Die Deutsche Handwerks Zeitung steht seit 70 Jahren für Qualität. Sie versteht sich als Übersetzer, Mahner und Botschafter. Sie ist die Stimme des Handwerks und Ratgeber fürs Handwerk. Eine kurze Geschichte des Handwerksjournalismus.
Steffen Range

Die Handwerkspresse ist ein Spiegelbild der Vielgestaltigkeit des Handwerks. Ihre historische Entwicklung ist untrennbar mit der Professionalisierung der Handwerksorganisation verbunden; ihr Selbstverständnis verändert sich mit der gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Rolle des Handwerks.
Die Berichterstattung über Themen des Handwerks spielt sich an der Schnittstelle zwischen Wirtschafts-, Technik- und Fachjournalismus ab. Der Handwerksjournalismus ist also Grenzgänger zwischen den Genres . Die Handwerkspresse weist eine Besonderheit auf: ihre Zwitterrolle als Presse des Handwerks und für das Handwerk. Bedeutende Publikationen wie die Deutsche Handwerks Zeitung, das Deutsche Handwerksblatt oder das Norddeutsche Handwerk folgen einem zweigleisigen Ansatz: Sie richten sich an Handwerksmeister und die Handwerksorganisation, verstehen sich zugleich aber auch als "Botschafter“, die Positionen des Handwerks an Politik, Verwaltung sowie verschiedene gesellschaftliche Gruppen vermitteln.
Anfänge im 19. Jahrhundert
Die Anfänge der Handwerkspresse lassen sich auf Mitte der 19. Jahrhunderts datieren, als die ersten fachlichen Handwerkspublikationen entstanden (Dittmer 1990: 4). Nach Gründung des Kaiserreichs fanden sich verschiedene Handwerkszweige zu Innungen und Fachverbänden zusammen. Ihre meist kurzlebigen Zeitungen wurden allerdings nicht von Berufsjournalisten erstellt, sondern von Innungsmeistern oder Handwerkern. Diese Erzeugnisse sind Vorläufer der heutigen Handwerkspresse. Vorgängerorgane des heute noch existierenden Norddeutschen Handwerks entstanden in ebenjener Zeit, im Jahr 1895 (Norddeutsches Handwerk 1995).
Es ist eine Zeit, in der der Journalismus in Deutschland einen Qualitätsschub erfährt und seine bis heute bestehenden Strukturen ausbildet; an der Schwelle vom 19. zum 20. Jahrhundert wird der Journalismus also "modern“ (Birkner 2012: 362). Zur Vertretung handwerklicher Gesamtinteressen wurde 1907 das Deutsche Handwerksblatt gegründet, das kurz danach die Funktion eines offiziellen Organs erhielt. Die Nationalsozialisten brachten 1932 als Gegenzeitschrift "Das Deutsche Handwerk“ heraus. Das Handwerksblatt wurde kurz nach Hitlers Machtergreifung eingestellt (Dittmer 1990:5).
Zwischen Kriegsende 1945 und Gründung der Bundesrepublik durften Zeitungen nur mit Genehmigung der Besatzungsbehörden erscheinen, überdies war Papier knapp. Nach Aufhebung der Lizenzpflicht entstanden wieder viele Zeitungen und Zeitschriften. In diese Phase nahm die Geschichte der Deutschen Handwerks Zeitung ihren Anfang, die im Januar 1949 als Bayerische Handwerkerzeitung herauskam, seit der Vergrößerung ihres Verbreitungsgebiets 1970 Deutsche Handwerks Zeitung heißt und gemessen an der Auflage Europas größte Handwerkerzeitung ist. Auf der Titelseite der ersten Ausgabe, ein achtseitiges Blatt ohne Fotos, gaben die Präsidenten der bayerischen Handwerkskammern und Vorsitzenden der Innungsverbände die Richtung vor: "Gerade in einer Zeit, in der von den Besatzungsmächten und oft auch vom Staate nicht immer genügend Verständnis für das Handwerk aufgebracht wird, […] ist es von größter politischer und wirtschaftlicher Bedeutung, daß auch das Handwerk ein eigenes Publikationsorgan besitzt, das seine Interessen vertritt“ (Riering 2014).
Ebenfalls 1949 wurde die Handwerks-Zeitung (heute: Deutsches Handwerksblatt) gegründet, die damals das Verbreitungsgebiet Nordrhein-Westfalen umfasste. In anderen Kammerbezirken entstanden vergleichbare Publikationen.
Gefragter Nutzwert
Wie bereits dargestellt, richtet sich die kammerbezogene Handwerkspresse sowohl an einen internen als auch an einen externen Leserkreis. Zum internen Leserkreis zählen sowohl Meister, Betriebsinhaber als auch Funktionsträger innerhalb der Handwerksorganisation. Unveröffentlichte Marktforschungsergebnisse (etwa der DHZ aus den Jahren 2013 und 2017) zeigen, dass insbesondere die Meister an der Handwerkspresse verschiedene nutzwertige Informationen zur Betriebsführung schätzen. Die Berichterstattung über handwerkspolitische Themen ist demnach von mittlerem Interesse, während unterhaltende Texte auf geringeres Interesse stoßen. Als Zukunftsthemen bewerten die Leserinnen und Leser demnach Themenkreise wie Digitalisierung, Umwelt und Energie sowie Verkehr.
Der von Karl Marx im 19. Jahrhundert prognostizierte, "gleichsam gesetzmäßige Niedergang [des Handwerks] angesichts industrieller Konkurrenz“ (Petzina 1996: 217) hat sich nicht eingestellt. Die Phase einer "oft eher blasse[n], deprimierende[n] Entwicklungsgeschichte“ (Wehler 2008: 150) des klassischen Kleinbürgertums, zu dem der Sozialhistoriker Hans-Ulrich Wehler neben Einzelhändlern auch die Handwerker zählt, scheint beendet. Wehler stellt fest, dass sich das Handwerk mit einem "berufsständischen Selbstbewußtsein“ (Wehler 2008: 151) selbst dem Mittelstand zuordnet und aus diesem Selbstverständnis seine politischen und gesellschaftlichen Forderungen entwickelt – was sich schlussendlich bis heute in der Ausrichtung der Handwerkspresse widerspiegelt.
Digitalisierung verändert das Handwerk
Das Handwerk verändert sich in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts . Auf den Rückgang der Konsumgüterhandwerke (Schneider, Bäcker, Metzger), den Bedeutungszuwachs der Produktionsgüterhandwerke (Metall- und Elektrohandwerke) sowie die Maschinisierung, die die Grenzen zwischen Handwerk und Kleinindustrie verwischt (Petzina 1996: 220; Wehler 2008: 151), folgt nun die Digitalisierung. Das Handwerk erweist sich als anpassungsfähig, ebenso wie seine Presse. Die Herausforderungen beschreibt Zukunftsforscherin Christine Ax: "Die alles entscheidende Frage ist nicht, welche Tätigkeiten im Handwerk digitalisierbar sind, sondern was von den alten Geschäftsmodellen, Alltagsroutinen, Konsumgewohnheiten, Produkten und Wertschöpfungsketten noch übrig sein wird, wenn die Digitalisierung ihren Siegeszug vollendet hat. […] Das Handwerk sollte sich öffnen: Der Wissenschaft, der Social Entrepreneurbewegung, der jungen digitalen Gründerszene, der Nachhaltigkeitsbewegung, den Menschen in seiner Umgebung“ (Ax 2016). Für die Handwerkspresse ergeben sich aus diesem Postulat neue Themen, zumal auch die Handwerker selbst Digitalisierung als eines der bedeutenden Zukunftsthemen bewerten, wie die bereits erwähnte, öffentlich nicht zugängliche Marktforschung der Deutschen Handwerks Zeitung nahelegt.
Beständiger Kampf um den Meisterbrief
In ihrer Funktion als Interessenswahrer des Handwerks gegenüber einem externen Leserkreis schreibt die Handwerkspresse häufig aus einer defensiven Haltung heraus. Sie ist bestrebt, Positionen des Handwerks als Reaktion auf politische Vorstöße darzustellen, zur Meinungsbildung beizutragen, die Argumentation zu versachlichen oder um weitere Perspektiven (nämlich die des Handwerks) zu bereichern.
Die öffentliche Debatte um die Handwerksordnung 1953 fordert die Handwerkspresse ebenso heraus wie die Angriffe der Gewerkschaften auf die duale Ausbildung und den Meisterbrief in den 1970er-Jahren (Blume 2000: 86). Als schmerzhaft wird die Novellierung der Handwerksordnung 2004 empfunden. Als Angriff auf den Meisterbrief wertet das Handwerk Initiativen der EU-Kommission aus Brüssel, die auf eine Liberalisierung des Dienstleistungssektors zielen. Gerade in dieser bedeutenden politischen Auseinandersetzungen über nationale Grenzen hinweg ist die Handwerkspresse eine wichtige Stimme, die im politischen Raum Gehör findet (Semper 2017).
Vom Selbstverständnis her orientiert sich insbesondere die kammerbezogene, branchenübergreifende Handwerkspresse an Qualitätsmerkmalen, Idealen und ethischen Standards des unabhängigen Journalismus – mit Ausnahme des Prinzips der "Neutralität“. Dazu zählen die Trennung von Meinung und Information, das Mehrquellenprinzip, das Vorhandensein verschiedener Darstellungsformen sowie ein redaktionelles Expertenprinzip, fußend auf einer Gliederung in Ressortstrukturen. Leitmedien wie die Deutsche Handwerks Zeitung, das Handwerksblatt oder das Nordwestdeutsche Handwerk basieren auf professionellen Layouts.
Professionelle Handwerkspresse
Auch institutionell hat die Handwerkspresse aufgeschlossen: Volontariate in vielen dem Handwerk nahestehenden Verlagen sind kodifiziert und professionalisiert, Redakteure verfügen über fundierte Ausbildungen in Fachverlagen, Regionalzeitungen oder Wirtschaftsverlagen. Mit der "Journalisten-Vereinigung der deutschen Handwerkspresse e.V.“ haben sich die Handwerksjournalisten eine eigene Organisation gegeben. Der Handwerksjournalismus versteht sich keinesfalls als Erfüllungsgehilfe oder verlängerter Arm der Handwerksorganisation, sondern tritt als selbstbewusstes Mitglied einer großen Handwerksfamilie auf.
Die Studie von Dernbach zeigt, dass sich Fachjournalisten als "Vermittler“ oder „Übersetzer von komplexen Sachverhalten“ (Dernbach 2010:75) definieren. Sie sind sich ihres Fachwissens bewusst. Sie sehen sich selbst in einer Doppelrolle: Als Experten, die Informationen für ein Expertenpublikum aufbereiten und andererseits als Vermittler von der Experten- in die Laienwelt. Hier zeigt sich ein bedeutendes Abgrenzungskriterium zum Wirtschaftsjournalismus, wie er heute in den meisten Tages- und Wochenzeitungen vorherrscht. Denn dieser richtet sich seit den 1980er-Jahren dezidiert an ein Massenpublikum statt an Fachleute (Brandstetter/Range 2017: 16).
Die Handwerkspresse sieht sich – wie die Medienlandschaft insgesamt – den Megatrends der Digitalisierung und Individualisierung ausgesetzt. Sie verändern sowohl die Mediennutzung als auch die Inhalte der Publikationen sowie die Arbeitsweise der Redaktionen. Der Fachjournalismus der Zukunft muss daher das Verhältnis von Meldung zu Analyse, Bild zu Text, Information zu Meinung neu justieren. Soziale Medien und eine Verlagerung des Nachrichtenkonsums auf mobile Endgeräte verändern das Leseverhalten. Auch die Handwerkspresse wird sich dem Trend zum bewegten Bild und zu einer optisch ansprechenden Darreichung von Inhalten nicht entziehen können. "Nutzer, Leser und Zuschauer werden den Journalisten mehr abverlangen – und weniger duldsam sein“ (Brandstetter/Range 2017: 189).
Die Zersplitterung der Leserschaft schreitet voran. Nun verstetigt sich ein Trend, den der Medienwissenschaftler Peter Glotz bereits 2001 treffend beschrieb als "Fragmentierung des Publikums in Publica“ (Glotz 2001: 122). Diese Entwicklung birgt Risiken und Chancen. Risiken, weil die Hinwendung der Leser zu neuen digitalen Angeboten mit einer Abwendung von hergebrachten Produkten einher gehen kann. Newsletter, soziale Medien oder personalisierte Webangebote buhlen um die Aufmerksamkeit des Publikums und machen den etablierten Medien Leser abspenstig.
Umbruch der Medienwelt
Der Umbruch der Medienwelt bietet insbesondere für die Fachpresse aber auch Möglichkeiten, da die Verleger der Handwerkspresse seit Jahrzehnten damit vertraut sind, spezialisierte Angebote für kleine Zielgruppen zu unterbreiten. Medienhäuser und Verlage müssen nun die Herausforderung meistern, ihre Inhalte in die digitale Welt zu bringen und die Glaubwürdigkeit ihrer wertvollen Marken in die Welt von Google, Twitter und Facebook zu übertragen.
Die Handwerkspresse neigt dazu – bedingt durch die ökonomisch wechselhafte Geschichte des Handwerks –, in Nostalgie, Negativismus oder Bedenkenträgerei zu verfallen. Moderne Redaktionen stehen umso mehr in der Pflicht, Grundlagen des "Constructive Journalism“ zu beherzigen, der sich einer positiven Grundhaltung verpflichtet fühlt, positive Beispiele dokumentiert und Optimismus verbreitet. Eine Herausforderung für den modernen Handwerksjournalismus wird sicherlich auch darin bestehen, die Interessen kleinerer Gewerke und Betriebe sowie weiblicher Handwerker zu berücksichtigen und der Versuchung zu widerstehen, eine vermeintlich gute alte Zeit zu beschwören.
Eine weitere Herausforderung für die Handwerkspresse ergibt sich aus der vermeintlichen De-Legitimation der Medien, die im Vorwurf der "Lügenpresse“ gipfelt. Gerade den kammerbezogenen Zeitungen fällt eine besondere Verantwortung zu, Filterblasen zu durchstoßen und Echokammern zu verlassen. Wenn der Befund stimmt, dass viele Menschen durch klassische Medien nicht mehr erreicht werden (Meyer 2016, Hölig/Hasebrink 2017), so wächst Zeitungen wie der Deutschen Handwerks Zeitung besondere Verantwortung zu. Sie können ein Korrektiv sein. Über diese Publikationen mit ihren relativ hohen Lesequoten werden Leser mit Inhalten konfrontiert, die sie ansonsten womöglich nicht mehr zur Kenntnis genommen hätten. Dies ist eine ökonomische Chance und gesellschaftliche Verpflichtung zugleich.
Dieser Beitrag ist eine gekürzte und bearbeitete Fassung des Aufsatzes von Stefen Range "Übersetzer, Mahner, Botschafter - der Handwerksjournalismus", erschienen im Buch "Das Handwerk - Analyse und Ausblick. Festschrift für Dr. Lothar Semper", München 2017.
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