Der Beruf des Drechslers und Holzspielzeugmachers ist ein eher unbekannter in der Öffentlichkeit. Die Branche aber erlebt gerade einen besonderen Neustart. Wie die Rückvermeisterung dem Drechslerhandwerk nutzt und was künftige Azubis erwartet – ein Handwerksmeister und Berufsschullehrer berichtet.

Wolfgang Miller ist schwer in diesen Tagen zu erwischen. Wenn man Glück hat erreicht man den Berufsschullehrer und Drechslermeister telefonisch und auch dann hört man statt seiner Stimme erst einmal Maschinen rattern. Es ist Schuljahresende und gleichzeitig die Zeit kurz vor dem Betriebsurlaub. "Moment, ich lasse das Werkstück noch schnell durchlaufen und dann gehe ich ins Büro", sagt er und auf dem Weg dorthin gibt er seinem Azubi noch schnell einen Hinweis, wie er weitermachen soll. Wolfgang Miller hatte in seinem Betrieb im unterfränkischen Maßbach in den vergangenen Jahren immer drei Lehrlinge – in jedem Lehrjahr einen. Doch das ist nicht der Regelfall in seinem Gewerk. Wie in anderen Branchen auch, fehlen den Drechslern Nachwuchskräfte.
Seit der Rückvermeisterung 2020 ist das Drechslerhandwerk dennoch positiv gestimmt. Deutlich zeichnet sich ab, dass der Beruf des Drechslers und Holzspielzeugmachers wieder eine stabile Zukunft in Deutschland hat. Wolfgang Miller spürt dies vor allem dann, wenn er vor seinen Schülern steht und unterrichtet. Der Drechslermeister ist auch Berufsschullehrer. Seit diesem Jahr kann er seit langem auch wieder angehende Meister begleiten. In der Berufsschule in Bad Kissingen gibt es seit vielen Jahren nun endlich wieder einen Meisterkurs. In ersten Halbjahr 2021 haben ihn bereits fünf neue Handwerksmeister bestanden.
Drechslerhandwerk nach der Rückvermeisterung: "Eine Generation Meister fehlt"
Für die vergleichsweise kleine Handwerksbranche ist dies ein großer Erfolg. Rund 2.000 Betriebe gibt es in Deutschland. Als die Meisterpflicht im Jahr 2004 weggefallen war, hatten viele Drechsler keinen Sinn mehr im Ausbilden gesehen. "Aber viele haben die Folgen nicht bedacht", sagt Wolfgang Miller. Nun fehle eine ganze Generation von Meistern. Jetzt zum Start des neuen Ausbildungsjahr sieht die Branche dennoch positiv in die Zukunft. Die Azubi-Zahlen steigen wieder.
Auf die Frage, wo man die Werkstücke sehen kann, die aus Handwerksdrechslereien kommen, stellt Miller gleich eine Gegenfrage: "Was sehen Sie um sich herum, das aus Holz ist?" – Schon relativiert sich die Frage, denn die Griffe am Schrank und die am Springseil, das Treppengeländer und der Pinsel im Bad sprechen für sich. Holzspielzeug, Zusatzteile für Musikinstrumente, Flaschenverschlüsse, Hilfsmittel der Ergotherapie und komplette Kleinmöbelstücke.
Ein Teil der Branche arbeitet vor allem kunsthandwerklich. "Das sind meist sehr kleine Werkstätten, die dann auf Märkten verkaufen oder gezielt für Ausstellungen produzieren, für Museen", sagt der Drechslermeister. Der andere und weitaus größere Teil der Betriebe arbeitet als Zulieferer für verschiedenste andere Branchen. Da seien Werkstücke in der Menge von einem bis zu 100.000 gefragt.

Drechslerhandwerk: Nachhaltige Materialien sind gefragt
Zwar steht die Branche aus im Wettbewerb mit Konkurrenzherstellern aus China und bei günstigen Produkten wie Pinselstielen aus dem Baumarkt oder Bürstengriffen auch mit Drechslereien aus Osteuropa. Wenn es allerdings um hochwertige Holzprodukte geht, ist die Auftragslage in den meisten Betrieben hierzulande sehr gut. "In letzter Zeit geht die Nachfrage auch viel mehr in die Richtung Nachhaltigkeit. Die Kunden wollen genau wissen, wie wir arbeiten und sie wollen nachhaltige Materialien", sagt Wolfgang Miller und ergänzt: "Wenn ich alleine die Aufträge anschauen, die gerade hier auf meinem Schreibtisch liegen, kann man die Zukunftsaussichten unserer Branche aktuell nur als gesichert beschreiben."
Dafür sei der Anstieg der Ausbildungsbereitschaft und damit auch wieder ein verstärkter Austausch zwischen Jung und Alt in seinem Gewerk umso wichtiger. "Wir profitieren stark voneinander", sagt Miller und erzählt von Situationen, wo er von seinen Azubis zwischendurch dazu gebracht wird, Arbeitsabläufe im Betrieb zu überdenken und sich auch neue Entwicklungen in der Gestaltung vor Augen zu führen. Grundlagen des technischen Herangehens und auch der Gestaltung gibt der erfahrene Handwerksmeister dagegen gerne an die neue Generation weiter. Um sich auch immer wieder mit anderen Betrieben der Branche auszutauschen, schätzt Wolfgang Miller den aktiven Kontakt zur Drechsler-Innung.
Was macht die Ausbildung im Drechslerhandwerk aus?
Technik und Gestaltung sind das, was der Berufsschullehrer was die Mischung ausmachen, die die Arbeit im Drechslerhandwerk bestimmen. An beidem sollten Azubis Interesse haben. Und das bedeutet heutzutage auch, dass nicht mehr nur an der Werkbank gearbeitet wird. Entwürfe und später die Zeichnungen für die Werkstücke werden erst einmal digital erstellt mit CAD- und Grafikprogrammen so lange bearbeitet, bis alles bereit ist für die Praxis. In der öffentlichen Diskussion um den Lehrlingsmangel der Branche werde zwar manches Mal die Automatisierung als Grund genannt, also dass die Digitalisierung weniger Ausbildung nötig mache. Das hält Wolfgang Miller aber für Quatsch. Denn, es sei belegbar, dass alle Auszubildenden aus den Betrieben kommen, die technisch hervorragend ausgestattet sind.

Die Praxis unterschätze aber so mancher neue Drechsler. Das Gestalten mit dem Holz und der Blick für eine gute Form verlangen Übung und so wundert sich Miller manches Mal, dass immer mehr Gesellen gleich nach dem Abschluss eine Selbstständigkeit anstreben statt sich erst einmal abgesicherter auszuprobieren und zu lernen.
Drechslerhandwerk: Technisches Verständnis und Formgefühl
Er selbst hat die Werkstatt seines Vaters im Jahr 1992 übernommen und hat sich dann für das zweite Standbein des Berufsschullehrers entschieden, um Wissen weitergeben zu können. Beim Unterricht in den Drechslerfachklassen schätzt er es vor allem, dass er die Schüler sehr individuell betreuen kann. "Wir haben kleine Klassen und so kann jeder auch sein ganz eigenes Profil entwickeln", so Miller.
Dennoch erfordere es heute viel Flexibilität von den Lehrlingen einen passenden Ausbildungsbetrieb zu finden. Denn Drechslereien findet man nicht in jedem Ort. Fast immer ist ein Ortswechsel mit dem Start der Ausbildung verbunden. Jugendliche, die Interesse daran haben, eine Ausbildung im Drechslerhandwerk zu absolvieren, gibt der Berufsschullehrer ein paar Eigenschaften an die Hand, die sie mitbringen sollten: feinmotorische Fähigkeiten, technisches Verständnis, Kopfrechnen, Merkfähigkeit, Textverständnis und vor allen ein Formgefühl. "Im Grunde genommen ist die Drechslerei ein Hightech-Beruf", sagt Miller.
Drechslerhandwerk ist Immaterielles Kulturerbe
Im Jahr 2019 hat das Expertenkomitee der deutschen Unesco-Kommission in Berlin die Aufnahme des Drechslerhandwerks ins bundesweite Verzeichnis des Immateriellen Kulturerbes beschlossen. Es ist damit eine von bislang nur 97 hier eingetragenen "lebendigen Kulturformen". Mehr dazu erfahren Sie hier.>>>