Mehr Freitzeit für mehr Fachkräfte Metallbaubetrieb testet die 3-Tage-Woche

Es ist ein radikaler Weg, den Markus Ruf geht. Einer, der polarisiert. Der 42-jährige Betriebswirt ist Geschäftsführer eines Metallbaubetriebs und weiß um die Diskussionen, die sein neues Arbeitszeitmodell auslösen wird. 30 Stunden Arbeit in der Woche – verteilt auf drei Tage. Bei vollem Lohnausgleich.

Armin Zimmermann und Markus Ruf
Armin Zimmermann und Markus Ruf ziehen im Metallbaubetrieb Ruf & Keller an einem Strang. - © HWK KN

Das wirbelt die Arbeitswelt der Handwerker durcheinander, doch Ruf sagt, er müsse umdenken. "Wir finden keine neuen Mitarbeiter mehr." Ingenieure schon, aber keine Metallbauer, Gesellen, die in dem Betrieb in Tengen-Watterdingen mit anpacken und neue Treppen und Balkongeländer zusammenschweißen.

"Freizeit ist ein wichtiger Faktor"

Also hat Markus Ruf mit seinem Team erarbeitet, was den Arbeitsplatz in seinem Unternehmen Ruf & Keller Metallbautechnik attraktiver macht. "Für viele Menschen ist möglichst viel zusammenhängende Freizeit wichtig, in der sie viel unternehmen können. Wir haben geschaut, wie der Betrieb das wirtschaftlich umsetzen kann." Heraus kam eine Sechs-Tage-Woche, während der in der Produktionshalle insgesamt 60 Stunden gearbeitet wird. Zwei Schichten übernehmen im Wechsel jeweils drei Tage. "So können wir die Outputquote steigern und mehr Aufträge annehmen. Zusätzlich verteilen sich unsere relativ hohen Fixkosten – bedingt durch die teuren Maschinen – auf mehr Arbeitsstunden."

Das Handwerk muss sich mehr und mehr den Wünschen der Arbeitnehmer anpassen. Dennis Schäuble, Unternehmensberater der Handwerkskammer Konstanz, sagt, dass es bei ihm immer mehr Anfragen zu alternativen Arbeitszeitmodellen gebe. "Wir haben ein paar Betriebe im Kammerbezirk, die bereits in der Vier-Tage-Woche arbeiten." Es werde viel probiert, damit freie Stellen besetzt werden könnten. Er sieht bei solchen Umstellungen aber auch Konfliktpotential. "Betriebe sollten berücksichtigen, ob das alle Mitarbeiter wollen", rät er.

Bei Ruf & Keller wurden die Mitarbeiter mit ins Boot geholt. Alles ist auf freiwilliger Basis. "Wir geben das nicht von oben vor. Das Team hat das Konzept in Workshops erarbeitet", unterstreicht Ruf. "Es gibt auch Kollegen, die sagen, das ist nichts für mich." Komplett ausgeschlossen von dem Modell seien allerdings die Azubis, die nicht länger als acht Stunden pro Tag arbeiten dürften.

Drei Arbeitstage plus ein Erholungstag

Doch ob 30- oder 40-Stunden-Woche – der Lohn ist in beiden Modellen gleich. Ebenso der Urlaubsanspruch von 25 Tagen. Was sich ändert: "Das System sieht keine Überstunden mehr vor. Nach zehn Stunden ist Schluss." Damit bei Ruf & Keller in den 30-Stunden-Rhythmus gestartet werden kann, muss sich die Mannschaft in der Produktion von acht auf mindestens 16 verdoppeln. Dann soll es im Oktober losgehen. Bei nur drei langen Arbeitstagen und einem zusätzlichen Erholungstag bleibt viel mehr Zeit für die Familie. Jede zweite Woche sind im neuen Modell sieben Tage am Stück frei.

"Ich denke, dass die Vier-Tage-Woche in ein paar Jahren nichts Besonderes mehr ist. Arbeitgeber müssen weiter umdenken und ihre ‚Ware‘ Arbeitsplatz attraktiver machen", sagt Markus Ruf. Er müsse sich abheben, um die passenden Arbeitskräfte zu bekommen. Das hält Handwerksexperte Dennis Schäuble für realistisch. "Die Jugendlichen setzen meist den Fokus auf ihre Freizeit. Weniger arbeiten für denselben Lohn, das ist schon attraktiv. Stellt aber Arbeitgeber vor große Herausforderungen und ist leider nicht immer ganz einfach umzusetzen."

Eng war die Zusammenarbeit mit einer Rechtsanwältin, damit sowohl für Arbeitnehmer als auch Arbeitgeber keine Nachteile entstehen. "Ich will rechtlich auf der sicheren Seite sein", sagt Ruf. "Wenn jemand doch wieder ins alte Modell wechseln möchte, dann soll das reibungslos funktionieren." Gleiches räumt er sich als Geschäftsführer ein. "Wenn das Unternehmen in finanzielle Schieflage gerät, muss ich jederzeit wieder zurückwechseln können."

Sich rechtlich abzusichern rät bei solchen Vorhaben auch Viola Bischoff, Rechtsexpertin der Handwerkskammer: "Je komplexer die Arbeitszeitmodelle werden, desto mehr muss der Arbeitgeber auf den rechtlichen Rahmen achten." Urlaubsansprüche, Pausenzeiten und Mehrarbeit – all das sollte im Vorfeld geklärt sein.

"Modell ist nicht der Schlüssel für jeden Betrieb"

Armin Zimmermann ist in dem Metallbaubetrieb mit derzeit 20 Mitarbeitern Prokurist und für Produktion und Montage verantwortlich. Er steht hinter dem Modell. "Wir erhöhen die Freizeit unserer Mitarbeiter um durchschnittlich 40 Stunden pro Monat", sagt der gelernte Industriemechaniker. "Wenn ich noch in der Fertigung arbeiten würde, würde ich das auch sofort machen. Leider lässt sich das Modell nicht auf das Büro übertragen." Auch auf der Baustelle sei es schwer umsetzbar. "Das Modell ist nicht der Schlüssel für jeden Betrieb."

Doch Ruf meint, dass solche Vielfalt die Attraktivität des Handwerks stärke. "In unserem Modell arbeitet der Ingenieur mehr als der Geselle in der Produktion", erläutert er. "So kann ein Umdenken stattfinden. Der Nachwuchs sieht, dass ein Studium nicht unbedingt notwendig ist."