Die Politik muss aufwachen, fordert die IG BAU. Kurzarbeit und Arbeitsplatzabbau drohen, warnt das Baugewerbe. Nur 295.300 Wohnungen konnten 2022 fertiggestellt werden. Weit weniger als die angepeilten 400.000 Wohnungen pro Jahr. Bundesbauministerin Geywitz will dennoch an diesem Ziel festhalten – und verweist unter anderem auf kommende Förderprogramme.

In Deutschland werden zu wenige Wohnungen gebaut. "Es leben immer mehr Menschen in Deutschland, aber der Wohnungsbau hält nicht Schritt", sagte der Präsident des Zentralverbands Deutsches Baugewerbe (ZDB), Reinhard Quast, mit Blick auf die jüngsten Zahlen des Statistischen Bundesamtes. Danach wurden 2022 mit 295.300 Wohnungen zwar rund 2.000 mehr Wohnungen als im Vorjahr fertiggestellt. Diese Zahl liegt aber unter den von Bundesbauministerin Klara Geywitz nach wie vor angestrebten 400.000 Wohnungen pro Jahr, darunter 100.000 Sozialwohnungen. Für 2023 rechnet der ZDB nur mit 245.000 fertiggestellten Wohnungen.
IG-Bau warnt ebenfalls vor Abrutschen der Neubauzahlen
Auch die Industriegewerkschaft Bau warnt: "Es wird für dieses Jahr ein regelrechtes Abrutschen der Neubauzahlen geben", sagte der Bundesvorsitzende Robert Feiger. "Notwendig ist deshalb kein Weckruf mehr an die Politik. Notwendig ist ein Weckschrei", fügte er hinzu. "Ohne politisches Eingreifen steht Deutschland schon ab dem kommenden Jahr eine scharfe Rezession im Wohnungsbau bevor." Die IG-Bau unterstrich ihre Forderung nach weiteren Milliarden für den sozialen Wohnungsbau.
Geywitz betont leichten Zuwachs an neuen Wohnungen
SPD-Politikerin Geywitz verwies hingegen auf das Erreichte: "Der Bau bleibt auch in der Krise stabil", sagte sie mit Blick auf ein Plus von 0,6 Prozent bei den fertig gestellten Wohnungen im Jahr 2022. Das sei eine "beachtliche Leistung der kompletten Baubranche", betonte sie mit Blick auf die Folgen des Angriffskrieges, auf Materialengpässe sowie steigende Zinsen oder Fachkräftemangel. Die Regierung werde die Branche weiter unterstützen.
Im Juni soll Förderprogramm für junge Familien an den Start
So will sie wie zuvor angekündigt im Juni ein Förderprogramm für junge Familien mit einem Jahreseinkommen von bis zu 60.000 Euro plus 10.000 Euro pro Kind starten. Ihnen sollen je nach Baustandard und Anzahl minderjährige Kinder zinsgünstige Darlehen mit einer Kreditsumme zwischen 140.000 und 240.000 Euro zur Verfügung gestellt werden. Genaue Konditionen sollen nächste Woche bekannt gegeben werden.
Bund und Länder stärken sozialen Wohnungsbau
Auch wird nach den Worten der Ministerin das seit März 2023 laufende Wohneigentumsprogramm gut nachgefragt. Beide Programme sollen bis zum Jahresende "ausfinanziert" bleiben. Darüber hinaus stärkten Bund und Länder den sozialen Wohnungsbau. Insgesamt seien dem Ministerium für 2023 die Planung von 50.000 Sozialwohnungen gemeldet worden. Gefördert würde außerdem der Bau von Azubi- und Studentenwohnheimen.
Bauüberhang 2022 weiter angestiegen
Die Zahlen des statischen Bundesamtes machen auch deutlich, dass der Bauüberhang, also die Zahl der genehmigten, aber noch nicht fertig gestellten Wohnungen weiter angestiegen ist. Im Vergleich zum Vorjahr haben sie 2022 um 38.400 auf 884.800 Wohnungen zugenommen, wobei davon 462.900 Wohnungen bereits im Bau waren. Die Realisierungsrate der genehmigen Wohnungen sei absolut stabil, betonte Geywitz. So würden 93 Prozent aller genehmigten Geschosswohnungen und 96 Prozent aller Ein- bis Zweifamilienhäuser auch gebaut. "Das zeigt, die Kassandrarufe – die sich schon bei den Fertigstellungszahlen für 2022 nicht bewahrheitet haben – werden es auch weiter nicht tun", sagte sie.
Baubranche befürchtet Kurzarbeit
Der Zentralverband des Deutschen Baugewerbes rechnet dagegen für 2023 mit deutlich weniger fertig gestellten Wohnungen als im vergangenen Jahr. "Kurzarbeit und Beschäftigungsabbau, aber auch Wohnungsnot und hohe Mieten drohen", warnte ZDB-Präsident Quast. Und so erwarten auch die an der Frühjahrsumfrage des Verbandes beteiligten rund 1.500 Unternehmen der Branche – nicht nur im Wohnungsbau – eine weiter sinkende Nachfrage nach Bauleistungen mit negativen Investitionsabsichten der Betriebe. Insgesamt beurteilten nur noch rund 20 Prozent der Unternehmen ihre Lage als gut. Ein Jahr zuvor waren es noch 44 Prozent. Rund 40 Prozent schätzten ihre Lage als befriedigend und rund 35 Prozent als schlecht ein. Dabei hat sich, so der Verband, das Urteil "schlecht" im Vergleich zum Vorjahr mehr als verdoppelt.