Es sind die guten Nachrichten, die positiven Entwicklungen, die "schönen Geschichten", gerade auch die kleinen Begebenheiten, die den Alltag aufhellen. Eine solche gute Nachricht ist mit dem Namen Mohamad Eyad Alshawa verbunden.

Verknüpft mit der Vita des 27-jährigen Syrers sind jedoch Umstände, die sich die Menschen in der Bundesrepublik Deutschland trotz medialer Kenntnis der Bürgerkriegsszenerie in Syrien kaum oder vermutlich gar nicht vorstellen können.
2015 kam Mohamad Eyad Alshawa alleine nach Deutschland. Sechs Jahre später hält er nach erfolgreich bestandener Prüfung froh, dankbar und erleichtert den Gesellenbrief im Raumausstatter-Handwerk in seinen Händen. Und nicht nur das. Auf der Basis dieses Dokumentes hat er die Berechtigung erworben, an einer hessischen Hochschule seine Ausbildung auf höherem Niveau fortzusetzen. Und diese Chance will der junge Mann nutzen. Und das sehen Raumausstattermeister Uwe Stein und seine Ehefrau Sabine Ranze-Stein in deren kleinem, aber schon 128 Jahre alten Familienbetrieb in Großen-Buseck, wo Mohamad Alshawa drei Jahre lang sein Handwerk erlernt hat, mit einem lachenden und einem weinenden Auge. Weinend, weil ihnen der junge Geselle als fachkundiger Mitarbeiter nun wohl abhandenkommen wird, lachend, weil sie mit ansehen dürfen, wie erfolgreich die nimmermüden Anstrengungen ihres Lehrlings gewesen sind.
Dankbar und erleichtert
Zurück zu den Anfängen. Mohamads Familie – Vater, Mutter und noch vier Geschwister – lebt in Damaskus. Um nicht zum Kriegsdienst und damit zum Krieg gegen die eigenen Mitbürger in der Armee von Staatschef Assad gezwungen zu werden, machte er sich mit Einverständnis der Familie auf den gefährlichen Weg in eine hoffentlich bessere Zukunft.
Sprache lernen und schnell Fuß fassen
Auf diesem Weg über Land und Meer, durch den Libanon, in die Türkei, nach Griechenland und von dort nach Deutschland, legte er die halbe Strecke zu Fuß zurück. Schließlich kam er 2015 in Deutschland an. Mohamad Alshawa wollte sofort die Sprache seines neuen Gastlandes erlernen, durfte aber keinen Kurs belegen, da er keinen Aufenthaltsstatus hatte, der ihm erst 2016 gewährt wurde. Also wurde in Sachen Spracherwerb das Internet sein "Lehrer". Denn eines war klar: der Flüchtling wollte sich nicht gehen oder hängen lassen, sondern schnell Fuß in neuer Umgebung fassen. In seiner Heimat Syrien hatte er eine Lehre als Tischler hinter sich, in deren Anschluss er an der Uni Damaskus zwei Jahre lang Innenarchitektur studierte. Dann drohte die Zwangsrekrutierung und er fasste den Entschluss zur Flucht. 2016 absolvierte er einen halbjährigen Deutschkurs im Berufs- und Technologiezentrum (BTZ) der Handwerkskammer Wiesbaden am Standort Wetzlar und erhielt über eine BTZ-Lehrerin den Kontakt zur Firma Stein in Buseck. Einem Monat Praktikum folgte ein Jahr Berufseinstiegsqualifizierung und ab 2018 dann die dreijährige Lehre zum Raumausstatter.
Eigentlich hätte sich Muhamad das Berufseinstiegsqualifizierungsjahr gutschreiben und seine Handwerkslehre damit um ein Jahr verkürzen können. Darauf verzichtete er freiwillig, um sich in seinem Metier tiefergehender und nachhaltiger zu bilden. Dabei unterstützten ihn nicht nur Uwe Stein und seine Frau Sabine, sondern auch die Berufsschule. Sie alle freuen sich nun über den gelungenen Abschluss der handwerklichen Ausbildung.
Seit Oktober Student
Im Rahmen eines Modellversuchs an den hessischen Hochschulen besitzen Personen mit mittlerem Schulabschluss und einer abgeschlossenen Berufsausbildung eine Hochschulzugangsberechtigung, deren Kriterien von dem 27 Jahre alten Wetzlarer erfüllt werden. Und stolz hält er mittlerweile auch den Zulassungsbescheid für das 1. Fachsemester im Studiengang Architektur an der Technischen Hochschule Mittelhessen (THM) in Gießen in seinen Händen. Im Oktober begann für Mohamad Eyad Alshawa das sechssemestrige Architekturstudium, an dessen erfolgreichem Ende der "Bachelor" steht. Ausbildungsbetrieb und Berufsschule sind sich sicher, dass der junge Mann, den alle Beteiligten als engagiert, freundlich und wissbegierig charakterisieren, dieses Ziel erreichen wird. Der ehemalige Auszubildende, jetzige Geselle und künftige Student bedankt sich bei allen, die ihm auf seinem Weg durch Ausbildung und Leben geholfen haben. Auch bei seiner Familie in Damaskus, mit der er dank der Möglichkeiten der neuen Medien in stetem Kontakt steht.