Die schlechten Nachrichten über den Zustand der deutschen Wirtschaft reißen nicht ab. Auch "hart aber fair" widmete sich der wirtschaftlichen Misere des Landes – und ließ die Inhaberin einer Hannoveraner Bäckerei zu Wort kommen. Die kritisierte scharf den in der Diskussion stehenden Industriestrompreis und die anwesende Grünen-Politikerin.

Die Talkrunde bei "hart aber fair" drohte gerade in übliche Floskeln abzudriften, als Moderator Louis Klamroth die Bäckerei-Inhaberin Caterina Künne ins Spiel brachte. Zuvor hatte sich die Debatte immer mehr um das Thema Industriestrompreis gedreht. Der Vorschlag von Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck sieht vor, dass energieintensive Unternehmen, die einige weitere Kriterien wie das Ziel einer klimaneutralen Produktion erfüllen, einen mit Steuergeldern bei sechs Cent pro Kilowattstunde gedeckelten Strompreis erhalten. Und Künne hatte dazu, logischerweise, einen klaren Standpunkt, den sie vehement vertrat.
Gelächter über Grünen-Aussage
Die Industrie werde mal wieder bevorzugt, in ihrem Falle Großbäckereien bevorteilt. "Wir würden den Industriestrompreis sicher nicht bekommen", sagte Künne. Das wollte Moderator Klamroth von der anwesenden Grünen-Fraktionsvorsitzenden Katharina Dröge genauer wissen. Doch die sorgte für einen peinlichen Moment. Und zwar als sie dozierte, um den Industriestrompreis zu erhalten, sei auch für Mittelständler neben einer energieintensiven Produktion oberhalb einer bestimmten Schwelle auch der Umstand entscheidend, dass das Unternehmen im internationalen Wettbewerb stehe. "Das bin ich jetzt gerade nicht", entfuhr es Künne. Im Publikum gab es höhnisches Gelächter für so viel ungelenke Argumentation der Grünen. Dröge versuchte sich rauszureden, indem sie von einem "sehr speziellen Fall" sprach, den die Bäckerei darstellte. Wenn aber Künnes Betrieb, den sich zusammen mit ihrem Mann führt und der 70 Mitarbeiter an sieben Verkaufsstellen hat, ein spezieller Fall ist, dann gilt das wohl für viele Bäckereien im Land.
Bäckerei-Inhaberin: "Ich verstehe nicht, warum diese Unterschiede gemacht werden"
Entsprechend gereizt warf sie Dröge vor, ihre Regierung sei wohl dafür, dass es nur noch große Bäckereien gebe, die international aufgestellt seien. "Und den kleinen Handwerksbäcker um die Ecke gibt es dann nicht mehr". Sie verstehe zudem nicht, warum immer diese Unterschiede zwischen Mittelstand und Industrie gemacht würden. Auch wenn die Grüne konterte, das habe sie nicht gesagt, und "massive Entlastungen für den Mittelstand" betonte, die die Ampel vorgenommen habe, blieb Künne am Drücker. Sie würde gerne mehr Löhne zahlen, aber das gehe nicht. Denn sie wisse gar nicht mehr, wie sie wirtschaften solle, sagte sie. Und fügte provozierend hinzu: "Ich verstehe nicht, warum gerade eine grüne Regierung, die für Regionalität wirbt, nicht regionale Bäcker entlastet. Ich habe meine Fachgeschäfte im Schnitt sieben Kilometer von der Backstube entfernt, das hat eine Großbäckerei nicht."
Gerade als sich die Politiker in der Runde – neben Dröge war auch Johannes Vogel (FDP) sowie Jens Spahn (CDU) auf dem Podium – wieder in ihr Geplänkel um den Industriestrompreis begeben wollten und sich gegenseitig Vorwürfe machten, schritt Moderator Klamroth ein. "Wenn wir eine Bürgerin da haben und sie ein Problem anspricht, sind wir gut beraten, darüber zu sprechen", fordete er ein. Vor allem gerichtet an Vogel von der FDP, der einmal mehr darauf hinwies, dass seine Partei den Industriestrompreis nicht wolle, und die Regierung hier einen Dissens habe. Applaus im Publikum für Klamroths Eingreifen. Künne, der man eine gewisse Fernseherfahrung – sie war im Herbst 2022 schon einmal bei "hart aber fair" und auch bei Bild TV – anmerkte, setzte als Sympathieträgerin im Studio zum finalen Akt an. "Wir sind so energieintensiv wie eine große Industrie", sagte sie. "Wir werden nächstes Jahr mit Kosten überschüttet."
Der Kanzler aß Bienenstich
Schließlich ging es noch um den Besuch des Kanzlers in Künnes Bäckerei im Jahr 2022. Bei diesem habe er "Bienenstich gegessen" und "die Information gegeben", dass er dafür sorgt, dass immer genug Energie da ist. "Glauben Sie ihm das?", fragte Klamroth die Bäckerei-Inhaberin. Und die antwortete klar: "Nein!" Jeden Tag schließe ein Handwerksbetrieb, und alle in der Runde liebten Brot und Brötchen. "Wir bilden aus und Brot ist Weltkulturerbe. Man will es einfach nicht, dass man nur noch die Großbäckereien hat, so wie das scheinbar die Grünen wollen." Auf Dröges Einwurf, das sei nicht richtig, reagierte Künne gereizt: "Ja, aber wenn man die unterstützt, dann ist das die Konsequenz." Da schaute Dröge erneut genervt drein.
Spahn: "Viel Krach, wenig Wumms"
Überhaupt musste sich die Ampel-Regierung auch in der restlichen Zeit des Talks einiges an Kritik anhören. CDU-Mann Jens Spahn zeigte sich angriffslustig, kritisierte Dröge und Vogel immer wieder scharf – in der Ampel sei "viel Krach, aber wenig Wumms." Ökonom Jens Südekum mahnte mehr Investitionen an. Und dem Chef des Chemiekonzerns Evonik, Christian Kullmann, platzte angesichts des von ihm als ungerecht empfundenen Kritik an den hohen Gewinnen der Konzerne der Kragen. Das sei billige Polemik, man rede herablassend über die Industrie. Er wolle keine Subventionen, und die energieintensiven Unternehmen zahlten Milliarden an Steuern, die wiederum beispielsweise in die Subventionierung der Bundeswehr flössen. Zu dem Zeitpunkt allerdings war Caterina Künne noch im Publikum gesessen und hatte noch auf ihren Auftritt gewartet. Ein Auftritt, der den Evonik-Chef weitgehend zum Verstummen brachte, da die Probleme der Bäcker – aber auch des Handwerks generell – eben so eindringlich aufgezählt wurden. Auch Spahn blieb auffallend ruhig und schien die Kritik an der Ampel beinahe ein wenig zu genießen.
Energiekosten verdoppelt – "Das war früher der Gewinn"
Insofern blieb am Ende die Einsicht zurück, dass an der gegenwärtigen Misere nicht nur die Ampel, sondern auch die Vorgänger-Regierungen unter Merkel zentral verantwortlich sind. Immerhin, so könnte man hoffnungsvoll formulieren, werden die Probleme nun, da sie offen für alle auf dem Tisch liegen, deutlich angesprochen. Dass die Ampel-Vertreter den geballten Zorn einer gebeutelten Betriebs-Inhaberin abbekamen, liegt in der Natur der Sache. Denn mit Blick auf die Wirtschaft – im Übrigen vor allem die mittelständische – scheint es fünf vor Zwölf zu sein. Nicht nur bei Evonik haben sich die Energiekosten verdoppelt, sondern auch bei der Bäckerei von Caterina Künne. Von 130.000 auf 260.000 Euro sei es gegangen, erzählte sie. "Diese Verdopplung war für die meisten kleinen Unternehmer früher der Gewinn."
>>> Die komplette Sendung von "hart aber fair" können Sie sich hier ansehen: Die Wirtschaft lahmt: Wie wird Deutschland wieder Spitze?