Die Teuerungsrate ist zuletzt deutlich gestiegen. Doch müssen wir nun wirklich mit einer dauerhaft erhöhten Inflation rechnen? Wie Vermögensverwalter die Situation einschätzen und wie sich Anleger schützen können.

Für viele Kapitalmarktteilnehmer waren die jüngsten Inflationsdaten ein Schock. Im Juni dieses Jahres kletterten die Verbraucherpreise in den USA um 5,4 Prozent. Das war der höchste Zuwachs seit 2008. Hierzulande gingen die Preise im Mai gegenüber dem Vorjahresmonat um 2,5 Prozent nach oben, die Erzeugerpreise, die als Frühindikator für die Inflation dienen, stiegen im Juni gar um 8,5 Prozent – so stark wie seit der Ölkrise Anfang der 1980er Jahre nicht mehr.
Kein Wunder, dass Crash-Propheten dies zum Anlass nehmen, vor Hyperinflation, dem Ende des Finanzsystems und des Euro zu warnen. Aber ist Panik wirklich gerechtfertigt?
"Inflationsraten sehen schlimmer aus als sie wirklich sind"
"Voraussichtlich nicht", sagt Burkhard Wagner von der Partners Vermögensmanagement AG. "Denn es spricht viel dafür, dass der aktuell starke Anstieg nur vorübergehend ist." So hatte die Wirtschaft im vergangenen Jahr wegen Corona eine Vollbremsung hingelegt und die Energiepreise sind massiv eingebrochen. "Das bedeutet, dass die Ausgangsbasis für die aktuelle Preisentwicklung sehr niedrig ist und die Inflationsraten viel schlimmer ausschauen als sie wirklich sind", analysiert der Experte.
"Dazu kommt eine starke Nachfrage der Verbraucher nach dem Ende der Lockdowns, die auf ein knappes Angebot zum Beispiel an Rohstoffen oder Halbleitern trifft", so Wagner weiter. Eine Lohn-Preis-Spirale, die meist Auslöser einer deutlich steigenden Inflation ist, sieht er aufgrund der derzeit noch großen freien Kapazitäten in der Wirtschaft noch nicht.
Ähnlich beurteilt das Markus Steinbeis von der Steinbeis & Häcker Vermögensverwaltung GmbH. "Ich gehe nicht davon aus, dass wir das Niveau von fünf Prozent in den USA in nächster Zeit deutlich überschreiten", sagt er. "Die Inflationsrate schwankt immer und sie wird, zum Beispiel wenn die Unterbrechungen in den Lieferketten behoben sind, auch wieder zurückgehen."
"Gestiegene Preise werden bleiben"
Dennoch sollten Anleger das Thema nicht ad acta legen. "Gestiegene Preise bleiben, auch wenn die Inflationsrate fällt, auf einem höheren Niveau", so Steinbeis. "Dazu kommt, dass der Umfang der Konjunkturmaßnahmen beispiellos ist, Geld- und Fiskalpolitik in die gleiche Richtung wirken und wir viel mehr direkte Transferleistungen an den Privatsektor gesehen haben." Auf mittlere bis lange Sicht werde uns das Thema Inflation deshalb schon begleiten.
Dafür spricht seiner Ansicht nach noch ein anderer Punkt: nämlich der gigantisch hohe und immer weiter wachsende Schuldenberg der Staaten. "Eine Möglichkeit, diese Schulden real zu reduzieren, ist ein inflationäres Umfeld. Zugleich aber können die Notenbanken wegen der hohen Verschuldung die Zinsen nicht schnell und deutlich anheben", erklärt er. Deshalb sollten Anleger im Schnitt auf die mittlere bis lange Sicht mit einer höheren Inflation rechnen.
Zinsanlagen wie Sparbücher lohnen sich künftig noch weniger
"Das Problem daran ist, auch wenn die Teuerung nur bei moderaten zwei oder drei Prozent liegt, dass dadurch die Realzinsen, also Nominalzins abzüglich Inflation, noch negativer werden", erläutert Wagner. "Und damit verlieren Zinsanlagen wie Sparbücher oder Bankeinlagen schnell an Kaufkraft."
In einem solchen Umfeld ist es ratsam, sich stärker auf Sachwerte zu konzentrieren. "Deren Preise, so die Idee, steigen zusammen mit der Inflationsrate", erklärt der Experte. Deshalb sind Aktien, Immobilien, Edelmetalle oder Rohstoffe für Anleger, die mit steigenden Preisen rechnen, eine gute Alternative (Vgl. auch Infobox). Angst vor Inflation oder gar Panik sind also unbegründet. "Vielmehr bietet ein Inflationsszenario auch Chancen. Anleger müssen sie nur nutzen", resümiert Steinbeis (siehe Interview).
"Mit breiter Streuung und Qualität von Inflation profitieren"
Markus Steinbeis von der Steinbeis & Häcker Vermögensverwaltung erläutert, wie er ein Depot auf einen möglichen Anstieg der Inflationsraten ausrichtet.
Was raten Sie Anlegern, die sich gegen einen Anstieg der Inflation schützen wollen?
Grundsätzlich ist es in einem solchen Umfeld besser, Eigentümer als Gläubiger zu sein. Wenn Sie Ihr Geld in eine Anleihe investieren oder als Spareinlage verleihen, dann werden Sie nicht nur durch die Inflation und die negativen Realzinsen enteignet. Sondern das Geld ist auch weg, wenn der Schuldner Konkurs geht. Also ist es grundsätzlich besser, Eigentümer einer Immobilie oder Teilhaber an einem Unternehmen zu sein.
Worauf gilt es bei Aktien zu achten?
Aktien sollten an einem Portfolio 40 oder 50 Prozent mindestens ausmachen. Wichtig ist dann, in Unternehmen zu investieren, die Preisgestaltungsmacht haben und steigende Inputkosten weitergeben können. Das war zwar schon immer gut, in dem neuen Umfeld ist das aber zwingende Voraussetzung. Firmen, die reine Kostenführer sind, werden es schwerer haben.
Zu welchen Alternativen raten Sie noch?
Immobilien gehören dazu, ich würde sie aber nicht zu stark gewichten, da sie in einigen Regionen schon sehr teuer und durch regulatorische Maßnahmen gefährdet sind. Eine Alternative sind REITs, also börsennotierte Immobilienunternehmen. Dazu sollten Edelmetalle und Rohstoffe eine Rolle spielen, wobei beides direkt oder über entsprechende Aktien umgesetzt werden kann. Und schließlich setzen wir auf ausgewählte Fremdwährungsanleihen. Insgesamt, und das gilt für alle Anlagen, sind eine breite Streuung und Qualität in einem inflationären Umfeld entscheidend.
Die wichtigsten Anlagevehikel gegen Inflation
Sachwerte stellen die wichtigsten Assetklassen in einem inflationären Umfeld dar. Dazu zählen Aktien, Immobilien, Rohstoffe aller Art, aber auch Investitionen in nicht börsennotierte Firmen, also Private Equity, Infrastruktur oder Sammlerobjekte wie Uhren, Kunst oder Oldtimer.
Ein Risiko stellen jedoch steigende Zinsen dar, mit denen die Notenbanken unter Umständen eine zu hohe Inflationsrate bekämpfen. "Geschieht das, dann werden Anleihen dadurch attraktiver und können zu einer Konkurrenz für Aktien und andere Sachwerte werden", sagt Burkhard Wagner von der Partners Vermögensmanagement AG. Dort können bei einem stärkeren Zinsanstieg folglich Kursverluste drohen. Wer damit rechnet, sollte deshalb nicht ganz auf festverzinsliche Wertpapiere im Portfolio verzichten. "Mit variabel verzinsten Papieren, inflationsindexierten Anleihen oder Anleihen mit kurzer Laufzeit gibt es hier aber auch einige Optionen", so der Experte.