Wahl des Europaparlaments Europawahl: Auf diese Abgeordneten muss das Handwerk achten

Nicola Beer, Markus Ferber und Reinhard Bütikofer sind nur ein paar der Namen, die man sich für die Europawahl im Mai merken sollte. Die Deutsche Handwerks Zeitung porträtiert sechs Kandidaten, die nach der Europawahl vor allem für das Handwerk eine wichtige Rolle in Brüssel spielen dürften.

Hajo Friedrich

Die Europawahl findet vom 23. bis 26. Mai statt. In Deutschland können die Wähler am Sonntag, 26. Mai, an die Wahlurne treten. - © rustamank - stock.adobe.com

Brüssel ist für viele Wähler weit weg. Die meisten Deutschen kennen ihre Europaabgeordneten vermutlich gar nicht. Und wenn doch, so ist zumindest unklar, wie Entscheidungen im Europäischen Parlament zustande kommen und wer daran maßgeblich mitwirkt. Die Deutsche Handwerks Zeitung stellt sechs Kandidaten verschiedener Parteien vor, die im nächsten EU-Parlament für das Handwerk wichtig werden könnten.

Andreas Schwab (CDU)

Mit einer führenden Rolle von Andreas Schwab (CDU) in der europäischen Binnenmarktgesetzgebung muss das deutsche Handwerk auch in der kommenden Legislaturperiode rechnen. Denn warum sollte die voraussichtlich auch künftig größte Fraktion im EU-Parlament, die Europäische Volkspartei (EVP), nicht auch in den kommenden fünf Jahren auf die Expertise und Erfahrung des Europarechtexperten aus Baden-Württemberg setzen. Der Binnenmarkt müsse weiter harmonisiert und geöffnet werden, lautet das Credo des binnenmarktpolitischen Sprechers der EVP-Fraktion. In gleichem Atemzug ermuntert er aber auch insbesondere den gelegentlich mit „Brüssel“ hadernden Mittelstand, passgenaue Vorschläge für bessere Gesetzgebung und Programme zu liefern. Schwab wirkt dabei inzwischen manchmal wie ein Chirurg am Operationstisch der europäischen Gesetzgebung. Für einen Aufstieg auf der politischen Karriereleiter in Brüssel oder Berlin wird er aber wohl noch seine anderen Talente weiterentwickeln müssen.

Evelyne Gebhardt (SPD)

Die SPD tut sich mit dem EU-Kernthema Binnenmarkt offensichtlich schwer. Da hat sie mit Evelyne Gebhardt seit 25 Jahren eine allseits anerkannte sowie sprech- und sprachmächtige Expertin auf diesem Feld in Brüssel und Straßburg. Und dann wird sie von der fernen Parteispitze in Berlin für die anstehenden EU-Wahlen zunächst nur auf einen der hinteren, aussichtslosen Plätze gesetzt. Nur nach heftigem Aufbegehren ihrer Basis in Baden-Württemberg erhielt die bei Paris geborene, derzeitige Vizepräsidentin des EU-Parlaments den Listenplatz 15. Dieser galt früher als sicher, heute dagegen dürften die SPD-Kandidaten auf diesen Plätzen wohl schon um ihren Einzug in die EU-Volksvertretung zittern. Über Jahre hat sich Gebhardt dafür eingesetzt, dass im Rahmen der umfangreichen Binnenmarktgesetzgebung alle Vorschriften und Maßnahmen auch soziale Kriterien berücksichtigen. So wird der entsprechende Artikel 1 der EU-Dienstleistungsrichtlinie unter Kennern gelegentlich auch „Gebhardt-Klausel“ genannt.

Markus Ferber (CSU)

Auch der schwäbische CSU-Politiker Markus Ferber gehört dem EU-Parlament schon ein Vierteljahrhundert an und zählt dort auf dem Feld der Wirtschaftspolitik zu einem der wichtigsten Strippenzieher. Nachdem sich der studierte Ingenieur zunächst der Liberalisierung der europäischen Verkehrspolitik gewidmet hatte, spielt er inzwischen eine federführende Rolle in der europäischen Finanzmarktgesetzgebung. Da geht es nicht nur um den Euro und die Großbanken, sondern auch um die für Klein- und Mittelbetriebe wichtigen Kreditvorschriften. In der laufenden Wahlperiode wurde der immer freundliche und ansprechbare Schwabe zum stellvertretenden Vorsitzenden des darüber entscheidenden Ausschusses gewählt. Dass sich die CSU diesmal – nicht zuletzt zur Unterstützung des EVP-Spitzenkandidaten Manfred Weber für den Präsidentenposten in der EU-Kommission – für einen klar EU-freundlichen Kurs entschieden hat, mag dem Augsburger eine späte Genugtuung bereiten. Der Name Weber steht aber auch dafür, dass die CSU ihren Brüsseler Einfluss optimal ausgereizt haben dürfte.

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    Mit ihrer derzeitigen Generalsekretärin Nicola Beer hat die FDP ein parteipolitisches Schwergewicht auf Platz eins ihrer Liste zu den EU-Wahlen gesetzt.
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    Wenn es um wirtschaftspolitische Kernkompetenzen geht, dann ist für KMU und Handwerk Reinhard Bütikofer der Grünen meist die erste Anlaufstelle.
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    Der schwäbische CSU-Politiker Markus Ferber gehört dem EU-Parlament schon ein Vierteljahrhundert an und zählt dort auf dem Feld der Wirtschaftspolitik zu einem der wichtigesten Strippenzieher.
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    Die derzeitige Vizepräsidentin des EU-Parlaments Evelyne Gebhart (SPD), ist seit 25 Jahren eine anerkannte Expertin für das EU-Kernthema Binnenmarkt.
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    Ulrike Müller ist ehemalige bayerische Landtagsabgeordnete der Freien Wähler und zog vor fünf Jahren als Einzelkämpfering ind EU-Parlament ein.
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    Mit einer führenden Rolle von Andreas Schwab (CDU) in der europäischen Binnenmarktgesetztgebung muss das deutsche Handwerk auch in der kommenden Legislaturperiode rechnen.

Reinhard Bütikofer (Die Grünen)

Die große europapolitische Bühne überlässt der gebürtige Mannheimer den beiden Senkrechtstartern der Grünen, Sven Giegold und Ska Keller. Aber wenn es um wirtschaftspolitische Kernkompetenz geht, dann ist auch für KMU und Handwerk meist Reinhard Bütikofer die erste Anlaufstelle. Wie kaum ein anderer im EU-Getriebe nimmt sich der ehemalige Maoist Zeit, Zusammenhänge zu vermitteln. Er kann auch Brücken zwischen einst unversöhnlichen Lagern bauen. Lange bevor sich die EU – wie jüngst – mit dem eher aktionistischen Verbot von Plastikgeschirr zu profilieren versucht hat, entwickelte Bütikofer Konzepte für eine nachhaltige Ressourcenbewirtschaftung und einen „grünen Deal“. Die deutschen Grünen könnten demnächst in Straßburg in doppelter Stärke vertreten sein. Dass die anderen EU-Länder wohl nicht entsprechend mitziehen werden, das kann dem Ko-Vorsitzenden des Zusammenschlusses der europäischen grünen Parteien nicht angelastet werden. Dennoch dürfte Reinhard Bütikofer wohl eine wichtige Rolle bei der Wahl des nächsten Kommissionspräsidenten spielen.

Nicola Beer (FDP)

Mit ihrer derzeitigen Generalsekretärin Nicola Beer hat die FDP ein parteipolitisches Schwergewicht auf Platz eins ihrer Liste zu den EU-Wahlen gesetzt. Das Brüsseler Parkett ist der gelernten Bankkauffrau und ausgebildeten Rechtsanwältin längst vertraut. Vor knapp zehn Jahren war die gebürtige Wiesbadenerin als Europa-Staatssekretärin der hessischen Landesregierung federführend beteiligt, den Brüsseler Vorposten des Landes zu einem der einflussreichsten Treffpunkte in Brüssel auszubauen. Zu erwarten ist, dass Beer in den kommenden fünf Jahren im EU-Parlament ihre Herzensanliegen, wie die Aus- und Weiterbildung, voranzubringen versucht. Die Liberalen werden gebraucht und umworben. Nach aktuellen Schätzungen dürfte es ab Sommer in der EU-Volksvertretung nicht mehr zu einer Mehrheit für eine große Koalition aus schwarzen und roten Parteien reichen. Mit der Dänin und amtierenden EU-Wettbewerbskommissarin Margarethe Vestager haben die Liberalen eine starke Persönlichkeit in ihren Reihen, die sich parteiübergreifend viele als Juncker-Nachfolgerin wünschen.

Ulrike Müller (Freie Wähler)

Wie groß das Herz für die Klein- und Mittelbetriebe von Ulrike Müller ist, das hat die gebürtige Augsburgerin in ihrer ersten Amtszeit schon eindrücklich bewiesen. Dabei ist die ehemalige bayerische Landtagsabgeordnete der Freien Wähler vor fünf Jahren als Einzelkämpferin ins EU-Parlament eingezogen. Ihre Partei hat dabei von der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts profitiert, wonach die vom Bundestag errichtete Drei-Prozent-Hürde für EU-Wahlen nicht, sondern nur ein „natürliches“ Quorum von 0,5 Prozent gelten darf. Klug war auch, dass sich Müller einer der größeren Fraktionen, den Liberalen, angeschlossen hat. Damit konnte sie gleich auf eingespielte Arbeitsabläufe zurückgreifen. Das ist die ausgebildete Hauswirtschafterin ohnehin von früh bis spät auf ihrem Milch-Bauernhof im Oberallgäu gewohnt. Kein Wunder, das die Landwirtschaftspolitik und der Verbraucherschutz einen Großteil ihrer Arbeitszeit okkupieren. Gut möglich, dass die Freien Wähler künftig mit dem ehrgeizigen Hessen, Engin Eroglu, über einen zweiten Abgeordneten im EU-Parlament verfügen.