Interview mit Paralympics-Star Markus Rehm "Rio ist das nächste große Ziel"

Markus Rehm ist Orthopädietechniker-Meister und Leistungssportler. Bei den Paralympics 2012 in London holte er Gold. Im DHZ-Interview erzählt Rehm, wie er sein Handwerk und den Sport unter einen Hut bringt. Und was er denkt, wenn er "Rio" hört.

Burkhard Riering

Er ist Orthopädietechniker-Meister, Leistungssportler und Goldgewinner der Paralympics: Markus Rehm. - © Foto: OT

DHZ: Herr Rehm, 2012 war ein spektakuläres Paralympics-Jahr mit vielen Höhepunkten und einer enormen Medienpräsenz für die Athleten. Was kommt nach so einem Ausnahmejahr? Wie kann man die Motivation da hochhalten?

Rehm: 2012 war gigantisch. Die fantastische Stimmung in London, die Fans im Olympiastadion, die vielen Rekorde. Ich habe im Weitsprung Gold und Weltrekord geholt und mit der 4-mal-100-Meter-Staffel Bronze. Aber nach so einem Event ist ja nicht Schluss. Ich versuche jedes Jahr, mich zu verbessern und an mir zu arbeiten. Und außerdem denke ich ja schon an Rio de Janeiro: Wenn dort 2016 die Paralympics stattfinden, will ich meine Leistungen noch etwas höher schrauben. Das ist das Ziel.

7,35 Meter - mit dieser Marke hat Markus Rehm bei den Paralympics in London Gold geholt. - © Foto: OT
Markus Rehm

DHZ: Was steht 2013 auf dem Programm?

Rehm: Ende Juli sind die Leichtathletik-Weltmeisterschaften der Behinderten in Lyon, da habe ich viel vor. Vielleicht werde ich meine 7,35 Meter im Weitsprung aus London ja noch mal toppen können, wer weiß. Ansonsten möchte ich auch bei offenen Wettkämpfen mit Nichtbehinderten teilnehmen wie zum Beispiel dieses Jahr in Wesel.

DHZ: Die Teilnahme des unterschenkelamputierten Athleten Oscar Pistorius an den Olympischen Spielen in London hat vergangenes Jahr für viel Wirbel gesorgt. Wie sehen Sie das: Sollten Menschen mit Prothesen teilnehmen dürfen?

Rehm: Es ist eigentlich offiziell verboten, teilzunehmen. Oscar Pistorius hat es dennoch geschafft. Ich finde das okay, denn wir hätten ja sonst keine Möglichkeit, bei normalen Wettkämpfen mitzumachen. Außerdem war das Rennen von Pistorius auch von einer Art Signalwirkung begleitet: Abermillionen vor den Fernsehern sehen zu, wie normal da einer mit seiner Behinderung umgeht und es gegen die anderen wissen will. Er hatte es verdient zu starten.

Sechs Mal die Woche Training

DHZ: Was wäre aber passiert, wenn Pistorius gewonnen hätte?

Rehm: Die Frage ist sehr berechtigt. Dann wäre die Debatte um das so genannte „Techno-Doping“ – also Vorteile durch bessere Prothesen – erst recht hochgekocht. Es wurde ohnehin schon sehr aufgebauscht während der Paralympics.

DHZ: Ist da nichts dran?

Rehm: Es ist doch so: Die Prothesen leisten doch nur das, was ich an Kraft und Geschicklichkeit hineingebe. Mehr nicht. Deswegen trainieren wir hart. Ich bin sechs Mal die Woche auf der Bahn oder im Kraftraum.

DHZ: Allerdings wird es durch die stete Verbesserung der Technik immer schwieriger, Normen zu finden, um die Gleichwertigkeit der Wettkampf-Teilnehmer zu gewährleisten.

Rehm: Eigentlich sind die Klassen ziemlich einfach zu trennen, da man Amputationen relativ leicht feststellen und einteilen kann. Das einzige Problem ist, dass man bei kombinierten Wettkämpfen wie zum Beispiel Weitsprung der Ober- und Unterschenkel-Amputierten ein Punktesystem eingeführt hat, dass nie so richtig gerecht ist, weil man die Leistungen nicht in Punkte bewerten kann. Deshalb sollten die Klassen eigene, getrennte Wettkämpfe bekommen.

Markus Rehm mit Bundeskanzlerin Angela Merkel auf der Handwerksmesse 2013. - © Foto: Michael Schuhmann
Kopie von: IHM 2013: Merkel beim Rundgang

DHZ: Sie sind selbst Orthopädietechniker. Wie sehr hilft Ihnen das im Sport?

Rehm: Ich kenne mich mit der Technik und den technischen Möglichkeiten aus, das hilft schon sehr. Ich probiere manches im Training aus und kann dann orthopädietechnisch darauf reagieren. Ich muss zugeben, ich bastle auch sehr gern ein bisschen herum und suche immer nach Verbesserungen. Bei meinem Arbeitgeber Rahm in Troisdorf kann ich mich zudem mit den Kollegen austauschen. Ich arbeite zurzeit halbtags.

Beim OTler in der Werkstatt zugeguckt

DHZ: Wie sind Sie überhaupt zur Orthopädietechnik gekommen?

Rehm: Ich bekam mit 14 Jahren Prothesen. Ich habe weiterhin viel Sport gemacht und die Dinger dauernd geschrottet. Ständig war ich beim Orthopädietechniker. Manchmal habe ich in der Werkstatt zugeguckt, weil ich das spannend fand. Und so habe ich dort einen Ferienjob gemacht. So kam eines zum anderen: Ausbildung, Geselle, und kurz vor London dann den Meister.

Markus Rehm, Orthopädietechniker und Leichtathlet. - © Rehm
Markus Rehm

Biografie:

Markus Rehm, Jahrgang 1988, hat im Alter von 14 Jahren den Unterschenkel seines rechten Beines verloren. Ein Wakeboardunfall. Doch der begeisterte Sportler machte nach der Reha weiter Sport. Die vielen Besuche beim Orthopädietechniker entfachten sein Interesse für das Handwerk. Heute ist Rehm halbtags als Orthopädietechniker-Meister im Job, den Rest der Zeit trainiert er. Der Athlet hält zurzeit den Weltrekord im Weitsprung mit 7,35 Metern.