Boom während Pandemie Zweiradbranche: Zwischen Rekord-Nachfrage und Lieferproblemen

Fahrräder sind begehrt wie nie. Gleichzeitig hat die Zweiradbranche mit Problemen aufgrund gestörter Lieferketten zu kämpfen. Über den Nachfrage-Boom, fehlende Ersatzteile und Lösungen gegen lange Lieferzeiten.

Hinsichtlich der Lieferprobleme entspanne sich die Lage in der Zweiradbranche, teilt der Bundesinnungsverband Zweirad-Handwerk mit. - © hedgehog94 - stock.adobe.com

Auch 2021 war für die Fahrrad-Branche ein gutes Jahr. Wie der Zweirad-Industrie-Verband in einer Pressemitteilung bekanntgab, ist die Zahl der verkauften Fahrräder zwar um rund 300.000 Stück auf 2,7 Millionen gesunken. Sie befinde sich damit aber nach wie vor deutlich über dem Vor-Corona-Niveau. "Wir sind auf ein neues Level gesprungen", erklärte dazu ZIV-Geschäftsführer Burkhard Stork. 2020 bezeichnet der Verband als Rekordjahr, was die Verkaufszahlen von Fahrrädern betrifft. "Mit der Pandemie erfolgte eine verstärkte Fokussierung und Nachfrage bei Zweirädern," bestätigte auch eine Sprecherin vom Bundesinnungsverband Zweirad-Handwerk.

Pandemie förderte Nachfrage, drosselte aber das Angebot

Die Nachfrage nach Fahrrädern schaltete in der Pandemie zwar mehrere Gänge hinauf, gleichzeitig hatte die Zweiradbranche aber mit Problemen aufgrund gestörter Lieferketten zu kämpfen. "Produktionsausfälle und Lieferkettenprobleme haben Einfluss auf die Materialversorgung genommen", so der Bundesinnungsverband Zweirad-Handwerk.

Derzeit entspanne sich die Lage zwar wieder, es sei jedoch nicht auszuschließen, dass es in allen Baugruppen noch zu Lieferengpässen kommt. "Welchen mittelfristigen Einfluss die derzeitige geopolitische Lage nimmt, kann noch nicht vollumfänglich abgeschätzt werden", so der Verband.

Ukraine als neuer Unsicherheitsfaktor?

Zweiradmechaniker Thomas Haury berichtet, er habe bereits seit Pandemie-Beginn bei einigen Ersatz- und Verschleißteilen mit sehr langen Lieferzeiten zu kämpfen. So seien etwa Bremsklötze gut verfügbar, "auf Fahrradketten wartet man aber ewig." Immerhin: Eine Verschlechterung der Situation durch den Ukraine-Krieg habe er bislang nicht feststellen können, so der Geschäftsführer des Enduro Bunkers in Ingolstadt.

"Vorhandene Teile werden zuerst in E-Bikes eingebaut, dann in neue Fahrräder und erst dann wird der 'Aftermarket' bedient", erklärt Jörg Müsse, Geschäftsführer der Bico, einem Fachhandelsnetzwerk mit mehr als 700 teilnehmenden Fachhandelspartner in Deutschland. Die Höhe der Marge entscheide darüber, welche Modelle zuerst bedient werden.

Hinzu komme, dass viele ältere Rad-Komponenten auslaufen und dann nicht mehr oder nur noch schwer als Ersatz erhältlich sind. Es sei zu vergleichen mit einem Betriebssystem beim Computer: "Irgendwann wird der Support eingestellt", kritisiert Müsse.

Kunden müssen weiterhin flexibel sein

Auch die Verfügbarkeit von Fahrradmodellen ist infolge der Lieferkettenprobleme weiterhin eingeschränkt. Dies führe dazu, dass so mancher Kunde derzeit auf sein Wunschrad verzichten müsse, sagt Anja Kallenbach. Sie betreibt einen Fahrradladen in Thüringen. Auf einer Presseveranstaltung des pressedienst-fahrrad zum Thema "Liefersituation im Fahrradmarkt" Ende Februar sagte sie: "Natürlich freuen wir uns über die rasant steigenden Umsatzzahlen der letzten Jahre. Aber man muss auch sagen: Kunden, die mit speziellen Modellwünschen zu uns kommen, müssen wir teilweise versuchen, mit anderen Modellen zufriedenzustellen."

Die Lieferzeiten bei so manchem Fahrrad lägen bei sechs bis zwölf Monaten, erläutert Kallenbach. Ihr Wunsch deshalb: Ein überregionaler Austausch von Fachhändlern, um die Wünsche der Kunden bestmöglich zu erfüllen. "Wir verkaufen E‑Bikes und Mountainbikes, Gravelbikes sind bei uns hingegen Ladenhüter. In anderen Regionen schaut das anders aus. Da könnte man aktiv austauschen", sagt sie. rk/ew