Neue EU-Kommission Von der Leyen verspricht Bürokratieabbau

Die Kandidaten für die neue EU-Kommission stehen fest. Die Französin Sylvie Goulard ist als erste Ansprechpartnerin für die Wirtschaft und damit auch für das Handwerk vorgesehen. Die künftige Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen verspricht der Wirtschaft weniger Verwaltungsaufwand und Bürokratieabbau.

Hajo Friedrich

Ursula von der Leyen hat ihre 27 Kandidaten für die neue EU-Kommission vorgestellt. - © Dursun Aydemi/picture alliance / AA

Die designierte Präsidentin der EU-Kommission, Ursula von der Leyen, hat am Dienstag, 10. September, Namen und Aufgabenbereiche des 27-köpfigen Kollegiums der EU-Kommissare vorgestellt. Eine klare Ausrichtung auf die Anliegen von Handwerk sowie Klein- und Mittelbetrieben ist zumindest in den Zuschnitten der Ressorts noch nicht erkennbar.

Eine wichtige Ansprechpartnerin für das deutsche Handwerk dürfte in den kommenden fünf Jahren die französische Liberale Sylvie Goulard sein. Als "Binnenmarkt-Kommissarin" soll die perfekt Deutsch sprechende Politikerin die Feder in der europäischen Industriepolitik führen und die Schaffung eines Binnenmarkts für Digitales vorantreiben. "Wir wollen Bürokratie abbauen", sagte von der Leyen.

Künftig solle der "One in, one out"-Grundsatz gelten, wonach für jeden neuen EU-Regelungsvorschlag eine bestehende Regelung abgeschafft werden sollte. Der Sprecher des Parlamentskreises Mittelstand (PKM), Markus Pieper (EVP/CDU), signalisierte dafür bereits Unterstützung. Zusätzlich sollte jeder neue Gesetzgebungsvorschlag einem verbindlichen SME-Test unterzogen werden. "Die Belastungen des Mittelstandes müssen im Vorfeld gründlich geprüft sein", sagte Pieper und forderte die Schaffung eines neuen, vollfunktionsfähigen Normenkontrollrats. "Nur so ist eine unabhängige Kosten- und Subsidiaritätskontrolle der Kommissionsvorschlägen möglich", so Pieper abschließend.

Neue Kommission soll am 1. November antreten

Der Vorsitzende der größten Fraktion im EU-Parlament, Manfred Weber (CSU) betonte, dass ein erster großer Erfolg der neuen Kommissionspräsidentin von der Leyen die Ausgewogenheit zwischen Frauen und Männern innerhalb des Kollegiums sei: "Die EVP hat vor den Wahlen die Gleichstellung der Geschlechter versprochen, und jetzt halten wir dieses Versprechen ein". Das Geschlechter-Gleichgewicht im kommenden Kollegium sei eine große Leistung und ein wichtiges Signal an Europa und die Welt", betonte Weber. Mit der Malteserin Helena Dalli will von der Leyen eine Kommissarin ernennen, die sich ausschließlich um Fragen der Gleichheit kümmert.

Vor dem für den 1. November geplanten Amtsantritt der von der Leyen-Kommission müssen sich alle Aspiranten einer Anhörung vor den jeweils zuständigen Fachausschüssen des EU-Parlaments stellen. Erfahrungsgemäß fallen dabei ein bis zwei Kandidaten durch. Was das deutsche Handwerk konkret von der neuen Kommission zu erwarten hat, darüber dürften erst die schriftlichen und mündlichen Antworten der Kandidaten sowie das Arbeitsprogramm von der Leyens Auskunft geben.

Goulard soll Verteidigungsindustrie vorantreiben

Ob die ehemalige EU-Abgeordnete Goulard den Interessen des Mittelstands mit Herzblut folgt, muss bezweifelt werden. Denn neben ihrer Zuständigkeit für den Binnenmarkt dürfte auch die geplante neue Abteilung (Generaldirektion) für die Rüstungswirtschaft und die Raumfahrt Aufmerksamkeit viel Energie binden. Goulards Zuständigkeit für den Binnenmarkt sei die richtige Wahl, aber der Schwerpunkt auf die Verteidigungsindustrie sei mehr als fragwürdig, sagte der Grünenpolitiker Sven Giegold.

Kritik übte Giegold auch an der geplanten Ernennung des Italieners Paolo Gentiloni zum Wirtschaftskommissar. "Gentiloni hat einen Interessenkonflikt, wenn er auf die Einhaltung der Defizitregeln seiner eigenen Regierung achten muss". Auch der Währungsexperte Markus Ferber (CSU) äußerte sich skeptisch: "Dass nun ein Italiener den Problemstaat Italien überwachen soll, ist alles andere als eine ideale Konstellation". Gentiloni müsse klarstellen, dass er es mit den europäischen Fiskalregeln ernst meine, sagte Ferber abschließend.