TV-Kritik: ARD - "hart aber fair" Kein Handwerk, keine Wirtschaft: Heizungs-Talk gerät zur Farce

Dämm-Vorschriften, Heizungs-Austausch, Verbrenner-Verbot: Viele der aktuellen Vorhaben erregen die Gemüter und rufen Widerstand gegen die Ampel hervor. Die Redaktion von hart aber fair machte sich den "Öko-Umbau mit der Brechstange" zum Thema. Verwundert rieb man sich die Augen, warum bei dem Thema weder ein Handwerks- noch ein Wirtschaftsvertreter auf dem Panel saß. Die Sendung war eine der schwächsten hart-aber-fair-Runden seit Jahren.

Sendung vom 20.03.2023: "Heizen, Dämmen, Autofahren: Öko-Umbau mit der Brechstange?" - © WDR

Kurz vor Schluss der hart-aber-fair-Sendung konfrontierte Moderator Louis Klamroth den anwesenden FDP-Politiker Johannes Vogel mit einem triumphierenden Grinsen im Gesicht mit "einem Vorschlag", den er in Sachen Klimaschutz und CO2-Einsparung für ihn hätte. Die Redaktion blendete ein großes Tempo-120-Schild ein. Es war nicht nur das deutliche Zeichen parteiischer Moderation, sondern damit war die Sendung im Grunde auch auf den Hund gekommen.

Was dann noch folgte, war teils wildes Durcheinandergerede, vor allem der Grünen-Politikerin Katrin Göring-Eckhardt und des FDP-Mannes Vogel. Der machte angesichts des Angriffs des Moderators in leicht aggressivem Tonfall die Rechnung auf, ein Weiterbetrieb der verbliebenen deutschen Kernkraftwerke brächte fünf Mal so viel wie ein Tempolimit. Welt-Journalist Robin Alexander, der bis dato immer wieder versucht hatte, mit analytischen Einschätzungen zu den Hintergründen der Klimapolitik eine sachliche Atmosphäre zu schaffen, sah da wohl auch den Tiefpunkt der Sendung erreicht und schaute erkennbar desillusioniert drein. CSU-Politikerin Monika Hohlmeier hatte zu dem Zeitpunkt schon länger nichts mehr gesagt, und einzig Bestsellerautor Frank Schätzing ließ sich keine Emotionen anmerken, auch wenn die Debatte entglitt.

Keine Praktiker, kein Praxisbezug

Es war ein doch eher kurioses Panel, das die Redaktion von hart aber fair da zum Thema "Heizen, Dämmen, Autofahren: Öko-Umbau mit der Brechstange" zusammengestellt hatte. Kein Handwerker und niemand aus der Wirtschaft durfte an der Talkrunde teilnehmen.

Praxisbezug wurde ausschließlich durch die Zuschauerstimmen und durch Annabell Oelmann, Vorstand der Verbraucherzentrale Bremen, hergestellt. Die Zuschauer schilderten ihre Befürchtungen, durch die von Wirtschaftsminister Robert Habeck geplanten Verbote und Zwangs-Sanierungen finanziell überfordert oder gar kalt enteignet zu werden. Diese Einlassungen waren auch das Eindringlichste am gesamten Talk-Abend. Auch Menschen, die es mit dem Klimaschutz ernst meinen – das kam deutlich heraus – sehen sich vor riesigen finanziellen Problemen.

An einer Stelle kam dann sogar das Handwerk – zumindest indirekt – zu Wort, als nämlich Helmut Bramann, Hauptgeschäftsführer des Zentralverbandes Sanitär Heizung Klima mit den Worten zitiert wurde: "Das von der Politik verkündete Aus für Öl- und Gasheizungen führt gerade zu einem richtigen Nachfrageboom nach fossil betriebenen Brennwertheizungen." Denn weil sie ab 2024 verboten werden sollen, überlegen nicht wenige Bundesbürger derzeit, vorher noch eine neue Gasheizung einbauen zu lassen.

Die Runde hätte an dieser Stelle die Kurve kriegen können hin zu praktisch-technischen Erwägungen, mithin der Frage, wie das alles funktionieren soll abseits von politischem Wünsch-dir-was. Man hätte sich fragen können, wie groß der Aufwand abgesehen vom rein finanziellen wirklich ist, um das Land bei Heizungen und bei der Dämmung in Richtung Klimaneutralität zu bringen. Und wer den Aufwand stemmen soll. Man hätte sich fragen können, ob die Sicht der Grünen auf das Thema vielleicht wirklich, wie Hohlmeier es in einem guten, aber angesichts der allgemeinen Aufregung auch sehr flüchtigen Moment formulierte, "zu eng" ist. Und vielleicht hätte man sich davon ausgehend sogar fragen können, was all die Aufregung in Deutschland denn dem Weltklima bringt, wenn nicht noch viel mehr Staaten weltweit mitziehen.

Plastiksprache, tausendmal gehört

Stattdessen erging sich das Panel – zwar immer wieder wohltuend unterbrochen von dem sich um politische Realitäten kümmernden Robin Alexander, der aber in dem teils wilden Gerede nicht oft durchdrang – im Abstrakten. Da war die Rede von Sondervermögen – also Schulden – die gemacht werden sollten, um die Belastungen zu stemmen. Die alte Leier. Konkretes gab es nicht. Noch ein paar Kostproben der vorherrschenden politischen Stanzen-Sprache gefällig? Ordnungspolitik, womit Göring Eckhardt Verbote zu umschreiben versuchte. Technologieoffenheit. Zertifikatehandel. Ideenwettbewerb. Alles, gerade in der Klimadebatte, schon tausendmal gehört, dürfte sich der Zuschauer gedacht haben.

Die Runde schaffte es nicht, eine gemeinsame Perspektive zu finden, geschweige denn auf konkrete Lösungen zu kommen. Klamroth moderierte mehr schlecht als recht. Ihm gelang es nicht, altbekannte Fahrwasser zu verlassen und hetzte ruhelos von Thema zu Thema. So entstand eine Debatte, wie sie in Sachen Klimaschutz derzeit wohl nur in Deutschland geführt wird. Immer wieder war gerade Göring-Eckardts Statements die todernste Überzeugung zu entnehmen, dass die Geschwindigkeit der Verringerung deutscher CO2-Emissionen die Zukunft des Weltklimas entscheiden könne. "Wir müssen sehr schnell handeln", rief sie mit Blick auf die Zukunft des Planeten aus. "Ich möchte nicht in einem Land leben, wo wir Verwüstungen haben."

"Weltuntergangs-Rhetorik" – und doch noch ein versöhnliches Schlusswort

Auch als Verbraucherschützerin Oelmann schilderte, wie nicht nur Eigenheimbesitzer, sondern auch Mieter von den zu erwartenden Kostensteigerungen im Rahmen der Heizungserneuerungs- und Dämmpflichten betroffen sein würden, war das nicht der Auftakt zur Beantwortung der Frage, ob und wenn ja wie diese Pläne denn überhaupt umsetzbar seien. Vielmehr blieb Göring-Eckardt dabei, ihren Ausführungen in bekannter "Weltuntergangs-Rhetorik" (O-Ton Alexander) Warnungen vor dem baldigen Ende des Planeten in seiner bewohnbaren Form hinterherzuschicken. Vogel von der FDP verteidigte den Widerstand gegen die Habeckschen Pläne mit Verweis auf die altbekannte Technologieoffenheit und forderte, sogenannten E-Fuels stärker zu berücksichtigen. Alexander versuchte zwar, mit seiner analytischen Art Brücken zwischen den Diskutanten zu bauen. Etwa indem er darauf hinwies, dass es doch eine Möglichkeit gewesen wäre, Ampel-intern im Zuge der Zeitenwende sozusagen unter wechselseitiger Aufgabe identitätsstiftender Themen sowohl das Tempolimit als auch die Verlängerung der AKW-Laufzeiten durchzusetzen. Seine Nebenleute waren jedoch erkennbar wenig an irgendeiner Art von Erkenntnisgewinn interessiert. Moderator Klamroth hatte zuvor zudem noch betont, dass er "eine Tempolimit-Debatte und keine Atomkraft-Debatte" führen wolle, was zeigte, dass er den Zusammenhang, den Alexander im Anschluss klug aufdeckte, gar nicht verstanden hatte.

Das Ende der Sendung, es glich dann zusehends einer Farce, zumal es nur um das Ideologie-Thema Tempolimit, aber nicht eine Sekunde lang um das viel zentralere, weil mit etlichen gravierenden Auswirkungen auch auf den Mittelstand behaftete Thema Verbrenner-Verbot ging. Aber das wäre dann wohl wieder zu praxisnah gewesen, die Frage zu erörtern, woher der Strom für massenhaft E-Autos kommen und wie die Ladeinfrastruktur aus dem Boden gestampft werden soll, von den Preisen für E-Autos einmal ganz zu schweigen. Da schwebte man doch viel lieber in höheren Sphären der Weltenrettung.

Nach viel Trara und heißer Luft war es direkt wohltuend und auch ein wenig versöhnlich, dass Autor Schätzing als Schlusswort in seiner ruhigen Art darauf hinwies, dass es viele technologische Möglichkeiten für die Klimawende gebe und deshalb Zuversicht verbreitet "und nicht immer nur Angst" gemacht werden dürfe. Der Glaube indes, dass Klimapolitik bald wieder vom ideologischen auf das Feld der praktischen Vernunft verlagert werden kann, dürfte sich nach dieser in vielerlei Hinsicht misslungenen Sendung bei vielen Zuschauern nicht gerade gefestigt haben.

>>> Die komplette Sendung können Sie sich hier ansehen: Heizen, Dämmen, Autofahren: Öko-Umbau mit der Brechstange?