Die Gebäudereiniger müssen sich seit Jahren ständig neu orientieren. Politische Maßnahmen wie Corona-Regeln oder die Anhebung der Midi-Job-Grenze haben im personalintensivsten aller Handwerke weitreichende Folgen.

Die vergangenen Krisenjahre waren für Tanja Gebhard und ihren Bruder Thomas Ott ein langgezogener Stresstest. Rückblickend sei die größte Herausforderung durch alle Krisen hindurch die fehlende politische Beständigkeit gewesen: "In der Corona-Pandemie mussten wir ständig auf eine enorme Dynamik reagieren. Neue Coronaverordnungen kamen grundsätzlich am Freitag Nachmittag heraus und mussten bis Montagmorgen umgesetzt werden", sagt Gebhard, die kaufmännische Leiterin der Gebäudereinigung Günter Ott aus Horb.
Politische Beständigkeit fehlt
Doch auch heute fehle ihr eine gewisse politische Beständigkeit, wie man am Beispiel der Midi-Jobs sehen könne. Die obere Lohngrenze dieser Teilzeit-Arbeitsplätze wurde zum 1. Oktober 2022 von 1.300 auf 1.600 Euro erhöht, zum 1. Januar 2023 dann noch einmal auf 2.000 Euro. Arbeitnehmer zahlen in diesem Übergangsbereich niedrigere Sozialversicherungsbeiträge, der Arbeitgeberanteil ist entsprechend höher. Im Schnitt verteuert das die Lohnnebenkosten in dieser Mitarbeitergruppe um 4,5 Prozent.
Gebäudereiniger wie die Firma Ott sind davon besonders stark betroffen, weil dieses personalintensivste aller Handwerke eine sehr hohe Teilzeitquote hat.
Neben den Lohnnebenkosten sind auch die Lohnkosten selber gestiegen. Nach der politischen Erhöhung des Mindestlohns auf zwölf Euro zum 1. Oktober 2022 haben die Gebäudereiniger umgehend einen neuen Tarifvertrag ausgehandelt, um den Abstand zum Mindestlohn zu wahren. Der Einstiegslohn der Branche beträgt jetzt 13 Euro.
Gebäudereinigerhandwerk wächst seit Jahren
Seit Jahren steigt die Zahl der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten bei den Gebäudereinigern, allein von 2010 bis 2020 um 33 Prozent. Gleichzeitig sank der Anteil der Minijobber um über neun Prozent. Fast 700.000 Menschen arbeiten als Gebäudereiniger. Damit ist mehr als jeder zehnte Handwerker in dieser Branche beschäftigt.
Allerdings haben die wenigsten ihr Handwerk von Grund auf gelernt. Fast 60 Prozent der Beschäftigten haben keinen (bekannten) Berufsabschluss. In der Gesamtwirtschaft liegt dieser Anteil bei nur 22 Prozent. Damit ist das Gewerk ein Beschäftigungsmotor für diejenigen, die es sonst auf dem Arbeitsmarkt schwer haben, vor allem Ungelernte oder Migranten. 40 Prozent der Mitarbeiter haben keinen deutschen Pass und noch viel mehr haben eine Migrationsgeschichte.
Beschäftigungsmotor für Ungelernte und Migranten
Auch bei Ott ist das der Fall. Von den 500 Mitarbeitern – im Gebäudereinigerhandwerk kein ungewöhnlich großer Betrieb – haben 70 Prozent der Mitarbeiter einen Migrationshintergrund. "Wir haben mal ausgerechnet, dass bei uns 25 verschiedene Nationen im Einsatz sind", sagt Gebhard stolz.
Die Kehrseite der niedrigen Einstiegsschwelle ist aber, dass es schwierig ist, Menschen für eine duale Ausbildung im Gebäudereinigerhandwerk zu interessieren. In den vergangenen drei Jahren hatte der Betrieb vom Rande des Schwarzwalds keinen einzigen Azubi. In ganz Deutschland gab es 2021 nur 1.800 Auszubildende.
Der Azubimangel ist auch deshalb bitter, weil die Branche wie die meisten Wirtschaftsbereiche unter Personalmangel leidet. 92 Prozent der Betriebe suchen laut Bundesinnungsverband der Gebäudedienstleister akut Beschäftigte. "Gerade bei uns im ländlichen Raum ist die Personalsituation miserabel", gibt Gebhard zu. Es gebe keine Infrastruktur, die Raumpflegerinnen müssten oft einen Führerschein und ein Fahrzeug haben, um überhaupt zu den Objekten hinzukommen. "Bei diesen extremen Spritpreisen fragt man sich dann schon, ob sich das überhaupt noch lohnt", gibt Gebhard zu.
Putzen als Zweitjob für Vollbeschäftigte
Allerdings gebe es in letzter Zeit tatsächlich wieder mehr Bewerber, vielleicht eine Reaktion auf die besseren Verdienstmöglichkeiten. "Es sind aber auch mehr männliche Kräfte darunter, die schon Vollzeit arbeiten und jetzt eine Nebenbeschäftigung suchen, weil es finanziell nicht mehr ausreicht", beobachtet Gebhard eine Folge der aktuellen Krisen.
Auch die Gebäudereinigungsbetriebe spüren die deutlich höheren Material- und Energiepreise. In der Herbst-Konjunkturumfrage des Bundesinnungsverbands der Gebäudedienstleister gaben die Betriebe Kostensteigerungen von zehn bis 30 Prozent an. Die Gebäudereinigung Ott ist hier zumindest im Hinblick auf die Energie gut aufgestellt. Die Hälfte der 35 Firmenfahrzeuge ist elektrisch, die beiden Firmengebäude beziehen ihren Strom annähernd zu 100 Prozent aus der PV-Anlage auf dem Dach und dem eigenen, gasbetriebenen Blockheizkraftwerk. Bleiben die Preissteigerungen und die erhöhten Lohn- und Lohnnebenkosten. "Wir haben im Herbst die Preise schon erhöht, aber alles können wir nicht weitergeben", sagt Gebhard. Ohnehin hätten einzelne Kunden nach der Erhöhung den Vertrag gekündigt.
Der Betrieb versucht nun, in anderen Bereichen zu sparen, beispielsweise am teurer gewordenen Papier. "Bisher verschicken wir an zwei Drittel unserer Mitarbeiter die Lohnabrechnungen in Papierform per Post", überlegt Gebhard laut. Das ließe sich für alle auf ein Online-Portal umstellen, aber: "Wir haben Raumpflegerinnen, die sind Rentnerinnen und haben noch nicht einmal ein Smartphone." Sie würden von der Umstellung überfordert, befürchtet Tanja Gebhard.
Auswirkungen der Corona-Pandemie auf die Gebäudereiniger
Die besondere Mitarbeiterstruktur war es auch, die es dem Betrieb in der Corona-Hochphase so schwer machte. Das Personal kommt in der Regel nicht in den Betrieb, sondern immer direkt zum Objekt, das gereinigt werden soll; ein Aushang am schwarzen Brett oder eine mündliche Information am Montag Morgen über veränderte Corona-Schutzmaßnahmen war also nicht möglich. Und längst nicht alle Mitarbeiter sind per Mail erreichbar. Also mussten die Objektleiter Mitarbeiter einzeln abtelefonieren, um alle zu informieren.
Ein Gutes allerdings hat die Corona-Zeit für die Branche gehabt. Während der Hochphase der Pandemie haben viele Auftraggeber die Reinigungszeiten bewusst gewechselt, von den Abend- oder sogar Nachtstunden auf eine Tagesreinigung. So stellten sie sicher, dass während des Publikumsverkehrs gereinigt und desinfiziert wurde. Gleichzeitig sendeten sie damit ein Signal an die Menschen in den Gebäuden: Hier achten wir auf die Sicherheit.
Die Branche hofft, dass sich dieser Trend zur Tagesreinigung verfestigt: "Deutlich mehr Menschen wären an einer Tätigkeit im Gebäudereiniger-Handwerk interessiert, wenn verstärkt zusammenhängende Arbeitszeiten am Tag möglich wären", sagt Bundesinnungsmeister Thomas Dietrich.
Tanja Gebhard zumindest ist optimistisch, dass die größere Wertschätzung für ihre Branche nach Corona weiter bestehen bleibt. "Früher haben sich die Leute geärgert, wenn wir während ihrer Arbeitszeit kamen. Jetzt freuen sie sich, dass alles gereinigt wird."
Interview: "Das Gebäudereinigerhandwerk wird unterschätzt"

Frau Lutz, Sie haben 2021 Abitur gemacht und sind jetzt im letzten Lehrjahr der Ausbildung im Gebäudereinigerhandwerk. Was hat sie an dem Beruf gereizt?
Wie viele meiner Mitschüler komme ich aus einem Familienbetrieb, in den ich später einsteigen möchte. Aber ich wollte erst einmal Praxiserfahrung sammeln, sehen, wie es an der Front zugeht und habe mich deswegen für die Ausbildung entschieden.
Wie hat Ihr Umfeld auf diese Berufswahl reagiert?
Viele fragen, warum ich mit Abi putzen gehe, es wird sehr auf unseren Beruf herabgeschaut. Dabei hat der es wirklich in sich. Wir haben Werkstoffkunde, müssen uns mit allen Oberflächen auskennen, wir brauchen ein gewisses Verständnis für Chemie wegen der Reinigungsmittel und auch Mathe ist gefragt. Die meisten Menschen verwechseln den gelernten Gebäudereiniger mit Reinigungskräften, die Unterhaltsreinigung machen. Wir dagegen sind hauptsächlich für Sonderreinigungen zuständig.
Sie sind in der Turboklasse und ziehen die Ausbildung in zwei Jahren durch. Muss jeder so schnell lernen?
Nein, es gibt an unserer Schule in Metzingen vier Klassen. Neben unserer gibt es eine reguläre Klasse, eine Deutsch-plus-Klasse und eine Klasse mit Förderunterricht. Am Ende schreiben wir aber alle die gleichen Prüfungen.
Wie geht es nach dem Abschluss weiter?
Ich mache auf jeden Fall den Meister, vielleicht zusätzlich ein Studium und steige dann in unser Familienunternehmen ein. Es gibt wenige Berufe, in denen man in so kurzer Zeit so schnell aufsteigen kann wie bei uns, als Objektleiter, Meister, Desinfektor oder in der Lebenesmittelindustrie zum Beispiel. Und ich konnte während meiner Ausbildung sogar ein Auslandspraktikum machen. Das war eine einmalige Erfahrung!
Im Gebäudereinigerhandwerk arbeiten viele Menschen, die aus anderen Ländern stammen. Hat das Auswirkungen auf Ihren Alltag?
An der Schule ist das kaum zu spüren. In der Praxis gibt es aber schon oft Kommunikationsprobleme. Das ist eine Herausforderung, macht mir aber nichts aus, weil ich damit auch neue Kulturen kennenlerne.