Einkaufen wird immer teurer. Verbraucher und Betriebe im Lebensmittelhandwerk bekommen das besonders zu spüren, da die Preise für Nahrungsmittel extrem schwanken. Das Getreideangebot wird nach Ausgabe des deutschen Bäckerverbands knapper und auch bei Kakao und Kaffee ist keine Stabilität zu sehen. Schuld sind unter anderem die anhaltenden Spekulationen an den Börsen auf Agrarrohstoffe. Ein Bündnis unter dem Motto "Mit Essen spielt man nicht!" fordert Finanzminister Schäuble nun auf, sich für stärkere Regulierungen an den Warenterminbörsen einzusetzen.
Jana Tashina Wörrle
Die Fastenzeit ist gerade vorbei und wenn die Deutschen nun wieder kräftig zubeißen, müssen sie beim Einkauf tief in die Tasche greifen. Die Preise für Lebensmittel sind weltweit im dritten Monat in Folge gestiegen. Aber auch die Betriebe im Lebensmittelhandwerk müssen beim Einkauf draufzahlen. Das Bäckerhandwerk spricht davon, dass die Kostensteigerungen für Rohstoffe zunehmend zur Herausforderung werden und deshalb auch die Preise steigen.
"Preise haben sich fast verzehnfacht"
Als Grund dafür nennt der Präsident des Verbands, Peter Becker, das knapper werdende Getreideangebot. Schuld daran sei unter anderem der subventionierte Anbau schnell nachwachsender Energiepflanzen für Agrokraftstoffe, also dass der Anbau von Mais und anderen Pflanzen zum Betreiben der Biogasanlagen Vorrang hätte vor dem Anbau von Nahrungsmitteln. Hinzu kämen aber auch Spekulationen mit Rohstoffen an der Börse, die die Preise künstlich nach oben treiben.
Die Rohstoffpreise sind nach Aussage von Hubert Weber, Manager beim Lebensmittelkonzern Kraft-Foods, seit Anfang des vergangenen Jahres um 35 Prozent gestiegen. "Das liegt vor allem an Finanzinvestoren, die immer mehr Geld in die Rohstoffmärkte pumpen", sagte er im Interview mit dem Tagesspiegel. Bei Kaffee, Kakao, Weizen und Soja hätten sich die Summen, mit denen an den Märkten spekuliert wird, fast verzehnfacht.
Obwohl einige Geldhäuser vor kurzem angekündigt hatten, ihre Investitionen in diesem Bereich zurückzufahren, sprechen einige Börsenblätter weiterhin vom "Jahrzehnt der Rohstoffe". Auch die , Deutsche Bank, die bei den Geschäften mit Agrarrohstoffen ganz vorne mit dabei war, rudert zurück, doch ganz aufgeben möchte sie ihr Engagement hier nach Angaben von Welt Online nicht. Sie ist derzeit nach einigen amerikanischen Banken die Nummer fünf im Rohstoffhandel.
Maßnahmen der Bundesregierung gefordert
Das Zurückrudern kam durch eine Initiative der Organisation Foodwatch zustande, die den Finanzinstituten eine Mitschuld am weltweiten Hunger gegeben hatte. Protest gibt es aber auch weiterhin. So hat ein Bündnis aus verschiedenen Verbänden und Organisationen in dieser Woche eine Aktion unter dem Motto "Mit Essen spielt man nicht!" gestartet. Die Teilnehmer fordern damit, dass sich die Bundesregierung gegen die maßlosen Spekulationen auf Nahrungsmittel einsetzt.
Bundesfinanzminister Schäuble soll sich bei der anstehenden EU-Finanzmarktreform für eine stärkere Regulierungen an den Warenterminbörsen einsetzen. Zusätzlich fordern die Initiatoren mehr Transparenz an den Rohstoffbörsen und ein Verbot für Investmentfonds in diesem Bereich. Dafür sammelt das Bündnis Unterschriften, die sie im Herbst im Finanzministerium abgeben möchten. Mitmachen kann man online.
Mehr Transparenz auf den Warenbörsen fordert auch Manfred Weizbauer, der Hauptgeschäftsführer des Verbands Deutscher Mühlen. Er vertritt das Mühlengewerbe, das Hand in Hand mit den Bäckern arbeitet und somit auch von den Preissteigerungen beim Getreide massiv betroffen ist. Bei einer Handwerksmühle machen die Getreidepreise rund 80 Prozent der Kalkulation aus.
Nach Ansicht von Weizbauer werden die steigenden Preise jedoch durch ganz unterschiedliche weltpolitische Probleme beeinflusst. "Natürlich verstärken die Spekulationen die Trends in der Entwicklung, sowohl nach oben wie auch nach unten", sagt Weizbauer. Durch die damit entstehende n Preisschwankungen werde es für die Betriebe immer schwieriger die Einkäufe der Rohstoffe zu planen. Insbesondere langfristige Verträge sind deshalb mit einem hohen Kostenrisiko verbunden, da sich der Preis ja auch schnell wieder ändern könne. Sie wolle deshalb keiner vereinbaren, werden aber von den Kunden immer häufiger gefordert.
Der Weltmarkt bestimmt die Preise
Für das knappere Getreideangebot und die stetigen Preissteigerungen sind nach Ansicht von Volkswirt Weizbauer vorrangig jedoch Entwicklungen wie die zunehmende Weltbevölkerung und die steigende Nachfrage, der Klimawandel und die oft schwierigen weltpolitischen Verhältnisse zwischen den Anbaustaaten verantwortlich. Alle hätten Einfluss auf die Preise, die immer auf Weltmarktniveau zu betrachten seien. "Auch wenn die Müller fast ausschließlich Getreide aus der Region kaufen, sind sie dabei abhängig von den globalen Preise", erklärt Weizbauer. Seit dem vor ein paar Jahren das EU-Interventionssystem an Bedeutung verloren hat, gäbe es keinen Schutz mehr für die regionalen Landwirte.
Kritisch sieht er aber auch den zunehmenden Anbau von Pflanzen allein für die Energieerzeugung. "Wir haben bei uns so hochwertige Böden und ein gutes Klima, dass es doch schade ist, hier keine Nahrungsmittel anzubauen", sagt Weizbauer. Der Energiepflanzenanbau verteuere nicht nur die Lebensmittelpreise, sondern mache auch die Landschaft und die Natur kaputt, so seine Kritik. "Monokultur statt Biodiversität", beklagt er.
"Monokultur statt Biodiversität" ist aber vielleicht auch das Stichwort, das als neue Herausforderung auf die Handwerksbetriebe grundsätzlich zukommt. Denn die Preissteigerungen können die Betriebe nicht alleine tragen. Sie müssen sie an die Verbraucher weitergeben und diese sind leider nicht immer bereit für Handwerksarbeit mehr auszugeben als für Brötchen und Brot beim Lebensmitteldiscounter. Hier ist ein Umdenken nötig.