Ob Mitarbeiter für die Corona-Impfung freigestellt werden müssen und, ob es erlaubt ist finanzielle Anreize zu bieten? Arbeitsrechtliche Antworten für Chefs und Mitarbeiter.

Auch, wenn die Impfungen nur schleppend voran gehen, so stellen sich in den kommenden Wochen und Monaten doch einige praktische Fragen für Betriebe. Das eine oder andere Unternehmen macht schon mit finanziellen Anreizen für geimpfte Mitarbeiter von sich reden. Andere fragen sich, ob sie ihre Mitarbeiter für den Impftermin freistellen müssen und ob sie überhaupt eine Recht haben zu erfahren, wenn Mitarbeiter sich impfen lassen. Die Rechtsexperten Inka Müller-Seubert und Philipp Bubinger, von der internationalen Wirtschaftskanzlei CMS Deutschland, geben darüber Auskunft.
1. Muss ich Mitarbeiter für einen Impftermin freistellen?
Inka Müller-Seubert: Grundsätzlich sind Arbeitnehmer gehalten, Arzt- oder Impftermine außerhalb der Arbeitszeit wahrzunehmen. Ansonsten erlischt für die Zeit der Abwesenheit der Vergütungsanspruch. Etwas anderes gilt, wenn der Arbeitnehmer nicht frei über den Impftermin entscheiden konnte, sondern dieser von der Behörde fest vorgegeben wurde. Dann greift die gesetzliche Regelung in § 616 BGB und der Vergütungsanspruch bleibt für die Zeit der Abwesenheit ausnahmsweise bestehen. Diese Regelung kann im Arbeitsvertrag jedoch abbedungen werden, sodass der Arbeitgeber auch bei einer behördlichen Terminzuweisung kein Gehalt zahlen muss.
Darüber hinaus können Arbeitgeber freiwillig großzügigere Regelungen treffen und ihre Mitarbeiter für einen Impftermin von der Arbeit freistellen – unabhängig davon, ob der Termin von der Behörde vorgegeben wurde oder nicht.
2. Darf ich Mitarbeitern, die sich impfen lassen, einen Tag Sonderurlaub gewähren?
Müller-Seubert: Arbeitgeber haben grundsätzlich die Möglichkeit, durch sogenannte Impf-Incentives die Bereitschaft ihrer Mitarbeiter zu fördern, sich impfen zu lassen. Bei der Ausgestaltung von Impf-Incentives ist der allgemeine Gleichbehandlungsgrundsatz zu beachten. Das bedeutet, dass etwa Mitarbeiter in Teilzeit gegenüber Mitarbeitern in Vollzeit nicht schlechter gestellt werden dürfen. Wie ein solcher Anreiz konkret ausgestaltet wird, kann der Arbeitgeber selbst entscheiden. Neben Gutscheinen ist die Gewährung eines zusätzlichen Urlaubstages möglich.
3. Darf ich Mitarbeitern, die sich impfen lassen, finanzielle Anreize bieten?
Müller-Seubert: Impf-Incentives können in Form finanzieller Anreize ausgestaltet sein. In Betracht kommt etwa die Gewährung eines „Impf-Bonus“ in Form einer einmaligen Sonderzahlung.
4. Gelten besondere Impf-Vorschriften bei Betrieben mit viel Kundenkontakt?
Müller-Seubert: In Deutschland gibt es derzeit keine gesetzliche Impfpflicht. Das bedeutet, dass eine Impfung nicht ohne das Einverständnis der zu impfenden Person vorgenommen werden darf. Das gilt selbst in Bereichen mit viel Kundenkontakt.
Philipp Bubinger: Ansonsten gibt es für die Kunden selbst bislang keine besonderen Impfvorschriften. Allerdings steht es einem Unternehmen grundsätzlich frei, seine Leistungen nur Geimpften anzubieten – beispielsweise zum Schutz eigener Mitarbeiter. Ein Unternehmen ist berechtigt, seine Vertragspartner frei zu wählen, solange dadurch niemand entgegen dem zivilrechtlichen Benachteiligungsverbot diskriminiert wird. Gegen dieses Benachteiligungsverbot würde dann verstoßen, wenn bei sogenannten Massengeschäften der Vertragsschluss von Alter, Geschlecht oder ethnischer Herkunft abhängig gemacht werden würde. Der Impfstatus einer Person zählt nicht zu diesen Merkmalen, sodass eine "Bevorzugung" Geimpfter durch Unternehmen grundsätzlich möglich wäre.
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5. Darf ich Mitarbeitern, die sich nicht impfen lassen wollen, kündigen?
Müller-Seubert: Eine Kündigung ungeimpfter Mitarbeiter kommt nur in Ausnahmefällen in Betracht. Voraussetzung ist, dass der Mitarbeiter nicht ohne Gefahr für sich oder andere dauerhaft vertragsgemäß beschäftigt werden darf. Vor Ausspruch einer Kündigung muss der Arbeitgeber daher prüfen, ob es alternative Beschäftigungsmöglichkeiten gibt. Zum Beispiel, ob der ungeimpfte Mitarbeiter auf einen Arbeitsplatz versetzt werden kann, bei dem kein Kundenkontakt besteht.
6. Hat der Arbeitgeber ein Recht zu erfahren, ob Mitarbeiter geimpft sind?
Müller-Seubert: Arbeitgeber dürfen den Impfstatus ihrer Mitarbeiter in der Regel nicht abfragen. Beim Impfstatus handelt es sich um besonders schützenswerte Gesundheitsdaten, die nach den Vorgaben der Datenschutzgrundverordnung vom Arbeitgeber nur unter strengen Voraussetzungen erhoben und verarbeitet werden dürfen. Eine Ausnahme gilt nach dem Infektionsschutzgesetz allerdings für Einrichtungen im Gesundheitswesen, wie Krankenhäuser, Arztpraxen oder Pflegeheime (§ 23a S. 1 IfSG). In diesen Bereichen dürfen Arbeitgeber den Impfstatus ihrer Mitarbeiter abfragen und diesen zur Grundlage ihrer Entscheidung über die Begründung eines Arbeitsverhältnisses oder die konkrete Art und Weise der Beschäftigung machen.
7. Darf ich von Kunden die Vorlage eines Impfausweises verlangen?
Bubinger: Sollte sich ein Unternehmen dazu entscheiden, seine Leistungen ausschließlich Geimpften anzubieten, müsste sich das Unternehmen den Impfstatus einer Person konsequenterweise nachweisen lassen. Dabei können allerdings datenschutzrechtliche Probleme entstehen. Bei dem Impfstatus einer Person handelt es sich nämlich um ein sogenanntes Gesundheitsdatum im Sinne von Art. 9 Abs. 1 DSGVO. Eine Datenverarbeitung von Gesundheitsdaten ist nur unter äußerst engen Voraussetzungen möglich. Zwar könnte der jeweilige Kunde in die Datenverarbeitung einwilligen, allerdings dürften an einer solchen „Freiwilligkeit“ durchaus Zweifel bestehen. Zumindest, wenn dem Kunden nichts anderes übrig bleibt, als in die Datenverarbeitung einzuwilligen, um in den Genuss der Leistung zu kommen. Insofern besteht hier nach den derzeit geltenden gesetzlichen Regelungen eine gewisse Rechtsunsicherheit. Eine Klarstellung durch den Gesetzgeber wäre wünschenswert und auch erforderlich.