Im ersten Halbjahr sind die Baugenehmigungen um 27 Prozent im Vergleich zum Vorjahr zurückgegangen. Das Baugewerbe schlägt Alarm und spricht in diesem Zusammenhang auch von einer Frage des sozialen Friedens in Deutschland.
"Der Nachfrageeinbruch im Wohnungsbau setzt sich immer weiter fort", kommentiert Felix Pakleppa, Hauptgeschäftsführer Zentralverband Deutsches Baugewerbe (ZDB), die aktuellen Meldungen des Statistischen Bundesamtes zu den Baugenehmigungszahlen und den Auftragseingängen im ersten Halbjahr 2023.
Demnach fehlen im ersten Halbjahr im Vergleich zum Vorjahr Baugenehmigungen für fast 51.000 Wohnungen – ein Rückgang um 27 Prozent. Ähnlich sieht es bei den Auftragseingängen aus: Hier fehlen real circa 29 Prozent zum Vorjahr. "Besonders eklatant ist der Rückgang der Baugenehmigungszahlen für Ein- und Zweifamilienhäuser", führt Pakleppa aus. Laut der aktuellen Daten brechen sie in Summe um über 40 Prozent ein. Aber auch bei den Mehrfamilienhäusern – also dem überwiegend Mietwohnungsbereich – kommen nur noch knapp 70 Prozent der Genehmigungen rein.
"Bedenkt man zusätzlich, dass wir schon im Vorjahr einen Rückgang bei den Baugenehmigungen für Wohnungen von gut 25.000 Wohneinheiten sehen mussten, liegt eines klar auf der Hand: Diese Entwicklung läuft den Erfordernissen des Wohnungsmarktes diametral entgegen", so Pakleppa weiter. Er fordert mehr Wohnungsbau, um das von der Bunderegierung angestrebte Ziel von 400.000 Wohnungen pro Jahr zu erreichen. "Diese Wohnungen bereitzustellen, ist auch eine Frage des sozialen Friedens in Deutschland", so der Verbands-Hauptgeschäftsführer.
Baugewerbe fordert Investitionsanreize
Um dem Problem entgegenzutreten, fordert der ZDB schnelle Investitionsanreize. Nur dadurch sei zu verhindern, dass sich der Nachfragerückgang auf die Beschäftigung durchschlägt. "Wir haben in den letzten zehn Jahren im Angesicht der Baubedarfe im Wohnungsbau, bei der Infrastruktur, bei der Klima- und Energiewende 200.000 Arbeitsplätze geschaffen. Die Bauunternehmen brauchen jetzt die Aufträge für die geschaffenen Kapazitäten", fordert Pakleppa.
Auch die Zins-Schockstarre beim Wohnungsbau löse sich nicht von alleine auf, so der ZDB. Der Verband fordert, die Förderung im klimafreundlichen Neubau bei den Darlehenssätzen und der Zinsstützung deutlich aufzustocken. Im Mietwohnungsbau sei die vom Bauministerium vorgeschlagene Sonder-Afa ohne Bindung an den EH 40-Standard ein Ansatz. Auch bei der Wohneigentumsförderung für Familien sollte nach Meinung des ZDB die Kopplung entfallen und eine direkte Eigenkapitalstützung erfolgen. Zudem, so der Verband, würde es potentiellen Investoren helfen, wenn Bund und Länder den Weg für Freibeträge bei der Grunderwerbssteuer freimachen.
"Wir dürfen außerdem nicht verkennen, dass auch im übrigen Hochbau, namentlich im Wirtschaftshochbau, seit Jahresbeginn die Order deutlich ausgeblieben sind", warnt Pakleppa. Demnach fehlten zum Halbjahr im Hochbau ohne Wohnungsbau real gut 13 Prozent. Und auch die Aufträge der öffentlichen Hand blieben klar hinter den Vorjahresinvestments zurück.
Die Umsätze der Unternehmen im Bauhauptgewerbe
Nach den Daten des Statistischen Bundesamtes, so der ZDB, erzielten die Unternehmen im Bauhauptgewerbe mit 20 und mehr Beschäftigten im ersten Halbjahr einen Umsatz von circa 49 Milliarden Euro, nominal ein Plus von fast sechs Prozent, real, das heißt unter Herausrechnung der Preisentwicklung, ein Minus von 5,5 Prozent. Die Order erreichten ein Volumen von circa 49,7 Milliarden Euro, ein nominaler Rückgang um zwei Prozent, real um 13 Prozent.
Angesichts der sich verschärfenden Krise in der Bauwirtschaft meldete sich vergangene Woche auch der Sächsische Handwerkstag zu Wort. "Wenn zudem der Internationale Währungsfonds für Deutschland 2023 die schlechteste Wirtschaftsentwicklung aller G-7-Staaten voraussagt, muss uns dies erst recht zu denken geben. Während die Weltwirtschaft in diesem Jahr um drei Prozent wachse, werde mit Deutschland eine der stärksten Volkswirtschaften der Welt um 0,3 Prozent schrumpfen", stellte der Sprecher der Geschäftsführung des Sächsischen Handwerkstages, Andreas Brzezinski, fest. Er forderte die Bundesregierung dazu auf, einen Bau-Krisengipfel einzuberufen. ew
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