Mehr weibliche Unternehmerinnen, mehr Frauen im Handwerk: Das will eine Initiative des Bundeswirtschaftsministeriums. Im Interview sprechen Franziska Brantner, Parlamentarische Staatssekretärin beim Bundesminister für Wirtschaft und Klimaschutz, und Heike Eberle, Geschäftsführerin der Otto Eberle GmbH & Co. KG in Landau darüber, warum Vorbilder so wichtig sind und wie Frauen auf ihrem Weg in die Selbstständigkeit unterstützt werden können.
Frau Brantner, im vergangenen Jahr haben Sie die Initiative "Frauen in Mittelstand, Handwerk, Gründungen und Start-ups" ins Leben gerufen. Was wollen Sie erreichen?
Franziska Brantner: Wir wollen die Potentiale unserer Gesellschaft, unserer Wirtschaft heben, die noch nicht zur Geltung kommen: Mehr Frauen sollen die Chance bekommen, ein Unternehmen zu gründen oder zu übernehmen. Denn wir sind der festen Überzeugung, dass Frauen in Deutschland mindestens genauso gut Unternehmen gründen und führen können wie Männer. Hier haben wir im internationalen Vergleich noch aufzuholen. Deshalb schauen wir uns an, wie wir Strukturen verbessern können, um das Potenzial, das wir in Deutschland noch nicht komplett ausschöpfen, zu nutzen.
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Wie wollen Sie das erreichen?
Franziska Brantner: Wir haben die Initiative gestartet, um gemeinsam mit Unternehmerinnen praktische Lösungen zu erarbeiten, auch in Zusammenarbeit mit den anderen Ressorts. Wir wollen unter anderem mehr weibliche Vorbilder auch gerade aus dem Handwerk sichtbar machen, Frauen Mut machen. Damit stärken wir auch das Handwerk als zentraler Teil unserer Wirtschaft und zur Bewältigung der Zukunftsaufgaben.
Heike Eberle: Frauen in Führungspositionen sind elementar wichtig, um diese Entwicklung zu forcieren. Wenn die Spitze mit gutem Beispiel vorangeht, gibt es bekanntlich Menschen, die folgen. Doch es fehlt ja an Nachwuchs und an der Bereitschaft, Verantwortung für einen Betrieb zu übernehmen.
Frau Eberle, Sie führen seit 2016 Ihr Familienunternehmen in der 3. Generation und unterstützen seit zehn Jahren eine andere Initiative des Bundeswirtschaftsministeriums, "FRAUEN unternehmen". Sehen Sie sich als Vorbild?
Heike Eberle: In gewisser Weise ja. Denn ich stimme Frau Dr. Brantner zu. Wir brauchen weibliche Vorbilder, die vorangehen und an denen sich jüngere Frauen orientieren können. Ich finde es aber auch wichtig, dass erfahrene Unternehmerinnen jüngere Unternehmerinnen begleiten und unterstützen.
Wie schätzen Sie die aktuelle Situation von Frauen im Bauhandwerk ein?
Heike Eberle: Da sehe ich noch Handlungsbedarf und Potenzial. Im Bauhandwerk hat sich in den vergangenen Jahren der Frauenanteil bei den Ingenieurinnen und Architektinnen zwar erhöht, aber bei den gewerblichen Fachkräften ist die Frauenquote immer noch gering.
Warum ist der Frauenanteil am Bau so niedrig?
Heike Eberle: Wir dürfen nicht vergessen, dass es im Bauhauptgewerbe bis 1994 ein Beschäftigungsverbot für Frauen gab. Das ist noch keine 30 Jahre her. Diesbezüglich muss noch ein Bewusstseinswandel in unserer Gesellschaft stattfinden und es braucht mehr Frauen, die diesen Weg schon gegangen sind. Deshalb ist es so wichtig, dass wir Frauen als Vorbilder nachhaltig vorangehen.
Franziska Brantner: Frau Eberle hat es ja schon gesagt, die fast 120 Jahre Beschäftigungsverbot in der Branche wirken bis heute nach – zumindest im Westen. In Ostdeutschland, in der ehemaligen DDR war das anders. Aber in der BRD war jahrelang das Baugewerbe nicht für Frauen zugänglich und das macht natürlich etwas aus, das sollte man nicht unterschätzen. Wenn Kinder nicht damit aufwachsen, dass eine Handwerkerin zu ihnen nach Hause kommt, kommen sie gar nicht auf die Idee, dass sie diesen Beruf wählen könnten.
Was muss sich also ändern?
Franziska Brantner: Wir müssen mehr junge Menschen und junge Frauen in die MINT-Berufe und in das Handwerk bekommen. Viele Berufe haben sich in den vergangenen Jahren enorm entwickelt. Das sind Zukunftsberufe, ohne die die Energiewende, die ökologische Transformation nicht gelingen wird. Wir müssen diese neuen und modernen Berufsfelder in den Schulen bekannt machen. Unsere Aufgabe ist es auch, Hürden abzubauen. Unternehmensgründungen fallen beispielsweise häufig in die gleiche Lebensphase wie die Familiengründung. Deswegen haben wir unsere Gründungsprogramme überprüft, inwieweit sie mit Mutterschutz und Elternzeit kompatibel sind. Da gab es durchaus Lücken, die wir jetzt schließen wollen.
Was wollen Sie diesbezüglich konkret tun?
Franziska Brantner: Es ist eine Reihe von Dingen, die wir voranbringen wollen. Ein konkreter Punkt, der uns im Austausch mit Unternehmerinnen gespiegelt wurde: Die Zeit, in der Gründerinnen und Gründer während der Gründungsphase finanzielle Unterstützung bekommen, sollte nach hinten verschoben werden können, wenn Elternzeit oder Mutterschutz in diesen Zeitraum fallen. Die erfolgreiche BMWK-Initiative "FRAUEN unternehmen" mit derzeit 230 Vorbild-Unternehmerinnen deutschlandweit, bei der auch Frau Eberle aktiv ist, führen wir ambitioniert fort. Wir suchen nun verstärkt Unternehmerinnen im Handwerk, im MINT-Bereich und aus den ostdeutschen Bundesländern, die sich ehrenamtlich engagieren möchten. Sehr wichtig sind auch Mentorinnenprogramme als Austausch und Unterstützung. Und dann gibt es natürlich noch die Frage nach der Kinderbetreuung. Hier setzen wir uns dafür ein, dass eine gute, verlässliche, bezahlbare und flexible Kinderbetreuung möglich ist, auch wenn wir das aus dem Wirtschaftsministerium heraus nicht direkt steuern können.
Heike Eberle: Das sehe ich auch als wichtig an. Es erleichtert Frauen, in die Selbstständigkeit zu gehen, wenn die Betreuung des Kindes oder die finanzielle Unterstützung gegeben ist. Das ist ein guter Hebel. Junge Menschen wollen beides vereinbaren: Familie und Beruf. Das betrifft auch Arbeitszeitmodelle. Freizeit ist jungen Menschen genauso wichtig wie der Beruf. Deshalb wird die Vier-Tage-Woche auch im Handwerk diskutiert. Auch das muss einfließen, um die Attraktivität für diesen Bereich zu stärken.
Was hält Frauen davon ab, sich selbstständig zu machen?
Franziska Brantner: Der Schritt sich selbstständig zu machen, ist häufig auch eine finanzielle Frage. Natürlich gibt es Förderprogramme, doch am Ende braucht es trotzdem oft eine Finanzierung. Hier müssen selbstverständlich die Fakten entscheiden, ob eine Gründung finanziert werden kann und nicht das Geschlecht. Auch sollten wir uns vergegenwärtigen, dass Unternehmen, die von Frauen geführt werden, häufig nachhaltiger sind. Sie erzielen zwar nicht so schnell sehr hohe Gewinne, sind oft aber langfristig erfolgreich und existieren länger am Markt. Leider müssen Frauen aber härter und länger dafür kämpfen, einen Kredit zu bekommen oder bei Investoren um ihre Geschäftsidee ringen. Das darf nicht sein und da ist jeder gefragt, sich selbst zu reflektieren, damit nicht alte Klischees im Hinterkopf ablaufen. Deswegen werden wir zum Beispiel überprüfen, wie die mit Steuerzahlergeldern finanzierten Fonds auch dem Anspruch gerecht werden, die Potentiale von Frauen optimal zu unterstützen. Wenn Frauen den Entschluss fassen, sich mit einer guten Idee selbstständig zu machen, darf die Idee nicht daran scheitern, dass sie eine Frau sind.
Heike Eberle: Frauen dürfen an sich und ihre Fähigkeiten glauben. Wenn in den Gremien dann einmal das Bewusstsein existiert, dass Frauen erfolgreich führen, ist auch die Bereitschaft größer, Geld zu geben - für die Frauen und für die Gesamtwirtschaft.
Franziska Brantner: Genau, am Ende geht es darum, was Frauen zugetraut wird. Wenn Frauen das nicht zugetraut wird, gibt man ihnen auch nicht das Geld.
Wo sehen Sie Deutschland derzeit beim Thema Gleichstellung von Mann und Frau?
Franziska Brantner: Ich bin dankbar dafür, was Generationen von Frauen vor uns schon erreicht und erkämpft haben. Auch was viele Männer, die an der Seite der Frauen standen, geleistet haben. Es war und ist ein langer, schwieriger Weg der Gleichberechtigung. Hier müssen wir noch weiter vorangehen, Gleichberechtigung von Frauen in der Wirtschaft ist ein Thema, an dem wir arbeiten müssen. Ich hoffe, dass es für meine Tochter normal sein wird, dass Frauen Unternehmen gründen oder Handwerkerinnen einen Handwerksbetrieb übernehmen.
Heike Eberle: Ich glaube, dass die Zeit dafürspricht und dass wir das auch hinkommen. Das ist ein längerer Prozess. In den 50er- und 60er-Jahren benötigte eine Frau das Einverständnis ihres Mannes, um arbeiten zu dürfen. Das ist noch nicht so lange her. Aber wir schaffen das, wenn das Bewusstsein dafür stetig geschärft wird. Und wir Frauen müssen auch vorangehen und an uns glauben. Und wir müssen sichtbar sein. Dann wird die jüngere Generation das tatsächlich als Selbstverständlichkeit betrachten.
Zum Weltfrauentag 2023: Was wünschen Sie uns Frauen?
Heike Eberle: Mut zur eigenen Wahrheit zu stehen.
Franziska Brantner: Dem schließe ich mich an und Mut zur eigenen Kraft.