Streitpunkt E-Fuels Abstimmung über Verbrenner-Aus wird verschoben

Eigentlich sollte die endgültige EU-Abstimmung über das Verbrenner-Verbot ab 2035 nur noch eine Formalie sein: Deutsche Forderungen verzögern das Verfahren nun jedoch. Das Kfz-Handwerk wirbt für eine "sinnvolle Lösung pro Klimaschutz".

Vorerst kein grünes Licht für ein pauschales Verbrenner-Verbot ab 2035. - © Ralf Gosch - stock.adobe.com

Die EU-Staaten werden am kommenden Dienstag nicht wie ursprünglich geplant eine endgültige Entscheidung über das pauschale Verbot neuer Autos mit Verbrennungsmotor ab 2035 treffen. Das teilte ein Sprecher des zuständigen schwedischen EU-Ratsvorsitzes am Freitag in Brüssel mit. Kurz zuvor hatte Bundesverkehrsminister Volker Wissing (FDP) in Berlin gesagt, dass Deutschland dem geplanten Verbot zum derzeitigen Zeitpunkt nicht zustimmen kann. Wissing bekräftigte die Forderung, die EU-Kommission müsse einen Vorschlag unterbreiten, wie klimaneutrale synthetische Kraftstoffe nach 2035 in Verbrennungsmotoren eingesetzt werden können. Die EU-Kommission müsse eine entsprechende Zusage erfüllen.

Kfz-Handwerk wirbt für E-Fuels

Für eine Zulassung sogenannter E-Fuels über das Jahr 2035 hinaus wirbt auch der Zentralverband Deutsches Kraftfahrzeuggewerbe (ZDK). "Durch die Vertagung des vorgesehenen Beschlusses des EU-Ministerrats zum Verbrenner-Verbot gibt es jetzt die Chance, eine technologieoffene Lösung zu finden", sagte ZDK-Hauptgeschäftsführer Kurt-Christian Scheel. Das Kfz-Gewerbe teile das Ziel einer klimaneutralen Mobilität. Eine Lösung im Sinne des Klimaschutzes sowie der Autofahrerinnen und Autofahrer dürfe synthetische Kraftstoffe jedoch nicht ausschließen. "Mit E-Fuels könnten in Deutschland rund 46 Millionen Pkw mit Verbrennungsmotoren klimaneutral angetrieben werden, und die bestehende Tankstellen-Infrastruktur wäre vorhanden", so Scheel.

EU-Abstimmung drohte an deutschem Widerstand zu scheitern

Ohne die Zustimmung Deutschlands hätte die für Dienstag geplante Abstimmung scheitern können. Notwendig für die Annahme des Gesetzes ist die Zustimmung von 15 von 27 Mitgliedstaaten, die zusammen mindestens 65 Prozent der Gesamtbevölkerung der EU ausmachen müssen. Neben Deutschland wollten zuletzt auch Länder wie Italien, Polen und Bulgarien den Plänen so nicht zustimmen. Die 65-Prozent-Hürde würde ohne Deutschland nicht erreicht.

Eigentlich hatten Unterhändler des Europaparlaments und der EU-Staaten sich bereits im Oktober darauf verständigt, dass in der EU ab 2035 nur noch Neuwagen verkauft werden dürfen, die im Betrieb keine Treibhausgase ausstoßen. Die ausstehende Abstimmung der EU-Staaten ist der allerletzte Schritt im Gesetzgebungsverfahren und eigentlich eine Formalie.

Wissing hatte jedoch bereits Anfang der Woche Widerstand gegen das Vorhaben angekündigt und damit gedroht, dass Deutschland nicht werde zustimmen können. Er begründete dies damit, dass die EU-Kommission bislang noch keinen Vorschlag dazu vorgelegt habe, wie nach 2035 nur mit klimaneutralen Kraftstoffen wie E-Fuels betankte Fahrzeuge zugelassen werden können. Dies war Teil der Einigung im Rat der EU-Staaten im Juni 2022, mit der die FDP zu einer Zustimmung innerhalb der Bundesregierung bewegt werden konnte. dpa/fre

E-Fuels – saubere Lösung oder Sackgasse?

Was sind E-Fuels?

Das sind künstlich hergestellte Kraftstoffe (Electrofuels). Technisch wird in der Regel aus Wasser mit Strom Wasserstoff hergestellt. Mit Kohlendioxid verbunden kann der Kraftstoff - nach Art der chemischen Verbindung - die Eigenschaft von Diesel, Benzin oder Kerosin haben.

Sind solche synthetischen Kraftstoffe nachhaltig?

Das kommt auf ihre Basis an. Die Kraftstoffe gelten in der Herstellung nur dann als klimaneutral, wenn der Strom dafür nicht aus fossilen, sondern erneuerbaren Quellen stammt - etwa aus Windkraft, Solaranlagen oder Wasserkraftwerken. Für die Herstellung von E-Fuels kann der Atmosphäre Kohlendioxid entzogen werden. Doch auch dieses Abscheiden kostet Energie, weil die CO2-Konzentration in der Luft sehr gering ist. Die Verbrennung der E-Kraftstoffe in Motoren erzeugt genauso viel umweltschädliche Abgase wie bei Kraftstoffen aus fossilen Quellen. Nur eine geringere Rußfreisetzung ist möglich.

Was ist typisch für die Produktion?

Bisher gibt es Pilotanlagen, die Technik ist in der Aufbauphase. Die Produktion ist sehr energieintensiv. Es wird in jedem Fall viel Strom benötigt. Ingenieure der TU Bergakademie Freiberg rechnen vor, dass bei einem Verbrauch von 5 Litern E-Fuel auf 100 Kilometern rund 50 Kilowattstunden Strom für die Herstellung des Kraftstoffs nötig sein können. Das entspricht nach Angaben von Stromanbietern dem halben Monatsverbrauch eines deutschen Single-Haushalts.

Dem ADAC zufolge fallen bei der Herstellung von E-Fuels hohe Wirkungsverluste an. Von der eingesetzten Energie blieben in der gesamten Kette am Ende nur 10 bis 15 Prozent übrig. Im E-Auto kämen 70 bis 80 Prozent der Ausgangsenergie am Rad an. E-Fuels verbrauchen also mindestens fünfmal so viel Energie wie heute verfügbare E-Autos.

Können E-Fuels in Deutschland produziert werden?

Der Aufbau einer Produktionsanlage kostet laut ADAC neben technologischem Know-how viel Zeit, Fläche und immens viel Geld. Die Bergakademie Freiberg betreibt eine Pilotanlage. Ihre Ingenieure gehen nicht davon aus, dass in Deutschland eine Produktion in großem Stil möglich wäre. Denn es fehle an ausreichend "grünem" Strom. E-Fuels ließen sich aber gut speichern und transportieren, so dass ihr Herstellungsort nicht entscheidend sei.

Funktioniert die Technik in der Praxis?

Der ADAC hat E-Fuels im Sommer 2022 in einem gebrauchten VW Golf VII 1,4 TSI getestet. Über mehrere Tausend Kilometer seien bei den technischen Eigenschaften, der Leistung und dem Fahrverhalten keine Unterschiede im Vergleich zu fossilen Brennstoffen spürbar gewesen. Das bestehende Tankstellen-System gilt als geeignet, um E-Fuels zu vertreiben - als Beimischung oder in Reinform. Auf absehbare Zeit wird es aber kaum genug E-Fuels geben, um die jetzt zugelassenen Pkw mit Verbrennungsmotor damit fahren zu lassen.

Was sagen Befürworter?

Nach Ansicht des Sportwagenherstellers Porsche, der in Chile in eine große Pilotanlage investiert, ließen sich mit E-Fuels künftig bis zu 90 Prozent der fossilen CO2-Emissionen im Verbrenner reduzieren.

Die Mittelständische Energiewirtschaft Deutschland als Stimme der Mineralöl- und Energiewirtschaft argumentiert beim Thema Wirkungsgrad, es dürfe nicht nur betrachtet werden, wie viel Energie die einzelne Fahrt verbrauche. Es gehe darum, wie viel Energie benötigt werde und wie viel CO2 ein Fahrzeug von seiner Herstellung über die Fahrleistung bis zum Recycling verursache. Bei dieser Betrachtung schnitten E-Fuels besser ab als andere Technologien.

Weltweit gibt es nach Angaben der Bergakademie Freiberg aktuell noch etwa 1,4 Milliarden Fahrzeuge mit Verbrennungsmotoren. Sie könnten kaum alle in kurzer Zeit verschwinden, ohne für die Produktion alternativer Fahrzeuge enorme Mengen von Energie aufzuwenden. Für Verbrenner könnten synthetische Kraftstoffe deshalb eine Lösung sein. Allerdings seien sie wegen der Abgas-Belastung zum Beispiel in Städten nicht sinnvoll. Autohersteller wie Mercedes oder VW gehen davon aus, dass sich langfristig das Elektroauto durchsetzen wird.

Was sagen Kritiker?

Für den Bund für Umwelt und Naturschutz sind E-Fuels keine Alternative für die Verkehrswende. Synthetische Kraftstoffe sollten besser nur für den unvermeidbaren Flug- und Schiffsverkehr genutzt werden. Greenpeace nennt die E-Fuel-Perspektive eine Verschwendung sauberer Energie, die man sich nicht leisten könne. Die Heinrich-Böll-Stiftung argumentiert, "grüner" Wasserstoff sei eine rare Ressource, eine Art Champagner der Energiewende. Der sollte nicht für Autos, sondern für Schlüsselindustrien verwendet werden. dpa