für Baumärkte darstellen. Ihr allgemein gutes Image im DIY-Bereich soll auch bei den Handwerkern ankommen, woran die Baumärkte gezielt arbeiten. Prozesse, Serviceleistungen und Angebote werden zunehmend an den Bedarf der Profis angepasst, die besonderen Wert auf geschultes Personal, effektive Abwicklungsprozesse und Logistikleistungen legen. So, wie sie diese aus dem Fachhandel gewohnt sind. Ein Plus der Baumärkte ist ihre regionale Verankerung und ihre Warenverfügbarkeit, wodurch die Lagerhaltung der Profis entlastet wird.
Nicht nur Baumärkte sind durch die dynamische Entwicklung am globalen Energie- und Rohstoffmarkt gefordert. Schwankende Herstellungskosten könnten die Produktpreise der Baumärkte beeinflussen, was möglicherweise ein als gut empfundenes Preis- Leistungs-Verhältnis beeinträchtigen könnte. Wenn jedoch Handwerker durch Serviceleistungen der Baumärkte effektiv unterstützt werden, könnten frühere Vorurteile bald der Vergangenheit angehören und durch Vorteile für beide Seiten ersetzt werden.