Gesundheitsgefährdende Werkstoffe Epoxidharze: Technisch geniales Teufelszeug

Moderne Werkstoffe wie Epoxidharze sind hochfunktional und werden auf dem Bau vielfältig eingesetzt. Doch sie bergen gesundheitliche Gefahren für die Anwender - im schlimmsten Fall droht die Berufsunfähigkeit.

Barbara Oberst

"Jeder, der mit Epoxidharzen arbeitet, sollte seine persönliche Schutzausrüstung tragen, sonst hat er seine Allergie", warnt Reinhold Rühl, Leiter des Bereichs Gefahrstoffe der BG Bau. - © Foto: BG Bau

"Früher hieß es: Wenn du auf dem Bau arbeitest, reicht es, wenn du bis fünf zählen kannst – eine Schaufel Zement, vier Schaufeln Sand, fertig ist der Beton. Das hat damals schon nicht gestimmt." Reinhold Rühl ist promovierter Chemiker bei der Berufsgenossenschaft Bau (BG Bau). Er bemüht sich seit Jahren darum, den Umgang mit Gefahrstoffen sicherer zu machen. Wer heute seinem Job auf einer Baustelle nachgeht, arbeitet nach Rühls Ansicht in einer Hightechbranche.

Allergien drohen

Wo vor 20 Jahren noch natürliche Chromverbindungen im Zement die häufigste Ursache für Hauterkrankungen von Bauarbeitern waren, dominieren heute komplizierte Stoffe wie Epoxidharze die Liste der Krankheitsauslöser. Gefahr und Nutzen liegen bei modernen Werkstoffen nah beieinander.

"Epoxidharze sind technisch ein geniales Zeug. Viele Anwendungen sind erst möglich, seit es Epoxidharze gibt", kommt der Chemiker Rühl beinahe ins Schwärmen. Epoxidharze halten sowohl mechanischen als auch chemischen Reizen lange stand. Sie haben ein hervorragendes Haftvermögen, schrumpfen kaum beim Aushärten und dienen zudem als elektrischer Isolator. Folglich werden sie breit eingesetzt, unter anderem für Beschichtungen, als Lacke, Klebstoffe und Sanierungschemikalien.

Doch die Allergisierungspotenz von Epoxidharzen ist enorm. "Wenn Sie zwei Wochen damit umgehen und nicht aufpassen, haben Sie Ihre Allergie", stellt Rühl fest. Jährlich bestätigen die gewerblichen Berufsgenossenschaften rund 300 neue Epoxidharz-Erkrankungen, wohl wissend, dass längst nicht alle Fälle gemeldet werden. Einmal erkrankt, können Betroffene nicht mehr mit dem Stoff arbeiten. Viele müssen ihren Beruf für immer aufgeben.

Viele Hersteller bieten Gebinde, die sicher gemischt werden können ohne die Gefahr von Spritzern. - © Foto: BG Bau
Epoxidharze

Im Handwerk führen Boden- und Fliesenleger die Liste der Betroffenen an, gefolgt von Malern und Lackierern sowie Mitarbeitern der Metall- und Elektrotechnik.

Sichere Gebinde verwenden

Auf Epoxidharze ganz zu verzichten ist in der heutigen Wirtschaft kaum möglich. Doch viele Hersteller bieten risikoarme Lieferformen, beispielsweise durchstoßbare Gebinde. So kann der Härter gefahrlos in das Harz laufen. Auch in Mehrkammerbeuteln lassen sich die Komponenten ohne Hautkontakt mischen, ebenso bei Mischpistolen. Auch sind nicht alle Produkte gleich stark allergisierend.

Unter der Adresse www.inqa-epoxibewertung.de (derzeit nicht abrufbar) können Anwender im Internet nachlesen, welches jeweilige Mittel für die von ihnen gewünschte Anwendung das geringste Allergisierungspotenzial hat. Erstaunlich ist, dass in manchen Unternehmen überhaupt keine Allergisierungen vorkommen, in anderen ganz viele.

Deswegen hat die Bau BG gemeinsam mit der niederländischen ARBOUW (Wissens- und Dienstleistungsinstitut für Arbeitsbedingungen im Bauwesen) Erkrankte und Nichterkrankte über ihren Umgang mit Epoxidharzen befragt: "Der Unterschied scheint in der Information zu bestehen: Die Erkrankten wussten weniger über die Gefahren und hatten folglich auch deutlich seltener Handschuhe getragen als die gesunde Vergleichs­gruppe", fasst Rühl die Ergebnisse zu­sammen.

Unternehmen, die mit den Gebinden auch gleich Schutzhandschuhe mitliefern und ihre Mitarbeiter über die Gefahren aufklären, sind also auf der sicheren Seite.

Schutzkleidung bewahrt vor Erkrankung

Ausgehärtete Epoxidharze sind ungefährlich. In feuchtem Zustand aber lösen sie schon bei geringem Haut- oder Augenkontakt eine starke allergische Reaktion aus: Massive Haut-Ekzeme, vor allem an Händen und Beinen, aber auch im Gesicht und Nacken sind die häufigsten Symptome. Eine persönliche Schutzausrüstung (PSA) ist deswegen unerlässlich.

Informationen über Schutzmaßnahmen und über geeignete Handschuhe gibt es im Praxisleitfaden Epoxidharze der BG Bau, die sowohl Handschuhe empfiehlt, die eine ganze Schicht lang halten, als auch solche, die spätestens nach 20 Minuten gewechselt werden müssen, wenn sie mit Epoxidharzen benetzt wurden. Mitarbeiter auf der Baustelle müssen also nicht nur ein, sondern mehrere Paare Handschuhe haben. Wer die stets aus mehreren Komponenten bestehenden Epoxidharze vermischt, sollte sorgfältig arbeiten.

Am sichersten sind Gebinde, die in geschlossenem Zustand gemischt werden können. So lässt sich sauber arbeiten und das Mischungsverhältnis ist ideal. Wer dagegen selbst mischt und ungenau arbeitet, riskiert technische Probleme oder gar unkontrollierte chemische Reaktionen. Die Gefahr, seine Kleidung zu verunreinigen oder Spritzer direkt auf die Haut zu bekommen, ist hier deutlich höher.

Auch beim Aufbringen des Materials müssen die Verarbeiter sorgsam vorgehen, insbesondere, wenn sie im Spritzverfahren arbeiten. Hier ist nicht nur die Haut durch Spritzer besonders gefährdet, sondern auch die Atemwege, wenn der Verarbeiter die beim Spritzen entstehenden Aerosole einatmet. Besonders kritisch ist die Phase nach getaner Arbeit: Häufig tragen die Arbeiter zwar während ihrer Tätigkeit ihre Schutzausrüstung, fassen dann aber beim Aufräumen, beim Reinigen und Abtransport der Arbeitsmaterialien oder beim Ausziehen ihrer Schutzkleidung mit bloßen Händen verschmutzte Gegenstände an.

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