Ein Friseur, der aus gesundheitlichen Gründen seinen Beruf nicht mehr ausüben kann, muss seinen Betrieb nicht umorganisieren und einer "Verlegenheitsbeschäftigung" wie Rezeptionist nachgehen. Das sei nicht zumutbar, entschied das Oberlandesgericht Dresden.

Im vorliegenden Fall litt ein Friseurmeister an Schmerzen in beiden Händen und stritt sich mit seiner Versicherung um eine Berufsunfähigkeitsrente. Der Friseurmeister – Jahrgang 1966 – war seit 1993 selbstständig und hatte seine Berufsunfähigkeitsversicherung 2002 abgeschlossen. In seinem Salon beschäftigte er bis zu 19 Mitarbeiter und drei Auszubildende pro Jahr. 2004 wurde der Friseurmeister wegen Fibromatose, also gutartigen Bindegewebswucherungen, an der linken Hand operiert.
Zehn Jahre später stellte ein Arzt Arbeitsunfähigkeit wegen Schmerzen in beiden Armen fest. Ein Jahr später, 2015, beantragte der Friseurmeister Berufsunfähigkeitsrente. Die Fibromatose an den Strecksehnen der Hände, eine Nervenentzündung im linken Arm, Hand und Schulter sowie ein Wurzelreizsyndrom an der Halswirbelsäule hätten dazu geführt, dass er alle handwerklichen Tätigkeiten seines Berufs als Friseur nicht mehr durchführen könne.
Versicherung verweigerte Berufsunfähigkeitsrente
Die Versicherung lehnte es ab, ihm eine Berufsunfähigkeitsrente zu zahlen. Sie verwies darauf, dass der Kläger seine beruflichen Tätigkeiten umorganisieren könne.
Das sah das Oberlandesgericht Dresden (OLG Dresden, Az. 4 U 1585/21) anders. Der Kläger habe darlegen können, dass er zu mindestens 50 Prozent außerstande sei, seinem zuletzt ausgeübten Beruf nachzugehen. Die Tätigkeit als Friseur erfordere, dass beide Hände kontinuierlich eingesetzt und bewegt würden. Das verursache Schmerzen.
Dem Kläger sei nicht zuzumuten, seinen Betrieb umzuorganisieren. Aus folgendem Grund: Da der Kläger die handwerklichen Leistungen eines Friseurmeisters nicht mehr erbringen könne, entfielen damit 76 Prozent der Leistungen, die er bislang erbracht habe. Weil er also als Betriebsinhaber aufgrund seiner gesundheitlichen Einschränkungen nicht mehr mitarbeiten kann, hätte er auf Dauer ins Gewicht fallende Einkommenseinbußen hinnehmen müssen. Das sei unzumutbar.
Darüber hinaus müsse auch nach einer Umorganisation – so das OLG Dresden – noch ein adäquater Arbeitsplatz im Sinne einer "vernünftigen Arbeit" im Betrieb verbleiben. Dies dürfe keine "Verlegenheitsbeschäftigung" sein. Eine derart starke Veränderung des Arbeitsfeldes, bei der alle prägenden Merkmale der Arbeit verloren gingen, sei ebenfalls nicht zumutbar. Schließlich sei der Beruf des Friseurs gekennzeichnet durch ein persönliches Vertrauensverhältnis zum Kunden. dan