Zum 1. Juli 2023 steigt die Pfändungsfreigrenze beim Arbeitseinkommen. Was beim Pfändungsschutz für Schuldner und deren Arbeitgeber gilt.

Die immer noch wirksamen Folgen der Corona-Krise, steigende Energiepreise und die hohe Inflation belasten viele Menschen finanziell. Die Zahl der privaten Schuldner in Deutschland umfasst allerdings nicht nur diejenigen, die eine Privatinsolvenz anmelden und daher in offiziellen Statistiken auftauchen. Es sind weit mehr Menschen als diejenigen, die sich im Insolvenzverfahren befinden. Wer Schulden tilgen muss, dem bleibt immer ein gesetzlich gesicherter Betrag, den Gläubiger nicht einfordern dürfen. Dieser ist per Gesetz vor einer Pfändung geschützt.
Zum 1. Juli 2023 hebt der Gesetzgeber die Pfändungsfreigrenze an. Außerdem wurde zum Jahresbeginn 2022 die Liste der unpfändbaren Gegenstände erweitert. Das Bundesjustizministerium (BMJV) informiert anhand einer Tabelle über die unterschiedlichen, neuen Pfändungsfreigrenzen.
Wie hoch liegt die Pfändungsfreigrenze und wie stark steigt sie?
Die Pfändungsfreigrenze stieg bisher alle zwei Jahre an und wird an Steigerungen der Lebenshaltungskosten angepasst. "Seit dem Jahr 2021 erfolgt die Anpassung jährlich zum 1. Juli", erklärt dazu Silke Rey von der Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen. Sie ist Juristin und Expertin, wenn es um das Thema Entschuldung geht. Die Änderung der Freigrenze erfolgte gemäß § 850c Abs. 4 S. 2 der Zivilprozessordnung (ZPO).
Seit der letzten Anpassung im Juli 2022 liegt die Pfändungsfreigrenze bei 1.330,16 Euro pro Person an unpfändbarem Arbeitseinkommen. Sie steigt zum 1. Juli 2023 um über 70 Euro. Konkret bedeutet das auf einen unpfändbaren Betrag von 1.402,28 Euro. Dieser gilt allerdings für einen Schuldner ohne Unterhaltspflichten.
Hat ein Schuldner Unterhaltspflichten zu leisten, steigen die Freigrenzen nach Anzahl der Kinder an. "Der Erhöhungsbetrag für die erste Unterhaltspflicht steigt von 500,62 Euro auf 527,76 Euro; für die zweite bis fünfte Unterhaltspflicht von 278,90 Euro auf 294,02 Euro", sagt Silke Rey.
Abzulesen sind die Beträge auch in einer Tabelle, die im Bundesgesetzblatt veröffentlicht ist.>>>
Was gilt noch beim Pfändungsschutz?
Schon seit 2022 greifen Neuerungen, mit denen der Gesetzgeber den Pfändungsschutz ausgeweitet hat. Sie betreffen die Liste der unpfändbaren Gegenstände, die jeder Schuldner besitzen darf. Diese Liste umfasst Gegenstände der "bescheidenen Lebensführung". Damit sind Gegenstände gemeint, die man zum normalen Leben und Arbeiten benötigt – keine Luxusgüter. Welche Gegenstände unpfändbar sind, ist grundsätzlich in § 811 ZPO geregelt.
Die Liste wurde insofern ausgeweitet, dass nun auch die Gegenstände aller mit dem Schuldner im selben Haushalt lebenden Personen vor einer Pfändung geschützt sind. Außerdem wurde eine "Unpfändbarkeit von Haustieren" hinzugefügt. Daneben greifen seit dem 1. Dezember 2021 im Zuge des sogenannten Pfändungsschutzkonto-Fortentwicklungsgesetz (PKoFoG) Ergänzungen – namentlich für Schulbücher und Kultusgegenstände.
Welche Gegenstände sind unpfändbar?
Aufgrund der umfassenden Änderungen in Bezug auf die unpfändbaren Gegenstände war eine Neufassung des Paragraphen der ZPO (§ 811) nötig. Damit ergibt sich, dass grundsätzlich Folgendes nicht der Pfändung unterliegt:
Sachen, die benötigt werden:
- für eine bescheidene Lebens- und Haushaltsführung,
- für eine Erwerbstätigkeit bzw. Aus- oder Fortbildung,
- aus gesundheitlichen Gründen und
- zur Ausübung von Religion und Weltanschauung.
Zu den Gegenständen gehören unter anderem:
- Gartenhäuser, Wohnlauben oder ähnliche Einrichtungen
- Bargeld
- Unterlagen, zu deren Aufbewahrung eine gesetzliche Verpflichtung besteht
- private Aufzeichnungen, durch deren Verwertung in Persönlichkeitsrechte eingegriffen wird
- öffentliche Urkunden, die für Beweisführungszwecke benötigt werden
- Trauringe, Orden und Ehrenzeichen
- Tiere, die
- nicht zu Erwerbszwecken gehalten werden [Haustiere]
- für die Ausübung einer Erwerbstätigkeit benötigt werden [Nutzvieh] sowie deren Futter und Streu.
Details und Wertgrenzen, die dabei greifen, sind hier nachzulesen.>>>
Beispiele daraus sind:
Für Bargeld gilt (Gerichtsvollzieher können in Einzelfällen abweichende Beiträge festsetzen): Jeder Schuldner (jede natürliche Person) darf Bargeld in einer Höhe von einem Fünftel und jede weitere Person, die mit dem Schuldner in einem Haushalt lebt, darf ein Zehntel des täglichen Freibetrags behalten. Und dies für jeden Kalendertag ab der Pfändung bis zum Monatsende. Dieser Freibetrag liegt bei 57,66 Euro.
Für Sparbeträge bezüglich der Altersvorsorge gilt: Diese unterliegen erst der Pfändung ab einer Höhe von:
- 6.000 Euro bei einem Schuldner vom 18. bis zum vollendeten 27. Lebensjahr.
- 7.000 Euro bei einem Schuldner vom 28. bis zum vollendeten 67. Lebensjahr.
Den Gesamtbetrag von 340.000 Euro darf die Altersvorsorge nicht übersteigen, wenn sie pfändungsfrei bleiben soll.
Wie und warum muss ein Arbeitgeber den Pfändungsschutz beachten?
Die Pfändungstabelle erfasst alle Arbeitseinkommen und pfändbare Sozialleistungen, die zur Auszahlung kommen. Dabei muss ein Arbeitgeber die Freigrenzen beachten, wenn er einen Arbeitnehmer beschäftigt, der sich in einem Insolvenzverfahren befindet oder dessen Arbeitseinkommen gerichtlich gepfändet ist. "Das gilt auch bei schon länger laufenden Pfändungen oder Abtretungen", sagt Silke Rey und fügt hinzu, dass die Grenzen automatisch greifen. Das heißt, dass der Arbeitnehmer dann nur das unpfändbare Einkommen bekommt und der Rest an die Gläubiger geht.
Einen Bescheid darüber bekommen Arbeitgeber vom betreffenden Vollstreckungsgericht zugestellt, den sogenannten Pfändungs- und Überweisungsbeschluss. "Eine Lohnabtretung legen die Gläubiger direkt beim Arbeitgeber offen. Dieser muss sie dann beachten und pfändbares Einkommen auf das benannte Konto überweisen", erklärt die Juristin.
Wichtig zu beachten ist dabei allerdings, dass für Pfändungen, bei denen ein Gericht oder ein vollstreckender öffentlicher Gläubiger den unpfändbaren Betrag individuell bestimmt, die neuen Pfändungsfreigrenzen leider nicht automatisch wirken. "Hier muss der Arbeitnehmer möglichst schnell beim Vollstreckungsgericht beantragen, dass der Beschluss abgeändert wird und die Freigrenzen angehoben werden", sagt Silke Rey. Als Beispiel nennt sie das Finanzamt als öffentlichen Gläubiger: "Hat dieses den Freibetrag per Bescheid bestimmt, muss man bei diesem eine entsprechende Änderung beantragen."
Was ist ein Pfändungsschutzkonto und was gilt dabei?
Wer seine Schulden nicht mehr zurückzahlen kann, kann einen Freibetrag auf seinem Bankkonto schützen durch ein sogenanntes Pfändungsschutzkonto (P-Konto). Dabei wird das normale Girokonto auf Verlangen des Kontoinhaber um die Zusatzfunktion "Pfändungsschutz" erweitert und überschuldete Verbraucher können weiter am normalen Zahlungsverkehr teilnehmen. Man kann aber auch ein neues P-Konto eingerichten, das nur auf Guthabenbasis geführt ist. Was dabei im Detail gilt, hat die Verbraucherzentrale NRW in einem ausführlichen "Fragen und Antworten zum Pfändungsschutzkonto" zusammengestellt.>>>