Ausbau der Elektromobilität Worauf es bei der Ladeinfrastruktur der Zukunft ankommt

15 Millionen vollelektrische Pkw bis 2030, eine Million öffentliche Ladepunkte. SPD, Grüne und FDP haben sich ambitionierte Ziele gesetzt, um Deutschland zum Leitmarkt für Elektromobilität zu machen. Noch aber gehen sie den Weg der alten Regierung. Konkrete Konzepte? Fehlanzeige. Ist die Verkehrswende schon gescheitert, bevor sie begonnen hat?

Öffentliche Ladestation für Elektroautos. - © Artinun - stock.adobe.com

Beim Thema Elektromobilität nicht viel Neues, könnte man sagen. SPD, Grüne und FDP wollen Deutschland zum Leitmarkt für Elektromobilität machen. So steht es im Koalitionsvertrag. 15 Millionen vollelektrische Pkw auf deutschen Straßen und eine Million öffentlich zugängliche Ladepunkte bis 2030 sind als Ziele gesetzt. Wie die Regierung diese umsetzen will, ist aber noch unklar. An der von Union und SPD initiierten Innovationsprämie als Anreiz für den Kauf von Elektrofahrzeugen hält Wirtschafts-  und Klimaschutzminister Robert Habeck (Grüne) vorerst fest. Erst ab dem kommenden Jahr will er die Förderung stärker am Klimaschutz  ausrichten. Das Wie ist noch offen. Auch zu weiteren Vorhaben rund um den Ausbau der Elektromobilität ist nicht viel bekannt.

Verschläft die neue Bundesregierung die Zukunft der Elektromobilität? 

Ausbau der Ladeinfrastruktur: Was plant die Ampel-Regierung?

Auf Anfrage der Deutschen Handwerks Zeitung (DHZ) teilte die Nationale Leitstelle Ladeinfrastruktur mit, dass zu etwaigen zukünftigen Förderprogrammen keine Angaben gemacht werden könnten. Sie koordiniert den Ausbau der Ladeinfrastruktur in Deutschland im Auftrag des Bundesministeriums für Digitales und Verkehr (BMDV). Die Ampel-Regierung arbeite derzeit an der Überarbeitung des Masterplans Ladeinfrastruktur. "Zu den zentralen Handlungsfeldern gehören unter anderem die Befähigung der Kommunen zur Übernahme einer aktiveren Rolle beim Ladeinfrastrukturausbau, die Aktivierung geeigneter Flächen, die Vereinfachung des Ladens aus Sicht der Nutzerinnen und Nutzer sowie die Vereinfachung und Beschleunigung von Genehmigungsverfahren", heißt es.

Können die Ziele rechtzeitig erreicht werden?

Vielen geht das nicht schnell genug. Die Autobranche forderte die Politik im Dezember 2021 zu mehr Tempo auf. Deutschland hänge beim Ausbau der Ladeinfrastruktur für E-Autos extrem hinterher, warnte Hildegard Müller, Präsidentin des Verbands der Automobilindustrie. Um die Menge der E-Autos, die die Bundesregierung vorsieht, auch wirklich erreichen zu können, müssten pro Woche etwa 2.000 neue öffentliche Ladepunkte installiert werden. Tatsächlich seien es gerade mal 300. "Heißt im Klartext: Das Tempo muss sich versiebenfachen“, sagte Müller. Die Autoindustrie könne 15 Millionen E-Autos bauen. "Aber der Verbraucher nimmt sie nur an, wenn er sich zu 100 Prozent darauf verlassen kann, sein Auto überall und jederzeit unkompliziert laden zu können."

Zahlen zu öffentlich zugänglichen Ladepunkten in Deutschland veröffentlicht monatlich die Bundesnetzagentur. Demnach sind derzeit (Stand: Januar 2022) mehr als 52.000 öffentlich zugängliche Ladepunkte in Betrieb. Davon sind 7.717 Schnellladepunkte.

Elektrohandwerk: Privaten Ausbau fördern

Das Elektrohandwerk fordert die neue Bundesregierung auf, den Fokus stärker auf den Ausbau der privaten Ladeinfrastruktur zu legen: "Ladestationen müssen vor allem auch dort vorhanden sein, wo künftig 80 Prozent der Ladevorgänge erfolgen: zuhause und auf der Arbeit“, sagt Andreas Habermehl. Er ist Geschäftsführer Technik und Berufsbildung beim Zentralverband der Deutschen Elektro- und Informationstechnischen Handwerke (ZVEH).

Die Planung und Installation von Ladeinfrastruktur für E-Fahrzeuge ist dem ZVEH zufolge ein Geschäftsfeld, das im E-Handwerk zunehmend an Bedeutung gewinnt. Das gelte insbesondere für die private Ladeinfrastruktur. Eine Förderung mache auch vor dem Hintergrund der gerade durch Wirtschafts- und Klimaschutzminister Habeck nochmals verschärften Ziele zum Ausbau der Erneuerbaren Energien Sinn. "Denn der Ausbau der Erneuerbaren wird im privaten Bereich zu großen Teilen über den Ausbau von Solarenergie erfolgen, und dieser wird wiederum mit einem Ausbau der privaten Ladeinfrastruktur einhergehen, weil es nur konsequent ist, den über die PV-Anlage erzeugten Strom auch für die Mobilität zu nutzen", sagt Habermehl.

Ausbau der Ladeinfrastruktur: Noch viele ungelöste Probleme

Die Energiewirtschaft setzt mit ihrer Kritik schon vorher an. Sie spricht sich gegen ein starres Ziel beim Ausbau des Ladesäulennetzes für Elektroautos aus. Viele Faktoren hätten einen Einfluss darauf, wie hoch der Bedarf an Elektroladesäulen künftig tatsächlich sei. "Dazu zählt die Frage: Wie viel wird privat und wie viel öffentlich geladen? In Deutschland wird aktuell lediglich zu 15 Prozent an öffentlichen Ladepunkten geladen. Wenn auch weiterhin vermehrt Schnellladepunkte aufgebaut werden, können diese in der gleichen Zeit mehr E-Pkw mit Strom versorgen als eine Normalladesäule. All das hat einen Einfluss auf den schlussendlichen Bedarf“, teilte eine Sprecherin des Bundesverbands der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW) auf Anfrage der DHZ mit. Es brauche deshalb "dynamische Ausbauziele" und "stabile Rahmenbedingungen" – statt fester Vorgaben.

Auch ständen noch einige Hindernisse im Weg. So braucht es nach Ansicht des BDEW für den Ausbau zeitnah Flächen an geeigneten Standorten – von der Autobahn über die Landstraße bis hin zu innerstädtischen Flächen. Die Genehmigungsverfahren müssten hierfür beschleunigt werden. Kritik übt der BDEW auch an der aktuellen Förderbürokratie: "Öffentliche Ladeinfrastruktur ist heute in der Regel nicht wirtschaftlich. Es ist daher in dieser Phase gut, dass der Staat den Ladeinfrastrukturaufbau unterstützt. Allerdings ist der Aufwand für den Erhalt einer staatlichen Ladeinfrastruktur-Förderung zu hoch und die Dauer zwischen dem Eingang des Förderbescheids und der Auszahlung zu lang", sagte eine BDEW-Sprecherin.

Elektrohandwerk: "Es muss noch mehr getan werden"

Nach Ansicht des ZVEH ist auch der Abbau von Bürokratie notwendig, wenn es darum geht, Ladeinfrastruktur in Betrieb zu nehmen. "Die Prozesse hier sind aktuell noch sehr aufwendig und langwierig", kritisiert Habermehl. Auch technische Bedingungen und Meldeprozesse bei den Verteilnetzbetreibern müssten nach Ansicht des ZVEH weiter vereinheitlicht und Prozesse insgesamt stärker digitalisiert werden. "Anders gesagt: Es musss noch mehr getan werden, um die Elektrohandwerke – gerade vor dem Hintergrund einer steigenden Auslastung durch die Energiewende – in die Lage zu versetzen, effizienter zu arbeiten", so Habermehl.

"Der Ausbau der Ladeinfrastruktur muss dem Bedarf vorausgehen", heißt es im Koaltionsvertrag der Ampel-Parteien. Noch liegt also viel Arbeit vor der Bundesregierung.

Mit Inhalten der dpa

Wo wird das E-Auto in Zukunft geladen?

In einer Studie im Auftrag des BMDV hat die Nationale Leitstelle Ladeinfrastruktur Bedarfe für die Ladeinfrastruktur in Deutschland modelliert. "In welchem Verhältnis Ladevorgänge an privater und öffentlich zugänglicher Ladeinfrastruktur stattfinden, hängt von der Entwicklung des Aufbaus privater Ladeinfrastruktur (zu Hause und beim Arbeitgeber) sowie dem Ladeverhalten der Nutzenden ab", heißt es seitens der Nationalen Leitstelle Ladeinfrastruktur.

Verteilung von Ladevorgängen auf private sowie öffentlich zugängliche Ladeinfrastruktur, Quelle: Ladeinfrastruktur nach 2025/2030: Szenarien für den Markthochlauf, S. 56

Im Szenario "Geringe Verfügbarkeit von privater Ladeinfrastruktur“ finden im Jahr 2025 etwa 63 Prozent der Ladevorgänge an privater Ladeinfrastruktur statt. Bis zum Jahr 2030 steigt der Anteil dann auf etwa 76 Prozent. Im Szenario "Hohe Verfügbarkeit von privater Ladeinfrastruktur" steigt der Anteil deutlich schneller an und erreicht im Jahr 2025 circa 81 Prozent. Bis 2030 steigt der Anteil dann auf knapp 88 Prozent.

>>> Hier die vollständige Studie im PDF-Format lesen: Ladeinfrastruktur nach 2025/2030: Szenarien für den Markthochlauf