Digitalisierte Bewerbungsprozesse Vorstellungsgespräch per Video: Tipps für Chefs und Bewerber

Die Auswirkungen der Corona-Krise ermutigen auch Handwerker neue Wege zu gehen – z. B. bei der Mitarbeitersuche. Vorstellungsgespräche per Video sind hier ein Stichwort. Aber nicht nur in Zeiten von Corona sind sie hilfreich: Warum es sinnvoll sein kann, virtuelle Bewerbungsgespräche auch danach zu integrieren und was sowohl Handwerkschefs als auch Bewerber dabei beachten sollten.

Eileen Wesolowski

Handwerker, die Bewerber aufgrund der Corona-Kontaktbeschränkungen ungern in den Betrieb einladen wollen, können auch auf digitale Vorstellungsgespräche zurückgreifen. - © New Africa - stock.adobe.com

Premiere im Malerbetrieb Neumann: Im April 2020 lud das Unternehmen zum ersten Mal drei potenzielle Azubis zu digitalen Vorstellungsgesprächen per Skype ein. Ausschlaggebend dafür war die Anfangszeit der Corona-Pandemie, in der die geltenden Kontaktverbote die Bewerbungssituation schiwerig machten: "Viele junge Menschen haben uns berichtet, dass ihnen zurzeit die Bewerbungsgespräche abgesagt werden", erzählte Alexander Neumann, Maler- und Lackierermeister beim Dinslakener Malerbetrieb, mit Bezug auf die damalige Situation. Ein Grund mehr für das Unternehmen einen neuen Weg zu gehen: "Wir wollten den jungen Bewerbern zeigen: Wir hören euch trotz der Krise", so Neumann.

Handwerksbetriebe zeigen, wie modern sie sind

In Zeiten von Corona sind digitale Bewerbungsprozesse ein Mittel, um die Mitarbeiterfindung zu vereinfachen. Für Handwerksbetriebe können sie aber auch nach der Krise nützlich sein. Unternehmen können so Fachkräfte auf sich aufmerksam machen, erklärt Diplom-Psychologin Birgit Gerstgrasser aus Bonn. "Handwerksunternehmer sollten Videointerviews aber im Gesamtkontext betrachten: Eben nur als Teil eines modernen, digitalen Personalmarketings, zu dem auch eine ansprechende Homepage, ein Imagefilm oder der Unternehmensauftritt in den sozialen Medien gehören", so die Karriereberaterin.  

Vorteile von Online-Interviews

Digitale Bewerbungsgespräche können das persönliche Gespräch und Probearbeiten im Handwerk nicht ersetzen, bringen aber als Teil des Bewerbungsprozesses viele Vorteile mit sich. Laut Gerstgrasser lassen sich dadurch insbesondere Ausgaben wie Reisekosten verringern. Außerdem können Unternehmen dadurch viel Zeit sparen, flexibler agieren und gezielter vorselektieren, sollte es mehrere Bewerber auf eine Stelle geben.

"Im Vergleich zu einem reinen Telefongespräch bieten Online-Interviews die Chance, den Bewerber viel umfassender zu beurteilen", so die Expertin im Bereich der videoübermittelten Kommunikation. Menschliche Signale wie Worte, Stimme oder Tonlage machten nur einen Bruchteil davon aus, wie eine Person auf andere wirke: "Über die Webcam habe ich zwar immer noch Einschränkungen z.B. die physische Wirkung im Raum, aber ich kann mir einen Eindruck von der Mimik, Gestik und Körperhaltung des Bewerbers, also ein besseres Bild, machen".

Was Unternehmen beim virtuellen Bewerbungsgespräch beachten sollten

Wer digitale Bewerbungsgespräche in seinen Bewerbungsprozess integrieren möchte, sollte auf einige Aspekte achten. Wie das Videointerview zum Erfolg wird, erklärt Kommunikationsexpertin Birgit Gerstgrasser:

1. Wie sollten sich Handwerksbetriebe auf das Videogespräch vorbereiten?

Für viele Menschen ist die Videokommunikation noch relativ neu. Um bei Bewerbern einen professionellen Eindruck als Arbeitgeber zu machen, sollten dieser den Umgang mit der Webcam im Vorfeld intensiv üben. Wie Sie als zukünftiger Arbeitgeber durch Ihre Körpersprache auf andere wirken und was sich verbessern lässt, erkennen Sie zum Beispiel wenn Sie vor dem Spiegel proben oder sich selbst im Vorfeld filmen und analysieren. "Die Füße sollten fest auf dem Boden stehen und die Schultern gerade sein", so Gerstgrasser. Auch der für die Kommunikation wichtige Blickkontakt kann geübt werden: "Viele schauen nur auf den Monitor, dabei ist die Kamera das Auge des Gesprächspartners." Die Expertin empfiehlt auch nicht zu sehr in die Webcam zu starren, sondern etwa alle fünf Sekunden den Blick schweifen zu lassen. Das wirkt natürlicher.

2. Was ist in puncto Technik und Umgebung zu beachten?

Das Gespräch sollte in einem gut ausgeleuchteten Raum, in dem es nicht hallt, stattfinden. Eine funktionierende Technik ist die wichtigste Voraussetzung für ein erfolgreiches Videointerview. Dazu zählt auch eine geeignete Software. Gerstgrasser empfiehlt kostenlose Programme wie Skype, Microsoft Teams oder Zoom. "Chefs müssen jedoch den Datenschutz beachten." Worauf es beim betrieblichen Einsatz von Videokonferenztools datenschutzrechtlich ankommt, erklärt die DHZ in diesem Beitrag:  

>>> Lesetipp: Videotelefonie und Desktop-Sharing: So klappt´s mit dem Datenschutz

3. Wie ist das Video-Interview zu strukturieren?

Wie beim klassischen Bewerbungsgespräch sollte auch fürs virtuelle Gespräch ein Interviewleitfaden und ein Bewertungsschema angefertigt werden. Tipp: Für das Interview kann man den Bewerber auch um eine Selbstpräsentation bitten. Diese kann er im Vorfeld üben.

4. Wie viele Menschen sollten am Videogespräch teilnehmen?

Auf der Unternehmensseite können viele Personen teilnehmen. Das ist ein Vorteil gegenüber klassischen Bewerbungsgesprächen, bei denen viele Gesprächspartner im Raum eher einschüchternd auf Bewerber wirken. Allerdings rät die Expertin zu maximal zwei Personen, die auf dem Monitor sichtbar für den Bewerber am Gespräch teilnehmen:"Wichtig ist, dass es einen Hauptinterviewer gibt. Er führt durch das Gespräch und sorgt dafür, dass nicht durcheinandergeredet wird." Alle, auch die nicht sichtbaren Beteiligten, müssen zu Beginn vorgestellt werden, so Gerstgrasser.

5. Wie lange sollte das Interview dauern?

"Videogespräche sind anstrengender als persönliche Gespräche", erklärt die Karriereberaterin. Das liege daran, dass man sich weniger natürlich verhält und sich am Bildschirm stärker konzentrieren müsse. Die Expertin empfiehlt deshalb, maximal eine Stunde für das Gespräch einzuplanen. Besser ist es sogar, zwei kürzere Videotelefonate anzusetzen. Das hat auch den Vorteil, dass die Tagesform auszuschließen ist und ermöglicht ein stückweises gegenseitiges Kennenlernen.

Malerbetrieb will Videointerviews fest integrieren

Maler- und Lackierermeister Alexander Neumann hat gute Erfahrung mit dem E-Recruiting gemacht. Auch in Zukunft will er Videointerviews als erste Instanz im Bewerbungsprozess einführen: "Persönliche Bewerbungsgespräche sind oft angespannt. Über die Webcam haben die jungen Leute locker und befreit aus der Seele gesprochen, warum sie gerade den Berufsweg als Maler- und Lackierer gehen wollen." Birgit Gerstgrasser kann das nur bestätigen: "Beim Videotelefonat ist die Nervosität in der Regel geringer, da die vielen neuen Eindrücke den Bewerber nicht ablenken. In seinem gewohnten Umfeld kann er sich darauf konzentrieren, worauf es wirklich ankommt."

Vorstellungsgespräch per Video: Tipps für Bewerber

  1. Vorbereitung: Eine gute Vorbereitung mit Feedback ist wichtig. Das gilt nicht nur für das Gespräch an sich, sondern auch für den Umgang mit der Technik und der Webcam. Wie Chefs und Personaler sollten auch Bewerber das Videogespräch üben und dabei auf ihre Körpersprache achten. Geprobt werden kann z. B. vorm Spiegel oder mithilfe einer Videoaufnahme.
  2. Technik: Auch auf der Bewerberseite muss die Technik funktionieren. Sollte sie doch mal streiken gilt es, ruhig zu bleiben und den Gesprächspartner auf die Probleme hinzuweisen. "Im Notfall kann auf das Telefon zurückgegriffen werden", so Gerstgrasser. Tipp: Manche Menschen konzentrieren sich bei der Videotelefonie stark auf ihr eigenes Bild auf dem Monitor und können sich davon verunsichern lassen. Wer das verhindern möchte, sollte die Selbstansicht in der Video-Software ausstellen.
  3. Umgebung: Eine ansprechende Umgebung ist wichtig. Außerdem sollte ein Raum gewählt werden, in dem es nicht hallt oder Geräusche im Hintergrund auftreten. Auch Gegenlicht ist zu vermeiden, da man auf dem Bildschirm sonst blass wirkt. Falls man beim Sprechen einen trockenen Mund bekommt, lohnt es sich, ein Glas Wasser bereitzustellen. Ein Stichwortzettel kann darüber hinaus im Gespräch unterstützend wirken. Achtung: Irritierend für den Gesprächspartner ist es jedoch, wenn die Augen zu oft zu dieser Gedankenstütze wandern.
  4. Zeit: Um sich auf das Gespräch einzustimmen und die Technik zum Laufen zu bringen, sollten sich Bewerber vor dem Termin genügend Zeit für die Vorbereitung nehmen. Einige Termine dauern länger als ursprünglich angesetzt. Deshalb ist es sinnvoll, auch nach hintern heraus etwas mehr Zeit einzuplanen.
  5. Kleidung: Jogginghose tragen, weil man sie im Bildausschnitt nicht sieht? Zu empfehlen ist das nicht. Bewerber sollten sich genauso kleiden, als würden sie zum klassischen Bewerbungsgespräch gehen. Tipp: "Auf dem Bildschirm kann ein weißes Hemd den Träger blass wirken lassen, starke Musterungen auf der Kleidung können wiederum ein Flimmern hervorrufen", warnt Gerstgrasser. Zu empfehlen seien eher Blautöne und Kleidung ohne Muster. Ein bisschen Puder könne zudem dabei helfen, den Glanz aus dem Gesicht zu nehmen.