Balkonkraftwerke sind gefragt und die Bundesregierung möchte ihren Ausbau weiter vorantreiben. Eigentlich sollen die Mini-Solaranlagen von jedem Laien selbst installiert werden können. Doch der Aufwand beim Anmelden und der Inbetriebnahme schrecken ab. Dass soll sich künftig ändern. Die Hilfe von Elektrikerinnen und Elektrikern ist gefragt.

Solarstrom vom eigenen Balkon oder der Fassade trifft den Wunsch vieler Verbraucherinnen und Verbraucher, die – zumindest etwas – unabhängiger von hohen Strompreisen und den regulären Stromanbietern werden wollen. So hat sich der Bestand an Balkonkraftwerken bzw. Mini-Solaranlagen in Deutschland in diesem Jahr bereits massiv gesteigert. Wie stark die Nachfrage in naher Zukunft noch ansteigt, ist noch nicht absehbar.
Für das Jahr 2023 gilt für den Kauf von Photovoltaik-Anlagen, Zubehörteilen und die Dienstleistung rund um deren Installation ein Umsatzsteuersatz von 0 Prozent. Derzeit plant die Bundesregierung außerdem Erleichterungen beim Anmelden von Balkonkraftwerken. Das könnte für einen weiteren Schub sorgen. Nachdem das Bundeskabinett ein Solarpaket beschlossen, das auch Neuerungen für die Balkonkraftwerke enthält, hat es jetzt zusätzlich Änderungen im Mietrecht und Wohnungseigentumsrecht beschlossen (siehe Infokasten unten). Nach diesem Beschluss gehen die Neuerungen allerdings weiter in die Beratungen im Bundestag. Sie sollen im kommenden Jahr in Kraft treten.
Was ist ein Balkonkraftwerk?
Balkonkraftwerke, die Solarstrom erzeugen, bestehen in der Regel aus ein bis zwei Solarmodulen und einem Wechselrichter. Dieser wandelt den Solarstrom in Haushaltsstrom um, der direkt in die Steckdose eingespeist werden kann. Der Strom kann dann im Haushalt verwendet werden und man spart Energiekosten, da man weniger Strom aus dem öffentlichen Stromnetz beziehen muss.
Für die Balkonkraftwerke gilt derzeit eine Leistungsgrenze von 600 Watt. Diese wurde festgelegt, um sicherzustellen, dass die Stromnetze weiterhin stabil funktionieren, wenn zusätzliche Anlagen Strom produzieren und – obwohl kein Strom ins Netz eingespeist wird – Einfluss auf das Stromnetz und dessen Auslastung haben. Dabei geht es auch um die Versorgungssicherheit und die Vermeidung von Schäden durch zu starke Schwankungen und Überlastungen. Da sich bisher aber keine Probleme zeigen, wird bereits über eine Ausweitung auf eine Leistungsgrenze von 800 Watt diskutiert. Diese gilt auch in anderen europäischen Ländern.
Regelungen bezüglich der Balkonkraftwerke sind in Deutschland im nationalen Normenverzeichnis des Verbands der Elektrotechnik Elektronik Informationstechnik (VDE) festgelegt. Dieses Verzeichnis bildet eine rechtskräftige Grundlage zum Betrieb elektrischer Geräte gemäß den europäischen Richtlinien. Für steckerfertige Balkonkraftwerke, die Solarstrom produzieren, gilt die VDE AR-N 4105.
Wer darf eine Mini-Solaranlage installieren?
Die Balkonkraftwerke sind im Prinzip so ausgelegt, dass man sie wirklich nur in eine herkömmliche Steckdose einstecken muss, damit sie Solarstrom produzieren können. Ihre Steckerfertigkeit erlaubt es jeder Verbraucherin und jedem Verbraucher sie selbst anzuschließen. Der Zentralverband der Deutschen Elektro- und Informationstechnischen Handwerke (ZVEH) empfiehlt jedem Betreiber einer Mini-Solaranlage allerdings, den Stromkreis und die Steckdose, an die die Anlage angeschlossen wird, vor der Inbetriebnahme von einer Elektrofachkraft prüfen und gegebenenfalls ertüchtigen zu lassen.
Voraussetzung für das korrekte Anschließen der Balkonkraftanlage sei, dass ein Zweirichtungszähler sowie eine spezielle Energiesteckvorrichtung vorhanden sind. Und dies zu erkennen und korrekt zu nutzen ist nicht jedem Laien möglich. Ähnlich wie der ZVEH rät deshalb auch die Deutsche Kommission Elektrotechnik Elektronik Informationstechnik in DIN und VDE (DKE) dazu, sich fachliche Unterstützung zu holen: "Soll eine Mini-Solaranlage an den Endstromkreis angeschlossen werden, empfehlen wir, dass eine Elektrofachkraft mit Kenntnissen in der Gebäudeinstallation und PV-Anlagentechnik prüft, ob die Stromleitung für eine Stromeinspeisung ausgelegt ist."
Anzumelden sind die steckerfertigen PV-Anlagen derzeit noch beim Netzbetreiber sowie im Marktstammdatenregister. Das muss der Anlagenbesitzer selbst übernehmen. Der Gesetzgeber strebt hierbei allerdings eine Vereinfachung an. Zukünftig soll dann nur noch eine verpflichtende Anmeldung beim Marktstammdatenregister erforderlich sein und nicht mehr beim Netzbetreiber.
Welche Probleme können auftreten, wenn ein Balkonkraftwerk falsch angeschlossen wird?
"Mittlerweile tauchen in den Medien vermehrt Meldungen auf, die auf Mängel beim Wechselrichter hinweisen", erklärt Andreas Habermehl, ZVEH-Geschäftsführer Technik und Berufsbildung, auf Anfrage der DHZ. Der Wechselrichter hat unter anderem die Aufgabe, sicherzustellen, dass kein Strom fließt, wenn die Anlage bewusst außer Betrieb geht oder das Netz geschützt werden muss. Habermehl weist darauf hin, dass es sich bei diesem Problem um sicherheitsrelevante Mängel handelt, die zu Schäden führen können.
Bei einem Defekt wiederum bestehe das Risiko, dass die PV-Anlage nicht mehr vollumfänglich funktioniert. "Das ist insbesondere dann problematisch, wenn das Gewährleistungsende bereits erreicht ist, sich die Anlage aber noch nicht amortisiert hat", erklärt er und weist darauf hin, dass es deshalb so wichtig sei, dass alle Komponenten von Anfang an richtig angeschlossen seien.
Der ZVEH sieht es außerdem als problematisch an, dass aktuell noch keine gültige Produktnorm für die Mini-Solaranlagen existiert. Bei der DKE liege zwar ein Entwurf, der diskutiert wird. "Diesen voranzutreiben und damit die Sicherheit der Geräte und des Betriebs an der elektrischen Anlage zu gewährleisten, liegt in erster Linie im Verantwortungsbereich der Hersteller", sagt Andreas Habermehl. Ohne eine solche Norm sei aber auch nicht festgeschrieben, wie die Sicherheit der elektrischen Anlage gewährleistet wird. Offene Fragen sind laut ZVEH beispielsweise, ob Sicherheitseinrichtungen (z. B. Fehlerstromschutzeinrichtungen) weiter wirksam sind, oder wie nach der Installation ungewollte Netzrückwirkungen vermieden werden.
So viele Balkonkraftwerke gibt es schon in Deutschland
Die Zahl der sogenannten Balkonkraftwerke hat sich seit Jahresbeginn 2023 verdoppelt, wie aus dem Marktstammdatenregister der Bundesnetzagentur hervorgeht. Aktuell zeigt das Register rund 230.000 steckerfertige Erzeugungsanlagen – so der offizielle Name. Für knapp 137.000 davon – also mehr als die Hälfte – liegt das Inbetriebnahmedatum im laufenden Jahr.
Die Zahl der Anlagen dürfte sogar noch höher sein. Laut Bundesnetzagentur gibt es im Register noch etwa 30.000 weitere Anlagen mit einer Leistung unter 1 Kilowatt, von denen nicht klar ist, ob sie ebenfalls Balkonkraftwerke sind. Hinzu kommt eine unbekannte Zahl an – entgegen der gesetzlichen Vorgaben - nicht registrierten und nicht beim Stromanbieter angemeldeten Anlagen. dpa
Wann lohnt sich ein Balkonkraftwerk? Kann man damit unabhängig vom Strommarkt werden?
Das Angebot der auf dem Markt befindlichen steckerfertigen PV-Anlagen wächst beständig und ist sehr heterogen. "Für Kunden ist es daher schwer, sich zurechtzufinden", sagt deshalb auch der Technikexperte des ZVEH. Für wen sich ein Balkonkraftwerk lohnt hängt von verschiedenen Faktoren ab, die jeder individuell abwägen muss. Unter anderem gehört der Anschaffungspreis dazu und der jeweils aktuell gezahlte Strompreis. Eine Rolle spielt aber auch, ob die Module möglichst lange und Sonne bekommen.
Obwohl immer mehr Balkonkraftwerke verkauft und installiert werden, spielen sie noch keine wirklich relevante Rolle in den offiziellen Zahlen zur Stromerzeugung. Selbst wenn man die 30.000 Anlagen mit unklarem Status (siehe Infokasten) hinzuzählt, kommen sie laut Bundesnetzagentur nur auf eine Gesamtleistung von 170 Megawatt und dürften im Jahr maximal 170 Gigawattstunden erzeugen. Das sind 0,3 Promille des deutschen Stromverbrauchs.
Den Nutzen der Balkonkraftwerke schätzt der ZVEH folgendermaßen ein: "Steckerfertige PV-Geräte verursachen zwar im Grunde keine großen Probleme. Sie lösen aber auch keine, denn ihr Beitrag zur Gewinnung regenerativ erzeugter Energien und damit zur Energiewende ist insgesamt sehr überschaubar."
So viel Strom liefern Balkonkraftwerke
Das zeigen auch ein Rechenbeispiel und eine Einschätzung, die der Verband liefert:
Ein Balkonkraftwerk hat derzeit eine maximale Leistung von 600 Watt. Sollte eine Stunde lang unter optimalen Bedingungen die Sonne auf das Kraftwerk scheinen, könnte die Anlage 0,6 kWh produzieren. Realistisch betrachtet, produziert ein Balkonkraftwerk bei sonnigem Wetter im Sommer am Tag circa 2 bis 3 kWh. Im Jahr könnten so rund 300 bis 500 kWh produziert werden. Hier spielen aber die Ausrichtung der Module und das Wetter eine Rolle.
Bei einem durchschnittlichen Verbrauch von 3.500 kWh pro Jahr könnte man mit einem Balkonkraftwerk den Strombezug eines Haushalts auf 3.000 kWh reduzieren. Den kompletten Tagesbedarf über Solarenergie abzudecken, ist jedoch nicht möglich. Bei einem Strombezugspreis von beispielsweise 40 Cent pro kW/h lassen sich unter optimalen Bedingungen etwa 200 Euro im Jahr einsparen. In der Praxis wird der Ertrag aber weitaus geringer ausfallen.
Was plant die Bundesregierung für Mini-Solaranlagen?
Die Bundesregierung will die Installation der Anlagen weiter erleichtern und dem Thema so einen weiteren Schub geben. Nach einem Referentenentwurf des Justizministeriums soll Mietern und Wohnungseigentümern die Installation erleichtert werden. Sie sollen einen gesetzlichen Anspruch auf das Anbringen der Geräte bekommen. Die Notwendigkeit, einen Antrag auf Installation beim Vermieter oder der Eigentümerversammlung zu begründen, würde damit entfallen.
Das Wirtschaftsministerium strebt zudem eine Anhebung der Leistungsgrenze von 600 auf 800 Watt sowie vereinfachte Meldepflichten für Steckersolargeräte an. Bisher müssen diese im Marktstammdatenregister der Bundesnetzagentur eingetragen und beim Netzbetreiber gemeldet werden. Diese Doppelmeldung soll entfallen.
Ändern soll sich künftig auch, dass man als Betreiber eines Balkonkraftwerks einen sogenannten Zweirichtungszähler braucht, wenn man nicht schon einen Smart-Meter nutzt. So sollen ab dem kommenden Jahr dann auch die alten nicht-digitalen Stromzähler übergangsweise weiterverwendet werden können. Sie würden dann einfach rückwärts drehen, wenn Strom vom Balkon ins Netz eingespeist wird. Balkonkraftwerke sollen außerdem künftig mit einem Schuko-Stecker angeboten werden, der in haushaltsübliche Steckdosen passt. Die nötige Norm wird derzeit von der DKE überarbeitet.
Der ZVEH versteht den Wunsch nach Selbstversorgung, sieht das Thema der Balkonkraftwerke aufgrund noch unbeantworteter Fragen aber ambivalent. Dennoch spürt die Branche eine wachsende Nachfrage nach den steckerfertigen Solaranlagen – vor allem dort, wo größere PV-Anlagen mit einer höheren Leistung nicht installiert werden können oder deren Installation zu teuer ist. Dann könnten Balkonkraftwerke immerhin einen kleinen Beitrag zur Energiewende leisten.
Mit Material von dpa
Diese Änderungen für Mieter und Wohnungseigentümer sind geplant
Die Bundesregierung will es Menschen ohne eigenes Haus leichter machen, eine kleine Solaranlage auf dem heimischen Balkon anzubringen. Dafür hat das Kabinett am Mittwoch Änderungen im Mietrecht und im Wohnungseigentumsrecht beschlossen. Der Gesetzentwurf sieht vor, dass die Stromerzeugung durch Steckersolargeräte in den Katalog der sogenannten privilegierten Maßnahmen aufgenommen wird. Das sind bauliche Veränderungen, die von Vermietern und Wohnungseigentümergemeinschaften (WEG) nicht einfach blockiert werden können. Zu diesem Katalog gehören bislang der Umbau für Barrierefreiheit, E-Mobilität, Einbruchschutz und Telekommunikation.
Wenn das Gesetz so verabschiedet wird, wie es der im Bundesjustizministerium erarbeitete Entwurf vorsieht, hätten Vermieter und die WEG zwar immer noch ein Mitspracherecht, wenn es darum geht, wie ein Steckersolargerät am Haus angebracht wird. Ob so eine Anlage überhaupt installiert werden darf, wäre dann aber nicht mehr grundsätzlich strittig.
Mit dem jetzt vom Kabinett beschlossenen Entwurf will die Bundesregierung für Wohnungseigentümer außerdem noch etwas regeln, was mit Energiegewinnung nichts zu tun hat: Wohnungseigentümergemeinschaften sollen künftig mit einer Dreiviertelmehrheit der abgegebenen Stimmen entweder beschließen können, dass Versammlungen ausschließlich virtuell stattfinden oder dass sie als reine Online-Veranstaltungen zumindest stattfinden können. Das ist bislang nur möglich, wenn alle Eigentümer zustimmen. Während einige Verbände in der geplanten Änderung eine Erleichterung sehen, befürchten andere eine Benachteiligung älterer Eigentümer. dpa