Rechtsprofessor Martin Burgi hat ein Gutachten über die mögliche Ausweitung der Meisterpflicht verfasst. Er glaubt, dass der Gesetzgeber wieder mehr Handwerke zulassungspflichtig machen kann.
Steffen Range

Der Wirtschaftsausschuss im Bundesrat hat Ende November den Antrag des Freistaats Bayern zur "Entschließung des Bundesrates zur Wiedereinführung des verpflichtenden Meisterbriefs in einzelnen nach der Handwerksordnung zulassungsfreien Handwerken“ abermals vertagt.Der Ausschuss wird sich dem Thema wieder in seiner nächsten Sitzung Ende Januar 2019 widmen. Holger Schwannecke , Generalsekretär des Zentralverbands des Deutschen Handwerks (ZDH), kommentierte die Entscheidung: "Das Handwerk unterstützt die Wiedereinführung der Meisterpflicht in zulassungsfreien Gewerken."Der Meisterbrief stehe für Verbraucherschutz, nachhaltiges Unternehmertum und sichere Ausbildung und Fachkräftepotenzial. Wie eine rechtssichere Lösung aussehen kann, prüfe momentan die Bundesregierung. "Von daher ist es richtig, die weiteren Arbeiten der Bundesregierung abzuwarten", so Schwannecke. "Wir erwarten, dass am Ende eine für das Handwerk richtige Entscheidung steht.“ Zur Entscheidungsfindung soll unter anderem ein Rechtsgutachten des Münchner Professors Martin Burgi beitragenDer Jurist hat ausgelotet, inwieweit sich einzelne Gewerke wieder in die Meisterpflicht holen lassen.
DHZ: Herr Professor Burgi, Sie haben ein juristisches Gutachten erstellt, inwieweit zulassungsfreie Gewerke wieder in die Meisterpflicht aufgenommen werden könnten. Eine schwierige Aufgabe?
Martin Burgi: Es war ein juristisch anspruchsvoller Auftrag, weil es darum ging, zahlreiche Berufe in den Blick zu nehmen und Material und Urteile aus vielen Jahrzehnten zu berücksichtigen.
DHZ: Viele Handwerker halten die Novellierung der Handwerksordnung 2004 für einen kapitalen Fehler, weil die Zulassungspflicht in zahlreichen Berufen wegfiel. Wie bewerten Sie diese Reform aus rechtlicher Perspektive?
Burgi: Die Novelle von 2004 war politisch außerordentlich umstritten. Aber das Gesetz ist juristisch nicht angreifbar. Es war eine legitime Entscheidung. Jetzt allerdings stellt sich die Frage, inwieweit der Gesetzgeber von der damaligen Regelung Abstand nehmen kann, weil sich die Rahmenbedingungen geändert haben.
DHZ: Sie meinen, der Gesetzgeber muss mit der Zeit gehen?
Burgi: Er muss selbstverständlich auf Entwicklungen in seiner Zeit reagieren. Im Jahr 2004 war Deutschland mit Massenarbeitslosigkeit konfrontiert. Ein Ziel bestand seinerzeit darin, für Jobs zu sorgen und eine Gründungswelle auszulösen. Heute ist die Lage umgekehrt - vor allem der Fachkräftemangel bringt gewaltige Herausforderungen mit sich, auf die der Staat Antworten geben muss.
DHZ: Sie halten es aus juristischer Sicht also für geboten, die so genannte Rückvermeisterung anzugehen?
Burgi: Ich würde es anders formulieren: Weder Verfassungs- noch Europarecht bieten eine Rechtfertigung, den Griffel nicht zur Hand zu nehmen.Der Ball liegt jetzt im Feld der Politik.
DHZ: Auf welche Knackpunkte im Grundgesetz muss der Gesetzgeber achten?
Burgi: Im Verfassungsrecht geht es vor allem um die Vereinbarkeit der Meisterpflicht mit dem Grundrecht auf Berufsfreiheit. Ein solcher Grundrechtseingriff will gut begründet sein. Hier ist die Rechtslage bei den bisherigen Meisterberufen eindeutig – und übrigens auch in bemerkenswerter Kontinuität durch verschiedene Urteile bestätigt worden, etwa für Friseure, Dachdecker oder Maler. Die bisher zulassungsfreien Handwerke müssen differenziert betrachtet werden.
DHZ: Ist es möglich, die bisherigen Kriterien, also Gefahrgeneigtheit und Ausbildungsleistung, zu ergänzen um neue Kriterien, um eine Meisterpflicht zu begründen?
Burgi: Es ist nicht nur möglich, sondern teilweise auch nötig. Wir haben heute zum Beispiel ein anderes Verständnis von Verbraucherschutz.Der Verbraucherschutz hat an Bedeutung gewonnen und kann als Kriterium hinzugezogen werden, ebenso wie der Umwelt- oder teilweise der Kulturgüterschutz.
DHZ: Sie haben eben auch den Fachkräftemangel angeführt...
Burgi: Tatsächlich sehe ich den Fachkräftemangel als weiteren Legitimationsgrund.Der Gesetzgeber kann sehr wohl das Ziel verfolgen, die duale Ausbildung aufzuwerten und die Ausbilder im Handwerk wirtschaftlich zu stärken, und dies mit einem gesamtgesellschaftlichen Interesse begründen.Der Meisterbrief ist ein Bestandteil, um die berufliche Bildung in kleinbetrieblichen Strukturen zu fördern, aber auch um die Integrationsverantwortung der Wirtschaft zu unterstützen.
DHZ: Droht aus Brüssel juristischer Widerstand gegen eine mögliche Ausweitung der Meisterpflicht?
Burgi: Die Europäische Union hat das Meisterbrieferfordernis nie infrage gestellt. Es kommt aus der Brüsseler Perspektive allenfalls darauf an, wie dies begründet wird. Aber in der Tat ist mit der Verhältnismäßigeitsrichtlinie eine zusätzliche formelle Anforderung dazu gekommen, der man sich wird widmen müssen.
DHZ: Nehmen wir mal an, es fallen tatsächlich wieder mehr Gewerke unter die Meisterpflicht. Was geschieht dann mit bestehenden Betrieben ohne Meister?
Burgi: Wer bisher legal einen Betrieb geführt hat, genießt Bestandsschutz. Niemand verliert etwas, niemandem wird etwas weggenommen. Da sehe ich rechtlich keine Probleme.
Prof. Martin Burgi ist Inhaber des Lehrstuhls für Öffentliches Recht, insbesondere Wirtschaftsverwaltungsrecht, an der LMU München.