Wer fast fünf Jahrzehnte an einem Bauwerk arbeitet, der kennt es ganz genau. Der Steinmetz Thomas Jehnes geht in den Ruhestand. Seine Kollegen werden seinen reichen Erfahrungsschatz vermissen und Thomas Jehnes seinen luftigen Lieblingsplatz am Freiburger Münster.

Fast 50 Jahre lang war das Freiburger Münster der Arbeitsplatz von Thomas Jehnes. Mit dem Bauwerk verbindet ihn aber noch viel mehr. 1973, damals war er 15 Jahre alt, absolvierte der gebürtige Bollschweiler zunächst ein Praktikum in der hiesigen Steinmetzwerkstatt. Der Vater war hier tätig, so lag das nahe.
Das Arbeiten am Stein machte ihm so viel Freude, dass er sich für eine Lehre als Steinmetz und Steinbildhauer in der Münsterbauhütte entschied. Als wichtige Voraussetzung nennt er das Beherrschen des Freihandzeichnens und die Fähigkeit, sich die 2D-Zeichung als 3D-Stein vorzustellen. "Beides liegt mir und macht mir viel Spaß", so Thomas Jehnes.
Bis zuletzt hat er die Entscheidung nicht bereut: "Ich bin immer richtig gern zur Arbeit gegangen", meint der 64-Jährige. Für die Beschäftigten der Münsterbauhütte war er nicht nur ein sympathischer und versierter Kollege, sondern auch ein lebendiges Archiv für Geschichten und Wissen rund um die Münsterbauhütte und das Münster. "Frag mal den Jehnes", war im Kollegenkreis fast schon ein geflügeltes Wort.
Originalsubstanz erhalten
Drei Baumeister und zwei Baumeisterinnen begleitete er – oder vielleicht begleiteten sie auch ihn. Alle setzten unterschiedliche Schwerpunkte, auch erlebte er Veränderungen der Arbeitsweise: "Früher", so berichtet er, "war man nur für einen bestimmten Schritt bei der Steinbearbeitung zuständig und gab ihn dann weiter an jemand anderen. Jeder war auf einen anderen Schritt spezialisiert. Heute bearbeitet ein Steinmetz seinen Stein von A bis Z – die Steinmetzinnen und Steinmetze sind jetzt breiter aufgestellt." Zudem änderten sich Arbeitsmethoden und -strategien über die Zeit: Während früher viele mangelhafte Steine am Münster ersetzt wurden, versucht man heute, möglichst die Originalsubstanz zu erhalten. Mittlerweile weiß man auch mehr über chemische Zusammensetzungen der Steine und Behandlungsmöglichkeiten und kann sie anders konservieren als damals.
Thomas Jehnes war zunächst in der Werkstatt beschäftigt. Als auf den Baustellen am Münster – "vorne", wie man in der nahegelegenen Münsterbauhütte sagt – Personalmangel herrschte, verlegte sich sein Arbeitsplatz Mitte der 80er direkt ans Münster. Hier arbeitete er bis zuletzt. Bei Wind und Wetter war "der Lange", wie der 1,90 Meter große Hüne genannt wurde, auf dem Gerüst: Er besserte Steine mit Steinersatzmasse aus, goss Bleifugen, versetzte neue Steine oder baute schadhafte aus. Auch den Kontakt zu den anderen Gewerken, die er als Polier koordinierte, schätzte er an der Arbeit auf der Baustelle. Denn: Am Münster sind nicht nur Steinmetze im Einsatz, sondern auch Zimmerleute oder Elektriker.
Lieblingsplatz in luftiger Höhe
In seiner langen Arbeitszeit hat Thomas Jehnes fast überall am Münster gearbeitet und blickt auf sehr interessante Steinarbeiten zurück. Am liebsten, so sagt er, war ihm aber der Gerüstbau: Aus Metallstangen werden die stabilen Gerüste gebaut, die nicht nur große Lasten tragen, sondern auch wetterfest sein müssen. Teils stehen sie Jahre bis Jahrzehnte. "Vor dir und mit deiner Hilfe wächst das Gerüst Stück für Stück, das ist schon ein erhebendes Gefühl", wie er beschreibt. Er räumt aber auch ein: "Genauso schön ist der Abbau. Man sieht die Stelle des Münsters endlich wieder, die so lange verdeckt war, und zudem zeigt sich, was man alles gearbeitet hat."
Sein Lieblingsplatz war die Chorplattform. Von hier aus beobachtete er das Treiben auf dem Münsterplatz. Über die Jahre hat er ein festes Band zu den Marktbeschickern geknüpft und kennt viele sehr gut. "Da gab es auch schon mal ein paar Prozente auf die Wurst", sagt er und schmunzelt. Mitte März ging seine Zeit in der Münsterbauhütte zu Ende. Stillsitzen wird er aber bestimmt nicht: "Meine Wohnung möchte ich renovieren und dann: reisen." Mit dem Münster und der Münsterbauhütte wird "der Lange" aber auf ewig verbunden sein.