Der Höhepunkt der fünften Jahreszeit steht vor der Tür. Gefeiert wird auch in vielen Betrieben. Dabei ergeben sich Fragen: Muss der Arbeitgeber seinen Mitarbeitern am Rosenmontag freigeben? Ist Alkohol am Arbeitsplatz erlaubt? Und was ist, wenn der Arbeitnehmer sich nach der Karnevalsfeier krankmeldet? Ein Fachanwalt für Arbeitsrecht gibt Antworten.

Helau, Alaaf, Ahoi – nachdem die Narrenrufe in den letzten Jahren aufgrund von Corona nur wenig bis gar nicht erklangen, darf in diesem Jahr wieder richtig gefeiert werden. Auch viele Chefs wollen sich den Spaß nicht nehmen und gemeinsam mit ihren Mitarbeitern Karneval, Fasching oder Fastnacht zelebrieren. Doch so ausgelassen, wie es im Privaten oft der Fall ist, darf es bei der betrieblichen Karnevalsfeier nicht zugehen. Was am Arbeitsplatz erlaubt ist und was zu weit geht, erklärt Volker Görzel, Fachanwalt für Arbeitsrecht bei HMS.Barthelmeß Görzel Rechtsanwälte in Köln.
1. Müssen Arbeitgebern ihren Mitarbeitern an Rosenmontag freigeben?
An gesetzlichen Feiertagen sind Arbeitgeber dazu verpflichtet, ihre Mitarbeiter von der Arbeit freizustellen. Rosenmontag und Weiberfastnacht/Altweiber sind allerdings keine Feiertage, sondern Brauchtumstage. Dementsprechend besteht für Arbeitnehmer kein Anspruch auf eine Freistellung. Wer feiern will, muss sich also grundsätzlich Urlaub nehmen.
Aber: Arbeitgeber haben durchaus die Möglichkeit, ihren Mitarbeitern als freiwillige Leistung einen halben oder ganzen Tag bezahlt freizugeben. Ausnahmen können zudem bestehen, wenn sich für den Mitarbeiter ein Anspruch auf Freistellung zum Beispiel aus dem Arbeits- oder Tarifvertrag ergibt.
Ein besonderer Fall ist zudem die sogenannte betriebliche Übung. Eine betriebliche Übung entsteht, wenn ein Arbeitgeber mindestens drei Mal in Folge seinen Arbeitnehmern eine Freistellung gewährt. Basierend auf dem Gewohnheitsrecht haben Arbeitnehmer auf Dauer den Anspruch auf eine Freistellung, weil bei der Leistung eine Regelmäßigkeit vorliegt.
Wollen Arbeitgeber eine betriebliche Übung vermeiden und sich offenhalten, ob sie ihren Angestellten an den Faschings- und Karnevalstagen freigeben oder nicht, sollten sie dies ausdrücklich kommunizieren, rät Volker Görzel. Dabei stellt der Arbeitgeber zum Beispiel in einer E-Mail klar, dass es sich bei der Freistellung um eine freiwillige Leistung handelt, die nur für das aktuelle Jahr gilt.
2. Kann der Arbeitgeber nur bestimmten Mitarbeitern an Karneval freigeben?
Liegt eine betriebliche Übung vor, kann der Arbeitgeber diese nicht einseitig rückgängig machen. Und auch für neue Mitarbeiter kann davon keine Ausnahme gemacht werden. "Wenn der gesamte Betrieb von der Freistellung profitiert, dann auch die Neuen", stellt Görzel klar. Möchte der Arbeitgeber einem neuen Arbeitnehmer die Freistellung trotzdem vorenthalten, müsste er mit diesem eine individuelle Regelung im Arbeitsvertrag treffen.
Etwas anders kann der Fall liegen, wenn ein Unternehmen verschiedene Standorte hat und der Arbeitgeber nur denjenigen Mitarbeitern freigeben möchte, die in Karnevalsregionen arbeiten. Zwar liegt in diesem Fall grundsätzlich eine Ungleichbehandlung gegenüber denjenigen Mitarbeitern vor, die fernab von Brauchtum leben. Allerdings gibt es Gerichtsurteile, die eine Sonderbehandlung von Mitarbeitern in Karnevalsregionen aufgrund der überragenden Bedeutung des Brauchturms rechtfertigen (siehe zum Beispiel VG Berlin, Beschl. V. 21.1.2016 62K 19.15). "Das bedeutet, dass die regionale Ungleichbehandlung beim Karneval ausnahmsweise zulässig ist", erklärt der Fachanwalt für Arbeitsrecht.
3. Müssen alle Arbeitnehmer an der betrieblichen Faschingsfeier teilnehmen?
Die Faschingsfeier im Betrieb ist vielerorts Tradition. Während die einen die Feierei kaum erwarten können, verdrehen die anderen schon beim Gedanken daran die Augen. Müssen alle Mitarbeiter am Event teilnehmen? Die Antwort lautet: Ja, wenn der Arbeitgeber klarstellt, dass es sich dabei um eine von ihm organisierte betrieblich veranlasste Veranstaltung handelt und diese während der regulären Arbeitszeit stattfindet. "Wer nicht mitfeiern will, muss also ganz normal arbeiten", so Görzel.
4. Wie viel Alkohol ist am Arbeitsplatz erlaubt?
Dass Alkohol am Arbeitsplatz grundsätzlich verboten ist, ist ein Irrglaube. Der Konsum alkoholischer Getränke ist auch während der Arbeitszeit erlaubt. Aber es gibt Einschränkungen: So darf der Alkoholkonsum die Leistungsfähigkeit im Job nicht beeinträchtigen. Das bedeutet: In geringen Mengen ist Alkohol am Arbeitsplatz durchaus vertretbar. Damit spricht auch nichts gegen ein Glas Sekt oder Bier auf der betrieblichen Karnevalsfeier.
Allerdings gibt es Berufsgruppen bei denen Ausnahmen von diesem Grundsatz gelten, weil dies zum Beispiel im jeweiligen Tarifvertrag geregelt ist. So gilt etwa für Piloten ein striktes Alkoholverbot am Arbeitsplatz.
Und: Der Arbeitgeber hat prinzipiell die Möglichkeit, ein Alkoholverbot in seinem Unternehmen zu verhängen. Ihm unterliegt nämlich das Hausrecht. "Gibt es im Unternehmen einen Betriebsrat, muss der Arbeitgeber diesen jedoch bei der Entscheidung hinzuziehen“, erläutert xxx.
Übrigens: Was für den Alkohol gilt, gilt nicht für Zigaretten. Rauchen in den Betriebsräumen ist grundsätzlich nicht erlaubt, da jeder Arbeitnehmer ein Recht auf einen rauchfreien Arbeitsplatz hat.
5. Kann der Arbeitgeber vorschreiben, dass sich Mitarbeiter zu Karneval im Job verkleiden?
Mit roter Nase hinter der Bäckereitheke, mit Papphütchen an der Maschine: Ob der Arbeitgeber eine Verkleidung am Arbeitsplatz vorschreiben darf, hängt von der konkreten Situation ab, erklärt Görzel. Zulässig kann das zum Beispiel sein, wenn die Kostüme der Mitarbeiter Teil einer Marketingkampagne sind und dies durch eine entsprechende Verordnung begründet ist. Die Empfehlung des Rechtsexperten: Arbeitgeber sollten immer klären, ob eine Verkleidung mit dem Job vereinbar ist. "Bei einer Karnevalsfeier im Betrieb wäre ich bei so einer Vorgabe hingegen sehr vorsichtig", so sein Rat.
6. Und was ist, wenn der Arbeitnehmer verkleidet am Arbeitsplatz erscheint?
Grundsätzlich darf ein Arbeitnehmer am Arbeitsplatz tragen was er möchte. Dementsprechend darf er an Fasching auch kostümiert am Arbeitsplatz erscheinen. Aber Vorsicht: Auch von dieser Regel gibt Ausnahmen, so Görzel: "Bestimmte Berufe erfordern eine verbindliche Kleiderordnung, zum Beispiel die Tätigkeit bei einer Bank, Berufe mit häufigem Kundenkontakt oder Berufe, die das Tragen von Schutzkleidung erfordern."
7. Wie laut darf die Musik an Karneval sein?
Wenn Karneval gefeiert wird, darf Musik als Stimmungsmacher nicht fehlen. Musik ist am Arbeitsplatz grundsätzlich zulässig – wie so oft jedoch mit Einschränkungen. So gilt, dass durch die Lautstärke die Arbeit nicht beeinträchtigt werden und sich das kollegiale Umfeld hierdurch nicht gestört fühlen darf. Und was gilt im speziellen Fall an Karneval – darf die Musik da auch mal lauter sein? Volker Görzel ist der Ansicht: Ja. Der Arbeitgeber müsse in diesem Fall auch mal lautere Musik hinnehmen, vorausgesetzt Mitarbeiter und Kunden fühlen sich dadurch nicht gestört.
8. Ein Kuss auf die Wange, ein abgeschnittener Schlips: Wie viel Narrenfreiheit ist am Arbeitsplatz erlaubt?
Die Krawatte der Männer abzuschneiden, ist eine Karnevalstradition an Weiberfastnacht. Der Brauch soll auf eine Zeit zurückgehen, in der Frauen weit mehr Nachteile besaßen als Männer. Mit dem Akt des Krawatte-Abschneidens raubten sie den "gestutzten" Männern symbolisch einen Teil ihrer Macht. Aber Achtung: Heute kann dieser Spaß durchaus schiefgehen. Gegebenenfalls muss für das Abschneiden der Krawatte Schadensersatz gezahlt werden. Es gibt sogar ein Urteil des Arbeitsgerichts Essens aus dem Jahr 1988 zu solch einem Fall (20 C 691/87). Der Rat des Rechtsexperten: Wer jemandem an Karneval die Krawatte abschneiden will, sollte den Betroffenen unbedingt vorher um Erlaubnis fragen.
Das gleiche gilt übrigens für einen Kuss auf die Wange – in Köln auch "Bützje" genannt. "Wer Kolleginnen oder Kollegen an Karneval ein Bützje geben möchte, sollte davor aktiv Erlaubnis bei der betreffenden Person einholen", erläutert Görzel. Jeder Kuss stellt laut dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz einen Eingriff in die Intimsphäre des Einzelnen dar – auch Karneval setzt dieses nicht außer Kraft. Zudem darf ein gewährter Kuss auch nicht als Aufforderung zu weiteren sexuellen Handlungen gesehen werden. Achtung: Auch anzügliche Witze können vom Gegenüber bereits als grenzüberschreitend wahrgenommen werden. In solchen Fällen obliegt der Arbeitnehmer gegenüber seinen Arbeitnehmern eine Fürsorgepflicht und er muss geeignete Maßnahmen zum Schutz der Betroffenen einleiten. Völlige Narrenfreiheit auf der betrieblichen Karnevalsfeier geht also nicht!
9. Gilt auf der betrieblichen Faschingsfeier der Unfallschutz?
Ja, vorausgesetzt es handelt sich bei der Karnevalsfeier um eine mit offiziellem Charakter. Das bedeutet, der Chef oder die Chefin muss diese in einer Mitteilung offiziell verkündet haben. Zudem muss die Veranstaltung den Gemeinschaftssinn der Belegschaft fördern, für alle Angestellten offenstehen und ein Mitglied der Unternehmensleitung muss teilnehmen, damit der der betriebliche Unfallschutz gilt. Den Versicherungsschutz verliert allerdings derjenige Mitarbeiter, der einen Unfall am Arbeitsplatz erleidet, dabei aber so stark betrunken war, dass seine kognitiven und motorischen Fähigkeiten ausgesetzt haben.
Übrigens: Geht ein Mitarbeiter nach der betrieblichen Karnevalsfeier nicht direkt nach Hause, sondern in die nächste Kneipe, um dort weiter zu feiern, verliert er auf dem Weg dorthin seinen betrieblichen Versicherungsschutz. Dieser greift nur, sollte er einen Unfall auf dem direkten Weg nach Hause erleiden.
10. Darf der Arbeitgeber Fotos von Karneval auf Social Media veröffentlichen?
Das Recht am eigenen Bild regelt § 22 des Kunsturhebergesetzes. Auch die Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) spielt bei der Frage mit ein, ob der Arbeitgeber ein Foto des Mitarbeiters öffentlich posten darf oder nicht. Habe ein Mitarbeiter zu keinem Zeitpunkt zugestimmt, dass Fotos von ihm auf Social Media verwendet werden, dann dürfe der Arbeitgeber dies auch nicht tun. "Ich empfehle Arbeitgebern sich dafür bei ihren Mitarbeitern eine grundsätzliche Zustimmung einzuholen. Das kann man auch automatisch machen, zum Beispiel durch eine entsprechende Anlage im Arbeitsvertrag“, erklärt Görzel. Im Rahmen von Karneval rät er Arbeitgebern trotzdem, Zurückhaltung zu wahren, wenn es um das Veröffentlichen von Fotos der Mitarbeiter bei Social Media geht.
11. Der Arbeitnehmer meldet sich nach der Karnevalsfeier krank. Ist das hinnehmbar?
Der Arbeitnehmer hat beim Feiern über den Durst getrunken und fühlt sich am nächsten Tag außerstande zur Arbeit zu kommen. Muss es der Arbeitgeber hinnehmen, dass sich der Mitarbeiter nun krankmeldet? Ja, wenn dieser sich ordnungsgemäß krankmeldet. Nach § 3 des Entgeltfortzahlungsgesetzes trifft den Arbeitgeber die Pflicht zur gesetzlichen Entgeltfortzahlung in Fällen der unverschuldeten Arbeitsunfähigkeit. "Das gilt auch, wenn zu viel Feierei der Grund dafür ist. Wer verkatert zur Arbeit erscheint und deshalb Fehler bei der Arbeit macht, kann sogar eine Abmahnung riskieren", warnt Volker Görzel. Verboten ist es allerdings, sich krankzumelden und trotzdem Karneval zu feiern. Wer hierbei erwischt wird, muss mit arbeitsrechtlichen Konsequenzen rechnen.