Digitalisierung Virtuelle Prüfungen: Meisterprüfung am Küchentisch

Spätestens die Corona-Krise hat gezeigt, wie wichtig Digitalisierung ist. In einem Pilotprojekt hat jetzt die Handwerkskammer Region Stuttgart virtuelle Prüfungen für Meister erprobt.

Prüfungskandidatin vor ihrem Laptop am Küchentisch
Meisteranwärter können von zu Hause aus an ihrer Prüfung teilnehmen. - © Pruefster Onlineprüfungen GmbH

Eine Meisterschülerin sitzt an einem Tisch vor ihrem Laptop. Penibel räumt sie ihren Arbeitsplatz auf, entfernt alles, was sie nicht braucht und setzt ihren Kopfhörer ab. Einen externen Bildschirm stellt sie weg. Zuletzt scannt sie mit ihrem Smartphone den ganzen Raum – sogar den Bereich unter dem Tisch und die Zimmerdecke. Dann platziert sie das Smartphone so neben sich, dass die Kamera ihre Hände aufnehmen kann.

Was wie ein zwanghaftes Verhalten anmutet, sind die Vorbereitungen für eine virtuelle Meisterprüfung. Die Prüfungskandidatin sitzt nicht in einem Klassenzimmer – sie sitzt bei sich daheim am Küchentisch. Noch ist dieses Szenario in der Probephase. Die Handwerkskammer Region Stuttgart hat getestet, ob und wie sie die Teile III und IV von Meisterprüfungen virtuell anbieten kann. "Und es geht einfacher als gedacht", lautet das Fazit von Julia Holschumacher, die als Teamleiterin Prüfungswesen in Stuttgart das Projekt betreut.

Sorgfältige Vorbereitung der Technik

Zunächst wirken die Anleitungen für die Prüfung aus der Ferne allerdings einschüchternd. 48 Stunden vor dem eigentlichen Termin schafft der Prüfling die technischen Voraussetzungen: Er braucht einen Laptop mit Mikrofon und Kamera, den Browser "Google Chrome", um sich für die Prüfung zu registrieren, außerdem ein Smartphone mit der "Pruefster App" und einen Internetanschluss mit einer Bandbreite von mindestens 1,5 Mbit.

Sind diese Voraussetzungen erfüllt, bekommt er eine E-Mail mit den Zugangsdaten für die Prüfung.

Schummeln verboten

Der Knackpunkt bei einer Prüfung ohne Aufsichtsperson (Proctor) im Raum ist sicherzustellen, dass der Prüfungskandidat nicht schummelt. Dafür gibt es eine technische Rund-um-Überwachung. "Wir konnten uns zunächst gar nicht vorstellen, wie es ist, bei einer Prüfung von der PC-Kamera und dem Handy überwacht zu werden", gibt Holschumacher lachend zu. "Doch man kann wirklich mit dem Proctor in Kontakt treten. Jeder Prüfling weiß: Da ist jemand, der aufpasst, dass ich mich an die Regeln halte."

Proctor kontrolliert über Bildschirme die Prüflinge
Die Prüfungsaufsicht – der Proctor – hat den Prüfling fest im Blick: Er sieht, was der Prüfling auf seinem Bildschirm sieht, er hört die Geräusche im Prüfungsraum und er sieht auch, was der Prüfling mit seinen Händen macht. - © Pruefster Onlineprüfungen GmbH

"Proctor Exam" heißt das Programm von Pruefster, das der Buchverlag von Holzmann Medien lizensiert hat. Hiermit bietet das Medienhaus, das auch die DHZ verlegt, Handwerkskammern ein Werkzeug für sichere Fernprüfungen. Schritt für Schritt leitet das Programm den Prüfling durch die Sicherheitsmaßnahmen.

Zunächst installiert er auf seinem Rechner eine Software, um seinen Bildschirm mit dem Proctor zu teilen. Dann testet das Programm, ob die Bildschirmkamera und das Mikrofon funktionieren. Schließlich verbindet sich der Prüfling per QR-Code zusätzlich via Smartphone mit dem Prüfer und zeigt ihm, dass er nirgends im Raum unerlaubte Hilfsmittel deponiert hat. Die eigentliche Prüfung beginnt, wenn der Prüfling sich mit Hilfe seines Ausweises identifiziert hat. Dann erst fängt die Zeit an zu laufen und er erhält Zugang zu den über die Software LPlus hinterlegten Fragen.

Leserliche Ergebnisse

Bereits seit vier Jahren prüft die Handwerkskammer Region Stuttgart die Teile III und IV der Meisterprüfung überwiegend online – zentralisiert in speziell dafür vorgesehenen Prüfungsräumen. Die Prüflinge kommen also am Prüftag weiterhin in die Kammer vor Ort. Doch statt per Stift und Papier beantworten sie die Fragen direkt am Computer. "Die Prüfungen sind damit leserlicher, und reine Ankreuzaufgaben lassen sich automatisiert korrigieren", nennt Holschumacher die wichtigsten Vorteile. Über Probleme mit der Handhabung habe bisher niemand geklagt.

Der nächste Schritt – diese Prüfungen nun auch von zu Hause aus absolvieren zu lassen – steht in Stuttgart trotzdem nicht unmittelbar bevor. "Das hat mit der enormen Zahl der Prüfungen bei uns zu tun", erklärt Holschumacher. Mit durchschnittlich 50 Prüfungstagen im Jahr, an denen jeweils 50 Prüflinge getestet werden, bräuchte die Kammer für virtuelle Prüfungen ein Vielfaches an Aufsichtspersonen. Maximal 13 Prüflinge kann ein Proctor zeitgleich überwachen. "Wir empfehlen aber nur sechs Teilnehmer gleichzeitig", sagt Markus Kratofil, der beim Holzmann Buchverlag für das System zuständig ist. Mehr könne ein Aufseher kaum gleichzeitig im Blick behalten.

So ist die Lösung aktuell vor allem für kleinere Prüfungsgruppen geeignet oder für Sonderfälle, in denen Prüflinge aus persönlichen Gründen nicht vor Ort teilnehmen können. "Aber das ist wirklich ein Thema der Zukunft", urteilt Holschumacher.


Digitale Produkte rund um das Thema virtuelle Meisterprüfungen gibt es auch im Holzmann Medienshop.