Kostenexplosion bei privaten Krankenversicherungen Private Krankenversicherung: Was tun gegen steigende Beiträge?

Seit Jahren steigen die Belastungen für Versicherte in der privaten Krankenversicherung. Die Beiträge 2017 sollen deutlich angehoben werden. Gibt es ein Ende der Beitragsexplosion? Wie können sich Versicherte schützen?

Michael Krabs

Die Beiträge bei den privaten Krankenversicherungen steigen immer weiter. - © Monkey Business/Fotolia.com

Es gibt Briefe, über die sich wohl niemand freut. Aufforderungen vom Finanzamt, Bußgelder für falsch geparkte Autos oder Rechnungen der GEZ dürften bei vielen oben auf der Liste stehen. Für Kunden privater Krankenkassen werden die Schriftstücke ihrer Versicherungsgesellschaften mittlerweile ebenfalls dazu gehören. Immerhin steigen die Beiträge seit vielen Jahren überdurchschnittlich. Laut IGES-Institut um 55 Prozent von 1997 bis 2009. Das sind durchschnittlich etwa 4,5 Prozent pro Anno. Jetzt ist es wieder so weit. Die nächste Beitragserhöhung steht an. Bei einigen Gesellschaften sind es diesmal über zehn Prozent die ab 2017 dann mehr zu zahlen sind.

Nach Erhalt einer solchen Beitragserhöhungsmitteilung haben Versicherte in der Regel drei Fragen. Erstens: Wie kommt es zu der Kostenexplosion? Zweitens: Kann diese gestoppt werden? Und drittens: Wie kann ich meine monatlichen Beiträge senken oder weitere Erhöhungen künftig zumindest vermeiden? Der Reihe nach…

Warum steigen die Beiträge der privaten Krankenversicherung?

Die erste Frage ist schnell beantwortet: Abgesehen von individuellen Fehlern einzelner Kassen wie ungeschicktes Portfoliomanagement oder ein zu hoher Vertriebs- und Verwaltungsaufwand, steigen die Kosten im Gesundheitswesen durch medizinischen Fortschritt, eine steigende Lebenserwartung und die derzeitigen Niedrigzinsen auf den Finanzmärkten. Hinzu kommt, dass private Patienten oft zu häufig, zu überteuert oder zu aufwendig behandelt werden und die privaten Kassen aufgrund ihrer geringeren Marktmacht mitunter weniger attraktive Rabatte bei den Medikamenten aushandeln als die gesetzlichen Krankenkassen.

Werden die Beiträge der privaten Krankenversicherung auch künftig weiter steigen?

Ein Ende der Beitragserhöhungen ist leider nicht in Sicht. Die demografische Entwicklung dürfte sich auch in den nächsten Jahren weiter zuspitzen. Dies bedeutet: Weniger junge, gesunde "Einzahler" treffen auf immer mehr ältere, oft behandlungsintensive Versicherte. Dieses Problem haben die gesetzlichen Kassen allerdings auch.

Private Krankenkassen haben darüber hinaus mit dem Problem zu kämpfen, dass der medizinische Fortschritt immer teurere Behandlungsmethoden hervorbringt, von denen die Versicherten der privaten Kassen nicht ausgeschlossen werden sollen. Schließlich ist es für viele Mitglieder eines der Hauptargumente für die "Private", dass sie jede erdenkliche medizinische Unterstützung im Ernstfall erhalten können.

Leider kann dies dazu führen, dass Ärzte aufwendige Leistungen auch dann abrechnen, wenn diese gar nicht erforderlich sind. Hinzu kommt, dass die meisten Privatkassen sogenannte Tarifgruppen bilden. Wird eine Gruppe geschlossen, so überaltert diese mit der Zeit. Es kommen keine jungen, gesunden Neuzugänge mehr hinzu und es wird dadurch teurer. Im Gegensatz zur gesetzlichen Krankenkasse ist die private Kasse keine Solidargemeinschaft. Die Bildung von Tarifgruppen ermöglicht günstige Einstiegsangebote für junge Versicherte.

Zu Letzt wird auch das System der Altersrückstellungen in der privaten Krankenversicherung für weitere Beitragserhöhungen sorgen. Die Privatkassen sind gesetzlich verpflichtet, einen Teil der gezahlten Prämien am Kapitalmarkt anzulegen um damit einen Kapitalstock aufzubauen, der ein im Alter steigendes Prämienniveau mindern soll. Diese Altersrückstellungen werden jahrzehntelang mit 3,5 Prozent pro Jahr verzinst. Mehr als 170 Milliarden Euro an Altersrückstellungen wurden bisher auf diese Weise angelegt. Eigentlich ein satter Pluspunkt für die privaten Kassen, der in den letzten Jahren aber zunehmend zum Bumerang wurde.

Angesichts der niedrigen Zinsen auf den Kapitalmärkten, gelingt es einigen Gesellschaften nicht mehr, den bisherigen Mindestzins von 3,5 Prozent zu erwirtschaften. Manche privaten Kassen haben den Mindestzins daher bereits auf 2,75 Prozent abgesenkt. In diesem Fall müssen steigende Beiträge der Versicherten den Kapitalstock bilden, da die 3,5 Prozent pro Jahr zwingend zurückgelegt werden müssen. Auch der sogenannte Überzins leidet seit Jahren unter Schwindsucht. Hierbei handelt es sich um den erwirtschafteten Zinsanteil, der über die garantierten 3,5 Prozent hinausgeht. Für die Versicherten bedeutet dies nichts Gutes: Denn je weniger Zinsen die Versicherungen erwirtschaften, desto höher werden die Beiträge steigen.

Was können privat Versicherte tun?

Die radikalste Methode, um den Beiträgen einer privaten Krankenkasse zu entkommen, wäre der Wechsel in die gesetzliche Krankenversicherung. Dieser Schritt ist den meisten Versicherten jedoch verwehrt. Er kann nur gelingen, wenn man als Angestellter (Voll- oder Teilzeit mit >50 Prozent der geleisteten Arbeitszeit im sozialversicherten Bereich) arbeitet oder wenn man arbeitslos gemeldet ist. Fraglich ist zudem, ob ein Wechsel überhaupt sinnvoll ist. Schließlich haben sich viele Kunden ganz bewusst für eine private Krankenkasse entschieden, beispielsweise weil sie im Ernstfall die besten Behandlungsmethoden erhalten wollen. Was also dann tun?

Der erste Schritt wäre, das Gespräch mit der eigenen Versicherungsgesellschaft zu suchen. Oft gibt es günstigere Tarife mit vergleichbaren Leistungen. Die Kassen bringen von Zeit zu Zeit neue Tarife auf den Markt, die attraktive Konditionen bieten. Die Versicherung kann den Wechsel in Tarife mit höherem Leistungsumfang ablehnen, nicht jedoch den Wechsel in "gleichartige Tarife".

Doch auch der Wechsel in andersartige Tarifgruppen kann gelingen. Zum Beispiel indem  Mehrleistungen vertraglich ausgeschlossen werden oder eine erneute Gesundheitsprüfung abgelegt wird (was natürlich nur für sehr gesunde Menschen empfehlenswert ist).

Ein großer Vorteil des Tarifwechsels innerhalb der eigenen Kasse ist, dass die erzielte Altersrückstellung mitgenommen wird. Wenn Ihre Kasse einen Wechsel verweigert, können Sie es mit "sanftem Druck" versuchen. Beispielsweise indem Sie mit dem Wechsel zur Konkurrenz drohen. Das macht Sinn, wenn Sie keine chronischen Erkrankungen oder weitere Versicherungen bei der gleichen Gesellschaft haben.

Natürlich möchten die Kassen vermeiden, dass zu viele Altmitglieder in jüngere Tarifgruppen wechseln. Denn die günstigen Einstiegspreise dienen oft dazu, neue Mitglieder anzulocken. Zu viele Kunden möchten die Kassen allerdings auch nicht verlieren. Wer etwas nervt hat am Ende vielleicht Erfolg. Deshalb gilt: Vergleichen Sie die Angeboten, so lange Sie gesundheitlich fit sind. Ein späterer Wechsel wird immer schwerer.

Eine weitere Möglichkeit, um monatliche Kosten zu sparen, wäre der Wechsel in eine andere private Kasse. Wer eine Beitragserhöhung erhält, hat eine Frist von zwei Monaten, in denen er seinen Versicherungsvertrag aufkündigen kann. In diesem Fall verlieren Sie zwar die angesparten Altersreserven und müssen einen erneuten Gesundheitscheck über sich ergehen lassen, können aber die Tarife aller 48 PKV-Unternehmen vergleichen. Das kann sich durchaus auszahlen, denn die Beiträge, Konditionen und die interne Kostenstruktur der Kassen unterscheiden sich zum Teil gewaltig. Empfehlenswert ist dies vor allem für Kunden, die noch nicht allzu lange bei einer Versicherungsgesellschaft sind und daher keine hohen Altersrückstellungen angespart haben.

Einzelne Tarife oder gleich die ganze Kasse wechseln?

Zwei Monate ab Kündigungserklärung hat man dann Zeit, um eine neue Kasse zu finden. Da in Deutschland eine Versicherungspflicht besteht, muss diese nachgewiesen werden, sonst ist die Kündigung unwirksam. Moderne Preisvergleichsmaschinen im Internet erleichtern die Suche. Bedenken Sie aber, dass die angebotenen Tarife mit der Zeit wieder ansteigen werden.

Weitere Möglichkeiten der Tarifabsenkung sind höhere Selbstbeteiligungen oder die Streichung von Leistungen. Ein höherer Selbstbehalt kann zu deutlich verringerten Monatsbeiträgen führen. Dieser Schritt sollte aber wohl durchdacht werden. Denn im Ernstfall muss der höhere Selbstbehalt auch geleistet werden können. Den Eigenbeitrag später wieder zu reduzieren ist nur schwer möglich. Eine Idee ist es, rund 5.000,00 bis 10.000,00 Euro für den Notfall anzusparen und dann den Selbstbehalt deutlich zu erhöhen. Im Ernstfall können teure Behandlungen dann aus der eigenen Tasche mitfinanziert werden. Im Fall der Nichterkrankung sind die Ersparnisse dann für das spätere Rentenalter.

Auch der Verzicht auf Leistungen kann für monatliche Entlastung sorgen. Benötigen Sie wirklich ein Einbettzimmer im Krankenhaus? Ist die Chefarztbehandlung unbedingt erforderlich? Durch die Streichung einiger Privilegien können Sie schnell 20,00 bis 70,00 Euro pro Monat rausholen. Vergessen Sie dabei aber nicht, dass sie alle Leistungen, die nicht mehr zum Leistungskatalog gehören, später komplett selber zahlen müssen. Den Rotstift hier zu stark anzusetzen, kann daher später teuer werden.

Im äußersten Härtefall gibt es noch die Möglichkeit in den günstigsten Basistarif der Kasse zu wechseln. In diesem Fall reduziert sich der Beitrag mindestens um die Hälfte, da die Sozialbehörde ab sofort einen Teil der Leistungen übernimmt. Dies ist allerdings nur für "hilfsbedürftige Personen" wie etwa Sozialhilfeempfänger oder Bezieher von Grundsicherung und dem Arbeitslosengeld II möglich.