Die Wiedereinführung der Meisterpflicht steht nach der Sommerpause auf der politischen Agenda. Besonders kontrovers diskutiert wird sie bei den Fotografen. Warum? Stimmen aus der Branche.
Jana Tashina Wörrle

Die Abschaffung der Meisterpflicht in einigen Handwerksberufen im Jahr 2004 erfolgte auf Drängen der EU. Es ging unter anderem darum, den Wettbewerb zu erhöhen und den Markt zu öffnen. Im Fotografenhandwerk ist dies gelungen – der Wettbewerb ist heute so stark, dass ein regelrechter Preiskampf entstanden ist. Die Folge: Viele Fotografen können nicht von ihrem Beruf leben. Waren im Jahr 2004 rund 4.000 Betriebe in diesem Gewerk angemeldet, sind es heute etwa 30.000 – 80 Prozent davon arbeiten als Soloselbstständige ohne eigenes Studio oder Fotogeschäft. So mies die Zahlen auch klingen, ob die Wiedereinführung der Meisterpflicht – wie sie derzeit in einigen der Handwerksberufe diskutiert wird – im Fotografenhandwerk wirklich eine Veränderung bringen würde, lässt sich nicht so einfach beantworten. So ist sie in kaum einer anderen Branche derart umstritten.
Beruf des Fotografen soll neuen Stellenwert bekommen
Für den Fotograf und Dozent für Fotografie Rüdiger Schestag aus Berlin geht die aktuelle Debatte allerdings in die falsche Richtung, denn nicht am Meister sollte man ansetzen, sondern schon früher, wenn es um die Ausbildung zum Fotografen geht. "Diese müssen wir dringend modernisieren", sagt er. Wenn der Beruf heute zum großen Teil anders ausgeübt wird als hinter einer Ladentheke oder bei der Einrichtung eines stationären Studios, dann dürfe dies auch nicht mehr die Ausbildungsinhalte bestimmen. "Es geht um Qualität", betont er. Qualität, die man wieder mit dem Beruf des Fotografen verbinden soll.
Hat sich die Technik weg vom Analogen zum Digitalen bewegt, so heißt dies aber nicht zwingend, dass nun kein Handwerk mehr in der Fotografie steckt. Auch die Inszenierung bei Modefotos, das exakte Ausrichten von Produkten und sie ins beste Licht zu rücken, um daraus gute Werbeaufnahmen zu machen, zu wissen, wann man welche Technik wie einsetzt, hat aus Sicht von Rüdiger Schestag viel mit Handwerk zu tun – aber genauso mit Kreativität und einem individuellen Stil eines jeden Fotografen. Zwar kann heute beinahe jeder mit teuren oder günstigen Kameras oder dem Alltagsbegleiter Smartphone Fotos machen – oft auch in ganz guter Qualität. Fotos von einem Profi sehen meist aber doch noch anders aus.
Schestag setzt sich aktiv dafür ein, dass sich etwas ändert und der Beruf des Fotografen wieder einen besseren Stellenwert bekommt. Dennoch glaubt er nicht, dass es im Fotografen-Handwerk bald wieder eine Meisterpflicht gibt. "Mit Bauberufen ist der Fotograf nicht zu vergleichen und so ist die Diskussion auch eine andere", sagt er. Anschließend an eine qualitativere Gesellenprüfung muss aus seiner Sicht auch die Meisterausbildung neu ausgerichtet werden – an neuen Inhalten, näher an der Alltagsrealität der Fotografen und auch damit auch unabhängiger von einer Vor-Ort-Präsenz. Heute gehe schon so viel online und auf Abruf und könnte sicher auch eine Fortbildung zum Meister attraktiver machen – allerdings erst einmal freiwillig. "Diejenigen, die Jahre lang frei gearbeitet haben, wehren sich nun dagegen, dass sich der gesamte Markt wieder ändern soll, das ist doch verständlich", so Rüdiger Schestag. Wenn die Qualität insgesamt allerdings wieder steige, kann sich das auch in den Preisen wiederspiegeln.
Fotografenhandwerk: Nur noch zehn Prozent Ausbildungsquote
Hans Starosta von Centralverband Deutscher Berufsfotografen formuliert das Problem allerdings ganz anders und sieht nicht, dass Zeit ist, die Branche Stück für Stück zu verändern. "Für uns ist es existenziell, dass die Meisterpflicht wieder kommt", sagt der Präsident und Geschäftsführer des Verbands und erwähnt einerseits die Preise, die dazu führen, dass so wenige von ihrem Beruf leben können. Andererseits liege das Dilemma aber auch in der niedrigen Ausbildungsquote von nur zehn Prozent. Ein Teufelskreis: Wenn kein Fotograf mehr klassisch ausbildet, wandert der Beruf immer mehr in die schulischen Weiterbildungen und zu den Abendkursen an der Volkshochschule.
Nur die Meisterpflicht kann aus Sicht Starostas die Qualität zurückbringen, indem mehr ausgebildet wird und es dafür verbindliche Vorschriften gibt. Außerdem argumentiert er mit dem Verständnis fürs Kaufmännische, für Betriebsführung und das Kalkulieren realistischer Preise , das man in der Weiterbildung als Meister lerne und was vielen eben fehlt, wenn man sich die Zahlen anschaut. "Auf den Auslöser drücken kann jeder und so ist die Hemmschwelle sehr gering mit dem Beruf des Fotografen zu beginnen. Trotzdem wissen viele nicht, wie man einen Betrieb aufrechterhält", sagt Fotografenmeister Starosta. Hatten im Jahr 2004 noch 74 Prozent der Betriebsgründer im Fotografenhandwerk eine Meisterprüfung, sind es jetzt nur noch etwa zwei Prozent .
Dem Argument, dass im Fotografenhandwerk durch den Wandel zum Digitalen und den Wegfall von Foto-Chemie keine Gefahrengeneigtheit mehr gegeben sei, hält er entgegen: "Wir arbeiten immer noch oft mit Hochvoltanlagen. einer ausgefeilten Lichttechnik und mit schweren Stativen. Das ist zwar nicht vergleichbar mit dem Bauhandwerk, aber Handwerk steckt viel in unserem Beruf."
Nur noch zwei Prozent Fotofgrafenmeister
Obwohl der Centralverband Deutscher Berufsfotografen stark für die sogenannte Rückvermeisterung kämpft, sieht Starosta die Chancen dafür in seiner Branche bei 50:50. Dass sich viele freie Fotografen gegen die Wiedereinführung der Meisterpflicht aussprechen und an ihrem aktuellen Status festhalten, sei verständlich, aber nicht hilfreich für die Branche. Doch auch sie würden seiner Meinung nach ja von steigenden Preise profieren und einem nicht mehr ganz so umkämpften Markt. "Wir wollen die Meisterpflicht zurück – bestenfalls schon ab dem kommenden Jahr – aber wir wollen den bestehenden Betrieben auch nicht die Basis wegnehmen", sagt der Verbandspräsident und erwähnt den Bestandsschutz, den es geben soll.
Das wichtigste auch laut Hans Starosta: wieder mehr Qualität in den Beruf zu bringen und diesen als Handwerksberuf zu bewahren – ein Beruf, von dem man leben kann. So führt der Centralverband auch die schwierige Alterssicherung mit an: So hätten derzeit 94 Prozent der eingetragenen Handwerksbetriebe der Branche einen Gewerbeertrag von weniger als 24.500 Euro. Davon sei kaum eine Absicherung fürs Alter zu leisten. Starosta geht davon aus, dass sich die Ertragssituation nach Wiedereinführung der Meisterprüfung erheblich bessert. "Dann verschwinden diejenigen vom Markt, die nur mal nebenher etwas dazuverdienen und die Preise kaputt machen", sagt er.
Fotografen: Preiskampf auf Hochzeiten
Fotografenmeister Andreas Hoffmann aus Hannover hatte seinen Beruf und eigentlich schon aufgegeben, bis er dann doch entschieden hat, sich zu spezialisieren. Erst verlegte seine Arbeiten nur noch auf die Wochenenden und gab vorrangig Kurse, um anderen das Fotografieren und auch die Nachbereitung der Bilder beizubringen. Statt für Reiseanbieter weltweit unterwegs zu sein und Porträts im Studio zu fotografieren, sind heute Hochzeiten sein Geschäft. Zwar herrscht auch hier ein starker Wettkampf um die Aufträge, aber Hoffmann kann sich durchsetzen, denn von der eigenen Hochzeit möchte meist doch keiner nur verwackelte Zufallsaufnahmen oder Handybilder. "Mit der Digitalisierung ist auch die Qualität gewachsen und viele können gute Bilder machen, aber auf Hochzeiten kommt es doch auf Profi-Arbeit an", sagt er. Schwierige Lichtverhältnisse in Kirchen, Bilder in Bewegung beim Tanzen und eben die Tatsache, dass Momente wie der Hochzeitskuss nach dem Ja-Wort nicht nochmals nachgestellt werden sollen, seien eine Herausforderung, die man einkalkulieren müsse.
"Mich ärgert es dann, wenn manche Fotografen Angebote machen, die weit unter dem liegen, was realistisch berechnet ist und er Fotograf verlangen muss, der eben davon lebt", so Andreas Hoffmann. Nach dem Vor-Ort-Termin folgen bei ihm mindestens drei Tage, an denen er die Fotos nachbearbeitet und passend zusammenstellt. "Man muss im Vorfeld schon vieles mit den Kunden absprechen, die Orte kennen, an denen Fotos gemacht werden sollen und auch verstanden haben, was den Kunden wichtig ist", erklärt der Hochzeitsfotograf, warum er es für wichtig hält, dass nicht jeder in diesem Beruf all zu frei arbeiten kann. "Das muss man lernen und deshalb macht die Meisterpflicht für mich großen Sinn", sagt er und erwähnt dabei, dass der Meisterbrief für seinen Kunden ein Zeichen dafür sei, dass sie mit einer Qualität der Fotos rechnen können – genauso beim Ablauf der Zusammenarbeit.
Fotografie: Wo verlaufen die Grenzen zwischen Handwerk und Kunst?
Aber muss die Ausbildung zum Fotografen zwingend im Rahmen des einstigen Handwerkberuf ablaufen, der entstand, als Kameras noch zu teuer waren für den Otto-Normalverbraucher, als man für deren Aufbau und Handhabung noch tatsächlich viel handwerklich arbeiten musste – und natürlich für die analoge Entwicklung? "Nein", sagt Lutz Fischmann vom Verband der freien Fotografen Freelens. Der Verband setzt sich nicht nur dafür ein, dass die Meisterpflicht weiterhin nicht für Fotografen gilt, sondern auch dafür, dass Fotografen sich überhaupt nicht mehr in die Handwerksrolle eintragen lassen müssen.
Die Fotografie sei heute hauptsächlich ein künstlerischer Beruf und es komme darauf an, sein eigenes Profil dabei zu finden, wenn man sich am Markt durchsetzen möchte. "Wir haben heute in Deutschland jede Menge Studenten der Fotografie und es wäre doch paradox, wenn diese nicht auch mal Passfoto machen dürften oder im Studio Porträtaufnahmen", sagt Fischmann und weist auf die einzelnen Aufgabenbereiche von Fotografen hin, die mit ausschlaggebend dafür sein, ob eine Meisterpflicht überhaupt greifen könnte oder nicht. So sollen die rein künstlerisch arbeitenden Fotografen von einer Meisterpflicht ausgenommen bleiben, genauso wie Pressefotografen. Aber wo setzt man dann die Grenzen?
"Fotografie ist etwas Geheimnisvolles, man braucht ein bestimmtes Gespür dafür, kreative Ideen und nicht das Wissen, wie man in einem Ladengeschäft kassiert", kritisiert auch Fischmann, dass die Ausbildung veraltet sei. Er hält es für sehr unwahrscheinlich, dass es zu der sogenannten Rückvermeisterung bei den Fotografen kommt – anders als in anderen Gewerken. "Bei den Fotografen gibt es kaum mehr aktive Innungen, keine starke Lobby, die hier mitbestimmt", erklärt er nochmals, warum er die Branche nicht mehr im Handwerk angesiedelt sieht. Auch um Fragen der Gewährleistung und andere rechtliche Hürden gäbe es kaum.
2020: Neue Meisterprüfungsverordnung für Fotografen
Der Fotograf – Künstler oder Handwerker? Was sehr pathetisch klingt, ist auch eine Frage die politisch diskutiert wird. Die angestrebte Wiedereinführung der Meisterpflicht in einigen Handwerksberufen schürt bei den Fotografen eine vermeintlich kontroverser geführte Debatte als in anderen Berufen – mit kritischen Rundschreiben dafür und Online-Petitionen dagegen. Doch auch neben diesem Schauplatz tut sich einiges. So hält Hans Starosta dem Vorwurf der verstaubten Meisterprüfungsverordnung einen Erfolg entgegen: "Anfang 2020 wird die neue Meisterprüfungsverordnung Gesetz werden. Wir haben über ein Jahr daran gearbeitet und gegen einige Widerstände die modernste Ausbildung in Europa geschaffen."