Corona hat das Arbeiten zeitlich, räumlich und organisatorisch deutlich verändert. Eine Entwicklung, die auch verunsichert. Mehr denn je kommt es jetzt auf die richtigen Maßnahmen zur Mitarbeiterbindung an.
Gastautorin Katja Nagel

Die Pandemie bereitet Unternehmen nach wie vor Kopfzerbrechen und sorgt tagtäglich für neue Herausforderungen. Die schlechte Nachricht daran: Es sind wohl die unbekanntesten Herausforderungen für ganze Generationen. Die gute Nachricht, wenn man so will: Es geht allen gleich. Es trifft den Großteil der Bevölkerung, es trifft alle Schichten, es trifft Arbeitgeber wie Arbeitnehmer.
Das Gefühl der Unsicherheit und der Sorge erleben Mitarbeiter aber nicht nur im eigenen Unternehmen. Auch im privaten Bereich, im Freundes- und Bekanntenkreis, ist das Virus omnipräsent. Während man dort über vertrauliche Gespräche, über Zuneigung und gemeinsames Miteinander der Situation wie selbstverständlich begegnet, ist es im unternehmerischen Umfeld ungleich schwerer. Wie lässt sich hier Mitarbeitern eine Orientierungshilfe an die Hand geben?
Veränderungsmanagement in Echtzeit
Wenn Kurzarbeit oder Gehaltskürzungen an der Tagesordnung sind, wenn die mangelnde Aussicht auf baldige Gehaltserhöhung den privaten Planungen einen Strich durch die Rechnung macht, dann kann man sehr wohl von einer außergewöhnlichen Lage sprechen. Eine Lage, die wenig Zuversicht ausstrahlt und die bei Mitarbeitern offensichtlich wenig Begeisterung hervorruft.
Dennoch muss man sich immer wieder vor Augen führen, dass wir weltweit mit diesem Fall höherer Gewalt umgehen müssen und ein jeder ganz ungewollt Veränderungsmanagement "live" erlebt. Von solchen Veränderungen spricht man normalerweise am liebsten, wenn sie positiv sind. Ohne jegliche Nebenwirkungen und Restrisiken. Und wenn es schon negativ antizipierte Veränderungen sein sollen, dann darf es gerne die anderen, also diejenigen betreffen, die daran wachsen sollen, derweil sie selbst nicht betroffen sind.
Das alles ist im Fall von Corona anders. Das Maß der Veränderung ist so hoch, dass sich keiner davor verstecken kann. Alle sind betroffen, alle kämpfen mit dem Phänomen. Zuerst ungläubig, dann verunsichert und zuletzt gefasst. Insofern: Die Lage lässt sich nicht ändern, aber es wäre gut, wenn nicht zusätzlich das Vertrauen in das Management leidet.
Darum gibt es eine Art des Gegensteuerns, die Sinn macht: Den Mitarbeitenden muss die Lage über Abteilungsgrenzen hinweg erklärt werden, mit all ihren geschäftlichen Konsequenzen. Sprich: Ehrliche, transparente Kommunikation, klare Aufklärung und Erläuterung der betriebswirtschaftlichen Zusammenhänge. Dabei muss die Führung trotz schwieriger Lage als souverän empfunden werden. Zwar werden die Mitarbeiter auch dann nicht vollauf begeistert sein, aber verständnisvoll – und im besten Fall auch vertrauensvoll.
Der beruflichen Entfremdung entgegensteuern
Da viele Mitarbeiter derzeit im Homeoffice sind, ist zudem die Entfremdung zum Arbeitgeber eine realistische Gefahr. Die sozialen Beziehungen, die jetzt leiden, lassen die Bindung zum Arbeitgeber schrumpfen und austauschbarer erscheinen. Wenn das berufliche Miteinander leidet, wenn das gemeinsame Arbeiten und gegenseitige Sich-Erleben weniger wird, muss auch hier gegengesteuert werden. Es ist daher umso wichtiger, genau jetzt weiterhin die Nähe in der Gemeinschaft zu suchen und virtuelle Ereignisse zum Austausch zu veranstalten.
Es muss mehr Kommunikation, Dialog und Interaktion denn je stattfinden. Dabei verlangt die Individualisierung der Arbeitsprozesse nach Führungskräften, die bei klarer Zielsetzung Freiräume zulassen sowie Vertrauen geben können. Diese neuen Freiräume und das Aufbrechen fester Hierarchien sollten im Übrigen auch im neuen Jahr, wenn sich die Krise – so ist zu hoffen – dem Ende neigt, beibehalten werden. Alles andere würde einen enormen Rückschritt bedeuten und das gewonnene Vertrauen der Organisation in die eigene Krisenfestigkeit und Innovationskraft in den Grundfesten erschüttern.
Wenn nun auch noch Job-Ticket, Dienstrad-Leasing oder Mobilitätszuschläge an Bedeutung verlieren, dann müssen andere Maßnahmen und Instrumente zum Tragen kommen, die den persönlichen Neigungen und Wünschen der Mitarbeiter Rechnung tragen. Da diejenigen, die sich im Homeoffice befinden, an persönlicher Freiheit, an Nettozeit ohne Reisezeiten, an Wohlfühlfaktor in der persönlichen Umgebung und an Nähe zu Partner und Familie gewinnen, sollte auch hier keine Trendumkehr stattfinden.
Wie wäre ein solcher Schritt zu rechtfertigen, zumal sich auch für fast jeden Einzelnen Vorteile ergeben? Wer dennoch nach innovativen Instrumenten sucht, der wird fündig in den vielen digitalen Plattformen zu Weiterbildung, Zusammenarbeitsformen und Events. Und nicht zuletzt binden Unternehmen ihre Mitarbeiter mit einem langfristigen Angebot an hybriden Arbeitsmodellen, flexiblen Arbeitszeiten und modernem Führungsstil mit virtuellen Teams und Projekten, wo das Beste aus beiden Welten kombiniert werden kann.
Chancen für den Mittelstand
Corona bedeutet in Deutschland – notgedrungen – zurück zu neuer Häuslichkeit. Die Lobgesänge auf die Globalisierung werden zunächst verstummen, Reisen und Urlaube in bekannter Manier werden weniger. Diese neue Häuslichkeit wird auch zu Investitionen im Handwerk führen. Man muss die Chancen nur erkennen und nutzen. Gerade vor dem Hintergrund, da sich immer mehr Auftraggeber selbst digitaler aufstellen und entsprechende Standards beim Gegenüber voraussetzen.
Mehr Digitalisierung, erhöhte Geschwindigkeit und Effizienz, von der ersten Kontaktaufnahme über Angebotserstellung bis hin zum eigentlichen Produkt – darauf wird es ankommen. Das bedeutet natürlich enormen Kraftaufwand, wird dem ein oder anderen Betrieb aber ganz sicher nicht nur einen Wettbewerbsvorteil verschaffen, sondern auf die Attraktivität als Arbeitgeber einzahlen.
Die Autorin

Dr. Katja Nagel ist Gründerin und Inhaberin der Unternehmensberatung cetacea in München.