Insolvenzverfahren als Chance Was Betriebe über Insolvenzverfahren wissen sollten

Investieren auf Kredit kann in wirtschaftlich starken Zeiten sinnvoll sein, doch die Risiken, die sich für Betriebe ergeben, sollten sorgfältig abgewogen werden. Denn mittelständische Betriebe können sehr schnell in die Insolvenz rutschen, wenn ein großer Kunde nicht mehr zahlungsfähig ist. Was dann passiert, zeigt unsere Übersicht.

Alexander Glück

Ein Insolvenzverfahren kann auch eine Cahnce für einen Neuanfang sein. Betriebe sollten sich gut über das Entschuldungsverfahren informieren. - © Anton Gvozdikov/Fotolia.com

Die Verschuldung nimmt in allen Bereichen stetig zu: Unternehmen, Privatleute, Staaten leihen sich immer mehr Geld. In Fällen, in denen Dinge, z. B. Material, zwischenfinanziert werden müssen, ist die Aufnahme eines Kredits oft nicht zu vermeiden. Im derzeit günstigen Zinsumfeld ist der Weg zur Bank daher schnell getan.

Die Insolvenz kann aber schnell zum Problem werden: Viele Firmen, die von der Insolvenz bedroht sind, haben nur geringe Betriebsmittel, dafür hohe Verbindlichkeiten. In der mittelständischen Wirtschaft bedeutet dies, dass eine Rückzahlung der Schulden in jener Größenordnung, die für eine schnelle Erledigung notwendig wäre, nahezu ausgeschlossen ist. Für Einzelunternehmer und Kaufleute ist die Betriebsinsolvenz zugleich die eigene, weil sie für die Schulden persönlich haften. Gesellschaften bekommen zwar ein gesondertes Verfahren, aber die Haftung der Gesellschafter bei OHG oder GbR geht weit in den persönlichen Bereich, ebenso wie bei GmbH und GmbH & Co. KG, wo weitreichende private Sicherheiten berührt werden.

Ein früher Insolvenzantrag, noch bevor die betrieblichen und privaten Mittel im Feuer sind, kann die Aussichten auf Entschuldung deutlich verbessern. Allerdings ist die Insolvenz ein Problem, dem sich viele erst dann stellen, wenn es eigentlich schon zu spät ist. Betroffene sollten sich deshalb frühzeitig rechtliche Informationen holen, beispielsweise bei den Anonymen Insolvenzlern. In einem geschickten Insolvenzplanverfahren kann der Schuldner auch mit wenig Geld sofortige Schuldenfreiheit erlangen. Wenn nämlich die Mehrheit der Gläubiger mit dem vorgelegten Plan einverstanden ist, kann er über die Köpfe unzufriedener Gläubiger hinweg durchgesetzt werden.

1. Vor der Insolvenz

Wer in Zahlungsverzug gerät, bekommt normalerweise zuerst eine Erinnerung, dann eine Mahnung und danach Post von einem Inkassodienst oder einer Rechtsanwaltskanzlei. Der Gläubiger übergibt den Vorgang an ein spezielles Unternehmen, das die weitere Beitreibung übernimmt. Dabei werden die Kosten für das Inkasso dem Schuldner in Rechnung gestellt. Wenn dieser sich geschickt anstellt, kann er versuchen, die Einforderung totlaufen zu lassen, denn das Inkassobüro hält bei jeder Antwort Rücksprache mit dem Gläubiger. Und es zieht nur dann vor Gericht, wenn es dazu ermächtigt wurde.

Anwälte treten in der Regel kompromissloser auf uns setzen sehr kurze Zahlungsfristen. Falls die Forderung zu Recht besteht, kann der Schuldner Ratenzahlung aushandeln. Viele Gläubiger sind froh, wenn sie wenigstens noch einen Teil des Geldes sehen, und verzichten dafür manchmal auf den Rest. Aber wenn der Gläubiger gar nichts von dem Schuldner hört, hat er guten Grund, vor Gericht zu ziehen. In der Bundesrepublik gibt es dafür das maschinelle Mahnverfahren, das ganz einfach per Internet angestoßen werden kann. Danach wird vom Gericht ein Exekutionstitel über die Geldforderung erlassen.

Wenn der Schuldner der Klage widerspricht, kommt es zum Prozess: Beide Seiten tragen dem Gericht ihre Standpunkte vor; im Urteil wird abschließend festgelegt, wer von beiden im Recht ist. Der Verlierer muss für die Gerichtskosten aufkommen und die Anwälte beider Seiten bezahlen (sofern sich aus dem Gerichtsurteil keine andere Regelung ergibt).

Bevor es zum Insolvenzverfahren kommt, sollte der Schuldner zunächst versuchen, einen außergerichtlichen Ausgleich herbeizuführen. Dann fallen keine Verfahrenskosten an, die Gläubiger haben folglich Aussicht auf eine höhere Zahlung. Allerdings kommt es nur dann zu einem außergerichtlichen Ausgleich, wenn alle Gläubiger damit einverstanden sind. Für den Schuldner ist dieses Verfahren sehr interessant: Nach Abschluß des Ausgleichs steht er besser da als nach einem Insolvenzverfahren. Im Vorschlag sollten die einzelnen Forderungen nach Art und Höhe sowie der Gesamtschuldenstand genau vermerkt sein. Gleichzeitig sollten Sie versuchen, eventuell bereits laufende Exekutionen einstellen zu lassen. Lassen Sie sich von den Gläubigern zumindest eine Einstellungsermächtigung ausstellen. Wer den Vorschlag annimmt, sollte Ihnen damit auch bestätigen, daß er auf die Restschuld verzichtet.

Sinn des Ausgleichs ist es, den Gläubigern den Teil ihrer Forderungen auszuzahlen, der vom Schuldner tatsächlich noch aufgebracht werden kann. Werden dabei verbindliche Vereinbarungen getroffen, steht der Schuldner natürlich in der Pflicht, die von ihm angebotenen Quoten auch wirklich zu bezahlen. Weil man dadurch "gut aussteigt", sollte man unbedingt versuchen, die Gläubiger zu einem Einverständnis mit dem Ausgleichsvorschlag zu bewegen.

2. Das Insolvenzverfahren

Wenn eine Insolvenz nicht vermeidbar ist, sollten der betroffene Betrieb den richtigen Zeitpunkt finden. Einzelunternehmer und Freiberufler müssen keinen Insolvenzantrag stellen, sondern können einfach ihren Geschäftsbetrieb abmelden. Manche lassen dann ein ähnliches Unternehmen von einer Vertrauensperson gründen und werden ihr Geschäftsführer. Dieser Trick funktioniert bei einem laufenden Insolvenzverfahren nicht so einfach, weil man darin einen illegalen Gestaltungsmissbrauch sehen könnte. Andererseits ermöglicht er, das laufende Geschäft störungsfrei fortzusetzen. Ist das Geschäft abgemeldet, werden zwar Vollstreckungsmaßnahmen gegen den Schuldner anrollen. Dieser kann dann jedoch Verbraucherinsolvenz beantragen und hat dadurch eine gute Chance, relativ günstig aus der Sache herauszukommen. Denn: Solange der Geschäftsbetrieb noch läuft, dient die Insolvenz der Befriedigung der Gläubiger. Beantragt man aber nach Einstellung des Geschäftsbetriebs die Privatinsolvenz, so dient sie primär der eigenen Entschuldung. Anders ist es bei der GmbH: Diese muß einen Insolvenzantrag stellen, sobald sie zahlungsunfähig ist. Drei Wochen lang kann man sich noch an einer Sanierung versuchen, dann muß der Antrag gestellt werden.

Wer ein Insolvenzverfahren mit laufendem Geschäftsbetrieb bevorzugt, kann beim Insolvenzverwalter gegen Zahlung eines Geldbetrags die Freigabe des Gewerbebetriebs aus der Insolvenzmasse erreichen. Das hat Vorteile, wenn der laufende Geschäftsbetrieb Gewinne abwirft. Alternative: Man kann unter bestimmten Umständen zusammen mit einem Sanierungsberater eine "Insolvenz in Eigenverwaltung" durchführen und sich innerhalb eines Jahres mit einem Insolvenzplan entschulden. Die Entscheidung hängt von der Größe und Art des Unternehmens ab, natürlich auch von seinen geschäftlichen Perspektiven. Die einfachste, aber oft recht ärgerliche Methode, ist die normale Insolvenz mit laufendem Geschäftsbetrieb und Insolvenzverwalter, der sich natürlich in alle Geschäftsabläufe einmischt. Die unterm Strich "beste" Methode, die sich allerdings nur unter bestimmten Voraussetzungen wählen lässt, ist die Insolvenz in Eigenverwaltung, auch "kleiner Schutzschirm" genannt. Wenn man es richtig anstellt, ist die Firma innerhalb eines Jahres saniert. Das geht jedoch nur, wenn eine drohende Zahlungsunfähigkeit (bei juristischen Personen: Überschuldung) vorliegt und die Firma noch nicht zahlungsunfähig ist. Die beabsichtigte Sanierung darf auch nicht aussichtslos sein. 

3. Welche Vorteile hat ein Insolvenzverfahren?

Interessant ist in diesem Zusammenhang, dass man das Insolvenzverfahren als Schutzschirm für das Unternehmen versteht. Seit März 2012 gibt es das Schutzschirmverfahren, das den Betrieb vor Zwangsvollstreckungen schützt und sogar die Zahlung der Löhne aussetzt. Diesen Schutz gibt es allerdings nur für höchstens drei Monate, und in denen muss ein Insolvenzplan erstellt werden. Nach weiteren drei Monaten stimmen die Gläubiger darüber ab. Nehmen sie den Plan an, muss das Unternehmen diese Zusagen natürlich auch einhalten und ist danach schuldenfrei. Diese Methode eignet sich vor allem für Firmen, die an sich gut laufen, aber zu große Schulden mit sich schleppen. Diese Schulden werden durch das Schutzschirmverfahren zu einem geringen Teil (Quote) abgegolten und stehen dem Unternehmen dann nicht länger im Weg. Dieses Insolvenzplanverfahren ist letztlich ein Teilzahlungsvergleich unter gerichtlicher Aufsicht. Die Gläubiger bekommen zwar nur einen kleinen Teil der Ausstände, aber oft stimmen sie zu, weil es immer noch mehr als nichts ist. Wichtig ist auch: Entscheidend für das Votum der Gläubiger ist die einfache Mehrheit. Es müssen also nicht alle zustimmen, trotzdem kann der Plan angenommen werden und gilt dann für alle.

Gefährlich ist es hingegen, vor der Insolvenz noch schnell Geld bei Familienmitgliedern zu verstecken. Denn in jedem Fall wird in einem Insolvenzverfahren genau geprüft werden, was wohin überwiesen worden ist. Unberechtigte oder überhöhte Zahlungen werden ziemlich sicher angefochten, und dadurch können gute Freunde und Familienmitglieder in die Sache hineingezogen werden – sie machen sich eventuell sogar strafbar. Betreffen solche Tricksereien eine insolvente GmbH, steht gegen deren Geschäftsführer der Vorwurf der Unterschlagung im Raum. Diese Mittelabflüsse sind außerdem sehr leicht nachzuweisen. Einzelunternehmern und Freiberuflern steht es allerdings frei, nach erfolgter Schließung ihres Geschäftsbetriebs dessen Einrichtung zu verkaufen, je nach Restwert auch zu sehr niedrigen Preisen. Wurde eine Auffanggesellschaft gegründet, sollte man ihr die Betriebseinrichtung allerdings nicht verkaufen. Auch das Verstecken von Vermögenswerten ist verboten.

4. Wer bezahlt die Löhne, Gehälter und betriebliche Altersvorsorge?

Generell bleiben die Ansprüche der Beschäftigten gewahrt. Die Frage ist nur, woher das Geld in der Insolvenz kommt. Seit 1978 gibt es das Insolvenz-Entgeltsicherungsgesetz (IESG) und den Insolvenz-Ausfallgeld-Fonds (IAF, seit 2008 Insolvenz-Entgelt-Fonds IEF). Zuständig ist die IEF-Service GmbH. Bei Eintritt der Insolvenz gelten die Arbeitsverhältnisse unverändert fort. Anspruch auf Insolvenzgeld haben alle, die normalerweise Löhne oder Gehälter beziehen. Ehemalige Mitarbeiter haben Anspruch hinsichtlich noch ausstehender Abfertigungen oder Firmenpensionen. Unternehmer wie beispielsweise Gesellschafter haben keinen Anspruch.

Leistungen der betrieblichen Altersvorsorge sollen gegen Insolvenz geschützt sein, indem bei den Verträgen "unwiderrufliche Bezugsrechte" eingeräumt werden. Dies ist möglich, weil zwar der Unternehmer der Versicherungsnehmer ist, der Mitarbeiter jedoch der Begünstigte der Auszahlungen. Die vom Arbeitnehmer erbrachten Leistungen können daher im Insolvenzfall nicht verloren gehen. Eine Pensionszusage für den Gesellschafter-Geschäftsführer kann jedoch durchaus kassiert werden.