Im Projekt "Flottes Gewerbe" testen Kleinunternehmer in Karlsruhe und Stuttgart Lastenräder mit Elektroantrieb im Betriebsalltag. Welche Erfahrungen sie dabei machen.

In den Städten staut sich der Verkehr. Straßen sind verstopft, Parkplätze Mangelware. Auf dem Weg zur Baustelle vergeuden Handwerker wertvolle Zeit. Einen Ausweg können Lastenräder bieten. Mit dem Projekt "Flottes Gewerbe" wollen Karlsruhe und Stuttgart dem Thema Rückenwind verleihen. Seit einigen Wochen sammeln je fünf Testpioniere pro Stadt Erfahrungen mit dem Einsatz von Lastenrädern im betrieblichen Alltag.
Kommt bei Kunden gut an
Dominik Frei, einer der Testpioniere in Karlsruhe, zieht nach den ersten Fahrten mit seinem dreirädrigen Elektro-Lastenrad eine durchweg positive Zwischenbilanz. "Nach den ersten Eindrücken bin ich zu 100 Prozent davon überzeugt, dass Lastenräder für unseren Fuhrpark mit drei Pkw eine sinnvolle Ergänzung sind", sagt der 29-Jährige, der vor Kurzem die Firma Elektro Schmitt in Stadtteil Durlach von seinem Vater übernommen hat.
Die meisten Aufträge erledigt der Betrieb im Umkreis von 15 bis 20 km. Dafür reiche das E-Lastenrad locker, das mit seinen beiden Akkus auch 50 km ohne nachzuladen schafft. Bis zu 60 kg schwere Kabelrollen hat Dominik Frei schon mit dem Testrad transportiert und dabei durchaus Aufsehen erregt. "Ich war überrascht, wie gut das Lastenrad bei unseren Kunden ankommt. Das war immer Gesprächsthema." Auch Passanten auf der Straße hätten ihn schon angesprochen, sagt Frei.
Handwerk noch zurückhaltend
Dank des Elektroantriebes werden Lastenräder immer beliebter. Viele Familien nutzen sie zum Einkauf oder nehmen ihre Kleinkinder mit. "Im gewerblichen Einsatz spielen sie aber noch eine untergeordnete Rolle. Das wollen wir ändern", sagt Kirsten Havers von der Agentur "cargobike jetzt", unter deren Regie das Projekt in Karlsruhe und Stuttgart läuft. Bei Preisen von 6.000 bis 15.000 Euro für die besonders robusten Gewerberäder mit bis zu 250 Kilogramm Nutzlast bleiben viele Betriebe zurückhaltend. Mit Projekten wie "Flottes Gewerbe" soll mehr Interesse für das Lastenrad geweckt werden. Außerdem gibt es über das Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (Bafa) eine Kaufprämie von 25 Prozent bis maximal 2.500 Euro.
Karlsruhe plant für Herbst ein eigenes Förderprogramm, das sogar mit der Bafa-Prämie kombiniert werden kann. Die Stadt treibt die Mobilitätswende besonders engagiert voran, verringert mehrspurige Straßen zugunsten von Radwegen um eine Autospur, verknappt den Parkraum. So wird das Radfahren für viele Betriebe attraktiver, glaubt auch Joachim Walter von der Handwerkskammer Karlsruhe. "Der Transport steht dabei gar nicht mehr so im Vordergrund, weil das Material direkt auf die Baustelle geliefert wird. Für Werkzeuge und Kleinteile reicht ein Lastenrad", sagt der Verkehrsexperte. Er rät dazu, bei der Initiative für mehr gewerblichen Radverkehr die Betriebe der Zweiradmechaniker stärker einzubeziehen, damit Wartung und Service gewährleistet sind.
Das sieht auch Kirsten Havers von "cargobike jetzt" so. Daher werde bereits an Lösungen für einen mobilen Service gearbeitet. Ebenso wichtig seien Leasingangebote, um Gewerbetreibenden den Einstieg in die Radmobilität zu erleichtern.
Mobil ohne Führerschein
Eine ganz andere Motivation hat die Brodbeck Elektrotechnik GmbH dazu bewogen, sich als Testpionier in Stuttgart zu bewerben. Einer ihrer Monteure verfügt über keinen Führerschein. "Das stellt uns bei der Planung unserer Routen mitunter vor Probleme", erklärt Andrea Brodbeck. Dabei würden 80 Prozent der Aufträge in einem Umkreis von zehn Kilometern erledigt. Das wäre mit einem E-Lastenrad mit abschließbarer Transportbox gut zu schaffen. Eine hohe Nutzlast sei dabei gar nicht so wichtig. Wenn der Fahrradmonteur zum Beispiel allein über mehrere Tage in einer Tiefgarage Wallboxen installiert, dann stellt die Firma einen Hänger mit allem Material an der Baustelle ab, aus der sich der Geselle bedienen kann.
Das Lastenrad wird seinen Platz im Fuhrpark vieler Handwerksbetriebe finden, zumal auch die Auswahl immer größer wird. Allein für das Projekt "Flottes Gewerbe" stehen zwölf Modelle von acht Herstellern zur Verfügung, dazu noch einige Anhänger. Demnächst will "cargobike jetzt" auf Demo-Events in Ludwigsburg (27. Juni 2022), Stuttgart (28. Juni 2022), Karlsruhe (29. Juni 2022), Darmstadt (30. Juni 2022) und Mainz (1. Juli 2022) erneut für den gewerblichen Einsatz von Lastenrädern werben.