Arbeitsrecht Kommunikation im Betrieb: Kein Recht auf freundlichen Chef

Beleidigungen, Schimpfworte und ein rauer Umgang: Das gehört sicherlich nicht zum guten Umgangston. Aber gilt das auch im Arbeitsverhältnis – oder dürfen Chefs in bestimmten Fällen ihren Mitarbeitern auch sehr deutlich die Meinung sagen und Missfallen zum Ausdruck bringen?

Im betrieblichen Umgang gelten gewisse Mindeststandards. Etwa, dass Arbeitgeber verpflichtet sind, das Persönlichkeitsrecht ihrer Mitarbeiter zu achten. - © Gina Sanders - stock.adobe.com

In den Medien wurden unlängst Vorwürfe über den Umgang am Filmset von Till Schweiger diskutiert – welche Rechte haben dabei Arbeitnehmer?

Jenseits vom Rechtlichen gilt zunächst: Ein freundlicher und respektvoller Umgang am Arbeitsplatz ist eine Frage des guten Tons. Überdies dürfte Einigkeit bestehen: Chefs, die in Zeiten des Fachkräftemangels in der Belegschaft ein toxisches Klima verbreiten oder dulden, wirken sich negativ auf die Arbeitgeberattraktivität aus. Das fördert die Mitarbeiterfluktuation und schadet damit dem betroffenen Unternehmen in hohem Maße.

Auch aus einem rechtlichen Blickwinkel gelten gewisse Mindeststandards im betrieblichen Umgang. Denn den Arbeitgeber trifft die Nebenpflicht aus dem Arbeitsverhältnis, auf die Rechtsgüter seiner Beschäftigten Rücksicht zu nehmen. Danach sind Arbeitgeber verpflichtet, auch das Persönlichkeitsrecht ihrer Beschäftigten zu achten.

Keine Beleidigungen, aber auch kein Recht auf Freundlichkeit

Anschreien oder Beleidigen sind tabu. Auch im Arbeitsverhältnis. Andererseits gibt es aber kein Recht auf einen netten oder besonders freundlichen Chef. Gleiches gilt für Smalltalk oder Interesse des Chefs an privaten Dingen des Arbeitnehmers. Auch dies kann der Arbeitnehmer nicht verlangen. Geschuldet ist ein beruflich-professioneller Umgang. Nicht mehr, aber auch nicht weniger.

Im Einzelfall: Schadensersatz wegen Diskriminierung

Bei extremen Verhaltensweisen wie etwa Diskriminierungen aufgrund des Geschlechts durch anzügliche Kommentare oder der ethnischen Herkunft können Mitarbeitern zudem Ansprüche nach dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz (AGG) entstehen. Im Falle einer solchen Diskriminierung kann der Mitarbeiter auch Ansprüche auf Entschädigung geltend machen und gerichtlich den Arbeitgeber zum Einschreiten beziehungsweise zur Unterlassung der Diskriminierungen verpflichten.

In Ausnahmefällen darf der Arbeitnehmer seine Arbeit einstellen und weiterhin den Lohn beanspruchen. Dieses Zurückbehaltungsrecht ist aber nicht grenzenlos gewährleistet und stellt das letzte Mittel dar. Etwaige Fehleinschätzungen hierbei trägt der Arbeitnehmer. Überdies gilt: Nicht jede unberechtigte Kritik, eine überzogene Abmahnung oder gar eine unwirksame Kündigung stellen bereits ein "Mobbing" dar und berechtigen den Arbeitnehmer zur Arbeitseinstellung.

Rechtswidrige Arbeitsanweisungen müssen aber in keinem Fall befolgt werden. Ein Arbeitnehmer darf sich weigern, unter Verstoß gegen das Arbeitszeitgesetz zwölf Stunden am Stück durchzuarbeiten. Eine solche Weigerung darf vom Arbeitgeber nicht "abgestraft" werden, eine darauf gestützte Kündigung wäre unwirksam.

Faktische Einwirkungsmöglichkeit: Konzern oder inhabergeführter Mittelständler?

Wichtig sind auch die betrieblichen Gesamtumstände: Wird auf toxisches Führungsverhalten unternehmensseitig reagiert oder werden entsprechende Verhaltensweisen von der Organisation geduldet?

Der Manager einer mittleren Führungsebene, der seinerseits gegenüber Vorgesetzten sein Verhalten rechtfertigen muss, unterliegt ganz anderen Zwängen als der Gesellschaftergeschäftsführer eines Mittelständlers, der das Unternehmen allein "regiert". Zwar ist der rechtliche Rahmen identisch, die faktischen Einwirkungsmöglichkeiten unterschieden sich jedoch wesentlich. Bei der Überlegung, wie auf entsprechendes Verhalten der Führungskraft reagiert werden sollte, ist dies ein wichtiger Aspekt, der in die Überlegungen einzubeziehen ist.

Handlungsoptionen für Arbeitnehmer

Arbeitnehmer, die mit solchen Situationen konfrontiert werden, haben verschiedene Handlungsmöglichkeiten. In manchen Fällen empfiehlt sich zunächst das offene Gespräch mit dem Vorgesetzten. Es mag Chefs geben, die ihr Verhalten nicht selbst reflektieren oder vielleicht so handeln, weil sie selbst überfordert sind. Als weitere Eskalation bietet sich an, den nächsthöheren Vorgesetzten oder die Personalabteilung einzuschalten.

Sofern ein Betriebsrat besteht, kann natürlich auch dieser um sein Tätigwerden gebeten werden. Keine gute Idee ist hingegen die sofortige Einschaltung der Behörden. Anzeigen oder Einschaltung von Behörden sind nur ein erlaubtes Mittel, wenn gegen Gesetze verstoßen wird und dringender Handlungsbedarf besteht. Denn zunächst hat die innerbetriebliche Klärung Vorrang. Und: Stets unzulässig ist das Einschalten der Presse, um Missstände aufzuklären oder Druck auf den Arbeitgeber auszuüben. Ein berechtigtes Interesse hieran hat ein Arbeitnehmer nicht.


Prof. Dr. Michael Fuhlrott ist Rechtsanwalt und Fachanwalt für Arbeitsrecht in Hamburg. Er ist Mitglied im VDAA Verband deutscher Arbeitsrechtsanwälte e.V.