Mit der Entscheidung zum neuen Qualifikationsrahmen ist es beschlossene Sache, dass Handwerksmeister und Bachelorabsolventen auf dem gleichen Bildungsniveau eingestuft werden. Damit soll die Berufsbildung eine Aufwertung erfahren. Doch wo können die Meisterinnen und Meister künftig studieren und welche Voraussetzungen müssen sie erfüllen? Raumausstatterin Jennifer Obermeyer plant ein Studium nach der Meisterschule.
Karin Birk

Das Gerangel um berufliche und schulische Abschlüsse hat Jennifer Obermeyer nicht im Detail verfolgt. Mit dem Ergebnis ist die Raumausstatterin aber zufrieden: "Ich finde es gut, dass Meister und Bachelor auf dem gleichen Niveau eingestuft werden", sagt die 26-Jährige. "Schließlich ist die Meister-Ausbildung auch anspruchsvoll." Und Obermeyer weiß, wovon sie spricht: Nach Realschulabschluss und dreijähriger Lehre besucht sie jetzt den Meisterkurs auf der Meisterschule für Raumausstattung in Bad Saulgau in Oberschwaben.
Gemeint ist die Einstufung des Meisters und Bachelors auf Niveau sechs innerhalb des achtstufigen Deutschen Qualifikationsrahmens. Darauf haben sich Bund, Länder und Sozialpartner jetzt geeinigt und damit den Weg für die Umsetzung des Europäischen Qualifikationsrahmens frei gemacht.
Meister nicht gleich Master
Für Friedrich Hubert Esser, Präsident des Bundesinstituts für Berufsbildung in Bonn, ist das ein wichtiger Meilenstein in der beruflichen Bildung in Deutschland. "Erstmals wird damit die Gleichwertigkeit von akademischer und beruflicher Bildung festgeschrieben."
Um aber Missverständnissen vorzubeugen: Damit ist keine Zugangsberechtigung für Meister in einen Masterstudiengang gemeint. Darauf hat Bildungsministerin Annette Schavan (CDU) gleich hingewiesen. "Es eröffnet nicht den Zugang zur nächsten Stufe", sagte sie. Vielmehr gehe es darum, Berufsabschlüsse national und international vergleichbar zu machen.
So werden berufliche Vorbereitungskurse auf Stufe 1 und 2, zwei- oder drei- und dreieinhalbjährige Erstausbildungen auf der Stufe 3 und 4 eingestuft. Weiterbildungen etwa zum Kfz-Servicetechniker sind auf Stufe 5 sowie Master und Promotion auf Stufe 7 und 8 eingeordnet. Schulabschlüsse wie das Abitur werden vorerst nicht berücksichtigt.
Ursprünglich hatte es Ärger gegeben, weil die Kultusminister geplant hatten, das Abitur höher als die meisten Gesellenabschlüsse einzustufen. Der Zentralverband des Deutschen Handwerks, Kammern und Handwerkstage hatten das deutlich kritisiert.
Für Handwerkspräsident Otto Kentzler bringt die Zuordnung für Arbeitgeber wichtige erste Informationen über den Bewerber. "Dies gilt besonders im europäischen Kontext", sagte Kentzler. Hier seien berufliche Werdegänge bisher schwer vergleichbar.
Seite 2: Welche Voraussetzungen für Meister und Gesellen gelten.>>>
Die Erfahrung hat auch Obermeyer gemacht. Als sie sich für ein Praktikum bei einer renommierten Polsterei in London bewarb, hatte sie alle Mühe, zu erklären, was eine "Raumausstatterin" sei. "Die Ausbildung kennen die Engländer einfach nicht", sagt sie.
Nach Ansicht von Esser wird es jetzt darauf ankommen, die Inhalte von Aus- und Fortbildungen noch besser aufeinander abzustimmen und die Übergänge von der beruflichen in die akademische Ausbildung weiter zu verbessern.
Hochschulzugang seit 2009
Dabei ist es schon jetzt formal für beruflich Qualifizierte ohne Abitur leichter geworden zu studieren. "Mittlerweile haben Meisterinnen und Meister in fast allen Bundesländern die allgemeine Hochschulzugangsberechtigung", sagt Walburga Freitag vom HIS-Institut für Hochschulforschung in Hannover und verweist auf einen Beschluss der Kultusministerkonferenz von 2009.
¦ Meisterinnen und Meister können jedes Fach studieren, es sei denn, es gibt genauso wie für Abiturienten Zulassungsbeschränkungen.
¦ Beruflich erworbene Kompetenzen können bis zu 50 Prozent auf das Bachelor-Studium angerechnet werden, wenn sie gleichwertig mit dem Studium sind.
¦ Auch als Geselle mit dreijähriger Berufserfahrung kann man affine Fächer nach einem Einstellungsverfahren studieren. Was als verwandtes Fach angesehen wird, fragt man am besten an der Hochschule nach.
Noch wählen relativ wenig "beruflich Qualifizierte" den Weg an die Hochschule. 2010 lag der Anteil bei knapp zwei Prozent aller Erstsemester. Doch es werden mehr: Laut Monika Hartmann-Bischoff, die sich an der Universität Oldenburg mit dem Modellvorhaben "offene Hochschule" beschäftigt, werden vor allem berufsbegleitende Studiengänge mehr nachgefragt.
Auch Jennifer Obermeyer hat schon mal ihre Fühler in Richtung Hochschule ausgestreckt. Denkmalpflege oder Textildesign würde sie interessieren. "Noch habe ich mich nicht entschieden", sagt sie. "Vielleicht gehe ich ja auch noch mal ins Ausland."