Sensoren Internet of Things: Wie Vernetzung im Handwerk funktioniert

Bei der Veranstaltungsreihe "Hackathon Handwerk" werden Anwendungschancen von Sensoren erprobt. Sie zeigen, welches Potenzial im Internet der Dinge steckt.

Steffen Guthardt

Mit einem "intelligenten" Helm lässt sich der Schweißvorgang präziser steuern. - © Ilshat - stock.adobe.com

Handwerker mit Experten und Herstellern zusammenbringen und gemeinsam Ideen für vernetzte Prozesse und neue Produkte entwickeln – das ist das Konzept der Veranstaltungsreihe "Hackathon Handwerk“ des Kompetenzzentrums Digitales Handwerk. Manche der ­Projekte befinden sich noch in der Erprobungsphase, andere bereits im Einsatz. Drei ausgewählte Beispiele, wie Handwerksbetriebe Sensoren gewinnbringend nutzen können.

Wandfeuchte mit Sensor messen

Der Wandfarben- und Lackspezialist Kolorat hat einen Sensor erprobt mit dem sich nach einem Wasserschaden der Trocknungszustand der Wand überwachen lässt. "Handwerker, können erst mit der Sanierung beginnen, wenn die Wand trocken ist. Mit dem Sensor kann ich das ortsunabhängig kontrollieren und muss nicht in regelmäßigen Etappen zum Kunden fahren, um den Feuchtigkeitsgrad vor Ort zu messen“, sagt Sebastian Alt, Geschäftsführer von Kolorat. Zudem wurde ein Wasserdetektor getestet, der den Füllstand des Luftentfeuchters misst, der für die Wandtrocknung genutzt wird. Muss der Behälter ausgetauscht werden, sendet der Sensor z.B. eine SMS an den Handwerker. Alt kann sich gut vorstellen, einen solchen Sensor künftig in der Praxis zu nutzen. Allerdings bräuchte es Partner aus der Industrie, um so ein Produkt realisieren zu können. Diverse andere Sensoren nutzt der Betrieb hingegen schon, etwa zur automatischen Befüllung der Farbeimer.

Holztisch bittet um Ölpflege

Die Möbeltischlerei Holzgespür hat einen intelligenten Holztisch ­getestet. Sensoren messen die Feuchte des Holzes, die Raumtemperatur und die Luftfeuchtigkeit. Auch der Lärmpegel wird erfasst, um ­Hinweise auf die Häufigkeit der Nutzung zu bekommen. So lässt sich der ­Verschleiß des Materials bestimmen und die ­Besitzer werden rechtzeitig ­informiert, wenn eine Holzpflege nötig ist. Trotz der Vorteile der ­Technik, sieht Geschäftsführerin Julia Kasper derzeit noch keine große Nachfrage bei den ­Kunden und bietet den Tisch nicht zum Verkauf an. "Wir machen die Erfahrung, dass die Kunden selbst ­entscheiden möchten, wann sie ihren Tisch pflegen und dafür keinen ­Sensor benötigen.“ ­Dennoch sieht Kasper großes ­Potenzial in der ­Technik und ist davon überzeugt, dass sich Vernetzung von Möbeln und Geräten durchsetzen wird. Auch für ihre eigene Produktion kann sie sich die Nutzung von Sensoren vorstellen. So könnte von den etwa 180 Baumstämmen in der Werkstatt die Holzfeuchte ­gemessen werden, die für die ­Verarbeitung zum Tisch wichtig ist. Allerdings sieht sie noch ­Verbesserungspotenzial bei der Batterie­laufzeit der Sensoren.

Helm "spricht" mit der Lüftung

Roman Freund, Kraftfahrzeugtechnikermeister und Digitalisierungsberater der Handwerkskammer Wiesbaden, hat einen schlauen Helm für die Werkstatt entwickelt. Damit soll verhindert werden, dass beim Schutzgasschweißen das Gas von der Lüftung weggeblasen und das Schweißergebnis beeinträchtigt wird. Setzt der Handwerker den Helm auf, misst ein Infrarotsensor die Verschattung und weiß, dass der Metallbearbeiter mit dem Schweißen beginnt. Dann sendet der Sensor ein Signal an die vernetzte Beleuchtung und die Lüftungsanlage. Das Licht wird gedimmt und die Lüftung schaltet sich automatisch aus, bis der Schweißvorgang beendet ist. Für Freund handelt es sich um eine Idee von vielen, wie Sensoren künftig im Handwerk genutzt werden können. Aus seinen Beratungsgesprächen kennt er viele innovative Betriebe, die die Digitalisierung für sich nutzen.

Im Hackathon Handwerk wurden viele weitere Sensoren getestet. Schlaue Fenster, die sich automatisch öffnen, wenn die Lüftung nicht benötigt wird, eine Regenrinne mit Gewichtssensoren, die den Dachdecker informiert oder Sensoren, die den Zustand von Denkmälern überwachen. Mehr Infos unter www.handwerkdigital.de

"Handwerk ist für IoT prädestiniert"

Ein Gastkommentar von Tobias Meisen, Chair of Technologies and ­Management of Digital­ ­Transformation an der ­University of Wuppertal

Täglich verwenden Millionen Menschen das Internet der Dinge (Internet of Things – IoT), sodass diese mit technischen Systemen vernetzt werden. Sei es Zuhause in Form von ferngesteuerten Rollläden, dem sich selbstregulierenden Verbund aus Heizung und Thermostat oder auf der Arbeit durch vollautomatisiert organisierte Bestände in der Warenlogistik.

Tobias Meisen, Chair of Technologies and ­Management of Digital­ ­Transformation an der University of Wuppertal - © privat

Zusammen mit künstlicher Intelligenz stellt das IoT die Basis für neue Geschäftsmodelle und Innovationen. Im Handwerk bestimmt die Fertigung von ­materiellen Produkten oder die Erbringung von Dienstleistungen am materiellen Produkt die ­Wertschöpfung. Damit ist es für IoT-Technologien prädestiniert. Anwendungsfälle reichen von der Überwachung des Trocknungsgrades von Estrich zur ­Opti­mierung der Bauphasen bis zum Anbieten von Dienstleistungen, bei denen Dächer mit Hilfe von Sensorik auf das Auftreten einer Leckage geprüft werden, sodass ein ­Handwerksbetrieb rechtzeitig die Reparatur durchführen kann – am besten bevor ernsthafte Schäden auftreten. Es gibt kaum ein Gewerk, für welches das IoT keine Anwendungsfälle bereithält.

Umso mehr überrascht es, dass IoT-Technologien zwar immer mehr Einzug in den Verbrauchermarkt halten, im Handwerk jedoch rar gesät sind. Große Industrieunternehmen, die vielfach in unmittelbarer Konkurrenz zum Handwerk stehen, statten ihre Produkte zunehmend mit IoT-fähiger Sensortechnologie aus und stellen zugehörige Apps für den Endkunden bereit. Hierbei fokussieren sie ihren Anwendungsbereich, was eine übergreifende Digitalisierung behindert. So können Kunden z.B. den Betriebszustand ihrer Heizung überprüfen und bei Fehlern direkt Kontakt mit dem Hersteller aufnehmen, der regionale Handwerksbetrieb bleibt jedoch außen vor.

Der Einsatz von IoT-Technologien ist bei traditionellen kleineren und mittleren Handwerksbetrieben bislang wenig verbreitet. Es fehlt an Überblick und Möglichkeiten, um für den Betrieb relevante IoT-Lösungen zu identifizieren, aufzusetzen und zu verwalten – und zwar ohne zusätzliche Kompetenzen aufzubauen, für welche oft die finanziellen Mittel fehlen. Die Schaffung geeigneter Optionen, die dem Handwerk die Identifikation, Umsetzung und Einbettung von IoT-Lösungen erleichtert und dieses in die Lage versetzt, die Lösungen im eigenen Betrieb zu betreiben, ist daher von höchster Priorität, um die Digitalisierung im Handwerk voranzutreiben und dessen Potenziale vollumfänglich aus zu schöpfen.