Fleischer-Präsident Herbert Dohrmann weist den Vorschlag von Bundeslandwirtschaftsminister Christian Schmidt zur Fleischpflicht an Schulen zurück, kritisiert die Lockangebote von Discountern und fordert eine klare Kennzeichnungspflicht für Fleisch-Ersatzprodukte.
Steffen Guthardt

DHZ: Herr Dohrmann, Ernährungs- und Landwirtschaftsminister Christian Schmidt fordert, dass Fleisch in jeder Kita und Schule auf dem Speiseplan steht. Was halten Sie davon?
Dohrmann: Ich finde diese Diskussion überflüssig und bewerte es als Wahlkampfgerede. Jeder soll doch bitte selbst entscheiden dürfen, was er isst. Und in den Schulen und Kitas gibt es Elternbeiräte, die sich Gedanken über die Speisepläne im Sinne ihrer Kinder machen. Die Politik kann zum Thema Lebensmittel Nützlicheres beitragen.
DHZ: Zum Beispiel?
Dohrmann: Sie kann sich vor allem stärker um den Stellenwert von hochwertigen Lebensmitteln und ausgewogener, gesunder Ernährung bemühen. Es kann doch nicht sein, dass ein Stück Fleisch, für das ein Tier sein Leben lassen muss, günstiger zu kaufen ist als nachwachsende Lebensmittel wie Obst und Gemüse oder ein Laib Brot. Fleisch wird von Supermärkten als billiges Lockangebot genutzt, um Kunden anzuziehen. Von dieser Kultur müssen wir wegkommen.
DHZ: Aber würde Fleisch dadurch nicht zu einem Produkt, das Besserverdienern vorbehalten ist?
Dohrmann: Es muss nicht immer teures Schnitzel, Filet oder Kotelett gekauft werden. Das Fleischerhandwerk ist daran interessiert, das Tier als Ganzes zu verwerten. Leider sind günstigere Produkte wie Dicke Rippe, Eisbein oder Bauchfleisch in den vergangenen Jahren völlig zu Unrecht aus der Mode gekommen. Wir können die Verbraucher nur ermuntern, sich bei ihrem regionalen Metzger zu informieren, was es neben Schnitzel noch zu kaufen gibt.
"Wo Mortadella draufsteht, muss auch Mortadella drin sein."
DHZ: In der Mode sind dagegen vegane oder vegetarische Fleischersatzprodukte. Wie finden Sie die Veggie-Kultur?
Dohrmann: Es ist doch gut, dass wir in einem Land mit so vielfältigem Lebensmittelangebot leben. Deswegen wird aber nicht weniger Fleisch verzehrt. Ich glaube zudem, dass echte Veganer einen großen Bogen um eine Fleischerei machen werden.
DHZ: Warum bieten dann viele Betriebe die fleischlosen Produkte an?
Dohrmann: Unsere Zielgruppe sind eher die „Flexitarier“, die sich sehr bewusst ernähren und nicht jeden Tag Fleisch essen wollen. Ihnen müssen wir Alternativen anbieten. Das betrifft das Ladengeschäft, aber vor allem auch den Catering-Bereich, den viele Betriebe inzwischen nebenher betreiben. Die vegetarischen Produkte müssen allerdings auch korrekt benannt werden.
DHZ: Was meinen Sie damit?
Dohrmann: Die gesetzlichen Leitlinien für die Wurstherstellung schreiben uns genau vor, wie viel Fett oder Magerfleisch zum Beispiel eine Mortadella enthalten darf. Deshalb kann es nicht sein, dass ein veganes Produkt unter dem gleichen Namen verkauft wird. Damit führen wir die Verbraucher in die Irre. Hier brauchen wir eine klare Gesetzgebung.
DHZ: Ob mit oder ohne Fleisch – die Produkte Ihres Handwerks genießen allgemein einen guten Ruf. Warum gilt das nicht auch für den Beruf des Fleischers?
Dohrmann: Ich kann nicht abstreiten, dass wir ein Imageproblem haben und es uns schwer fällt, junge Leute für das Fleischerhandwerk zu begeistern. Allerdings unternehmen wir sehr viel, um dem Fachkräftemangel entgegenzuwirken. Ein Beispiel ist unser Internetauftritt fleischerberufe.de, der ganz gezielt den Nachwuchs anspricht und aufklärt, wie sich die Ausbildung über die Jahre gewandelt hat.
DHZ: Viel rohes Fleisch, viel Blut – stimmen diese Assoziationen zur Ausbildung heute nicht mehr?
Dohrmann: In der modernen Fleischerküche sehen Sie Blut heute allenfalls noch bei der Zubereitung von Blutwurst. Viele wissen ja nicht einmal, dass die Schlachtung von Tieren ein freiwilliger Wahlprüfstein in der Ausbildung ist. Ich selbst habe in meiner fast 40-jährigen Laufbahn noch nie ein Tier geschlachtet.
DHZ: Apropos Schlachtung. Könnte sich das Handwerk durch dezentralisierte, regionale Schlachtstätten nicht von der Industrie abgrenzen?
Dohrmann: Die Zentralisierung mit Großschlachthöfen haben wir nie gut gefunden. Inzwischen ist dieses Modell aber so ausgeufert, dass es wohl keinen Weg zurück gibt. Zumindest nicht dann, wenn über Willensbekundungen der Politik hinaus keine großen Investitionen getätigt werden. Die Untersuchungskosten für Schlachtungen sind exorbitant. Ich will Ihnen ein Beispiel nennen: Mancher industrieller Großbetrieb zahlt für die Untersuchung je selbst geschlachtetem Schwein nur 2,50 Euro. Ein ländlicher Handwerkbetrieb muss dagegen pro geschlachtetem Tier über 20 Euro kalkulieren. Das kann sich nicht rechnen.
DHZ: Zurück zu ihren Nachwuchssorgen. Wo sehen Sie denn noch Potenziale für Fachkräfte?
Dohrmann: Wir versuchen z.B., Zuwanderer für unsere Ausbildung zu gewinnen. Allerdings wird in fast allen Fällen die Sprache zum unüberwindbaren Problem. Deshalb können wir sie bestenfalls als Hilfskräfte, aber nicht als Fachkräfte, einsetzen. Das ist schade, weil viele der jungen Menschen eigentlich hochmotiviert sind. In diesem Bereich muss die Politik noch viel mehr machen.
"Die Zentralisierung mit Großschlachthöfen haben wir nie gut gefunden."
DHZ: Zum Fachkräftemangel gesellt sich bei vielen Fleischereien auch noch ein Nachfolgermangel. Eine ungünstige Kombination.
Dohrmann: Das ist nicht von der Hand zu weisen. Kleinbetriebe, die einen Nachfolger suchen, haben leider oft ein veraltetes Management und jahrelangen Investitionsrückstau. Aber wer richtig sucht, findet genauso die gut aufgestellten Unternehmen mit modernen Organisationsstrukturen.
DHZ: Trotzdem – warum versprüht die eine oder andere Metzgerei noch den Charme der 1980er-Jahre?
Dohrmann: Ich stimme Ihnen zu, dass der eine oder andere Laden eine Modernisierung vertragen könnte. Dabei nehme ich mich nicht aus. Von meinen fünf Standorten sind drei auf dem neuesten Stand und zwei nicht. Sie dürfen aber nicht vergessen, dass eine grundlegende Modernisierung schnell mit Kosten von mehreren hunderttausend Euro verbunden ist. Das muss ein Betrieb erstmal erwirtschaften.
DHZ: Sehen Sie die Fleischerbetriebe insgesamt als zukunftsfähig an?
Dohrmann: Die meisten durchaus. Nehmen wir als Beispiel den Online-Shop mit Lieferdienst. Einige meiner Kollegen sind hier sehr erfolgreich unterwegs und erschließen neue Umsatzpotenziale, die weit über das Einzugsgebiet des Ladens reichen. Was Amazon mit seinem Lebensmittel-Lieferdienst gerade auf die Straße bringen will, setzen große Teile des Fleischerhandwerks bereits um.