Der "gelbe Schein" hat schon bald ausgedient. Seit Oktober 2021 wird die Krankmeldung nicht mehr nur in Papierform, sondern auch digital übermittelt. Wie das genau passiert, welche Übergangsfrist zu beachten ist – und warum der Deutsche Gewerkschaftsbund die digitale Krankmeldung kritisch sieht.

Die vom Arzt ausgestellte Krankmeldung auf Papier wird Stück für Stück durch eine digitale Bescheinigung ersetzt. Seit dem 1. Oktober müssen behandelnde Ärzte die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen digital an die Krankenkassen übermitteln. In einem zweiten Schritt informiert die jeweilige Kasse den Arbeitgeber elektronisch über Beginn und Dauer der Arbeitsunfähigkeit (AU): Bis zum 30. Juni 2022 müssen Ärzte neben der elektronischen Datenübermittlung übergangsweise auch noch Papier-Bescheinigungen für den Versicherten und den Arbeitgeber ausstellen. Der Versicherte muss den Durchschlag wie bisher selbst an seinen Arbeitgeber weiterreichen. Ab dem 1. Juli 2022 stellen die Kassen die von den Vertragsärzten elektronisch übermittelten AU-Daten den Arbeitgebern ebenfalls digital zur Verfügung. Die Verpflichtung, dem Versicherten eine Bescheinigung der Arbeitsunfähigkeit auszuhändigen, bleibt für die Ärzte jedoch bestehen.
Die Neuregelungen sind Teil eines umfangreichen Gesetzespakets zum Bürokratieabbau, das der Bundestag Ende 2019 verabschiedet hat.
Pilotprojekt zeigt, dass das Verfahren funktioniert
Dass das elektronische Verfahren grundsätzlich funktioniert, zeigt ein Pilotprojekt der Techniker Krankenkasse (TK), an dem sich bundesweit mehr als 600 Ärzte beteiligen: Schon seit 2017 haben TK-Versicherte die Möglichkeit, ihr Attest über den Arzt mittels dessen Praxissoftware digital an die Krankenkasse zu übermitteln. Eine sechsstellige Zahl an Krankschreibungen ist auf diesem Weg bereits bei der TK eingegangen. "Die Zahlen zeigen, dass die elektronische Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung von Ärzten und Versicherten angenommen und genutzt wird. Das bestätigt uns darin, die digitale Krankschreibung konsequent weiter voranzutreiben und zu etablieren", sagt Thomas Ballast, stellvertretender Vorstandsvorsitzender der TK. "Die Vorteile liegen dabei klar auf der Hand: Die Ärzte schicken die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung mit einem Klick an die Krankenkasse. Die Patienten können sich so auf ihre Gesundheit konzentrieren und müssen sich nicht damit beschäftigen, die Bescheinigungen einzuscannen oder in die Post zu geben. Auch das Risiko, das Einreichen zu vergessen, entfällt damit."
Wenn dann die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen auch noch in digitaler Form von der Krankenkasse an den Arbeitgeber weitergeleitet werden, ist der letzte Schritt zur vollständigen Digitalisierung des Verfahrens vollzogen. Bislang sind mit dem Universitätsklinikum Schleswig-Holstein und der TK selbst zwei Arbeitgeber eingebunden, die mit Zustimmung der Versicherten die Krankmeldung elektronisch übermittelt bekommen. So spart sich dann der Arbeitnehmer auch das Einreichen des gelben Scheins beim Arbeitgeber.
Grundsätzlicher Ablauf bei Krankmeldung bleibt gleich
Der grundsätzliche Ablauf bei einer Krankmeldung bleibt jedoch gleich: Der Arbeitnehmer muss sich weiterhin bei seinem Arbeitgeber krankmelden, die Anzeigepflicht bleibt also bestehen. Die Krankmeldung kann per Telefon, E-Mail oder sogar per SMS oder WhatsApp erfolgen. Der Arbeitnehmer muss aber sicherstellen, dass die Krankmeldung den Arbeitgeber auch erreicht. Die Nachweispflicht mittels des gelben Scheins fällt zukünftig jedoch für gesetzlich krankenversicherte Arbeitnehmer weg. Dafür muss der Arbeitgeber die Daten bei der Krankenkasse abfragen.
Neben der Vereinfachung des Verfahrens soll der digitale Weg auch dabei helfen, Tonnen von Papier einzusparen und auf diese Weise die Umwelt zu schonen: Bislang muss ein Arzt auf dem traditionellen Weg die Krankschreibung dreifach ausstellen – für den Arbeitgeber, die Krankenkasse und den Patienten. Bei bundesweit insgesamt etwa 77 Millionen Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen im Jahr kommen so rund 230 Millionen Zettel zusammen, die künftig nicht mehr benötigt werden.
Nach dem Willen des GKV-Spitzenverbands soll die Digitalisierung auf lange Sicht sogar noch ein Stück weiter gehen: Für die Versicherten müsse eine "rechtssichere Speicherung" der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung in einer elektronischen Patientenakte auf freiwilliger Basis möglich sein, erklärte der Verband. Der Deutsche Gewerkschaftsbund sieht die Neuregelung dagegen kritisch: Eine elektronische Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung sei für die Arbeitnehmer nur eine Entlastung, wenn es mit der Übermittlung technisch störungsfrei klappe, so DGB-Vorstandsmitglied Annelie Buntenbach. "Solange viele Ärzte noch gar nicht auf elektronische Datenübermittlung eingestellt sind, sind hier erhebliche Zweifel geboten." Es dürfe nicht sein, dass der Arbeitgeber am Ende den Arbeitnehmer belange, falls die elektronische Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung im digitalen Nirwana verschwunden sei.
Arbeiten trotz Krankschreibung
Grundsätzlich darf ein Arbeitnehmer auch zur Arbeit erscheinen, wenn er eigentlich (noch) krankgeschrieben ist. "Fühlt man sich vor Ablauf eines ärztlichen Attestes gesund, spricht nichts gegen eine vorzeitige Rückkehr an den Arbeitsplatz", sagt Fenimore von Bredow vom Verband deutscher Arbeitsrechtsanwälte. Denn die Krankschreibung ist kein Arbeitsverbot, sondern erfüllt aus arbeitsrechtlicher Sicht zwei Funktionen: Zum einen stellt sie fest, dass der Arbeitnehmer zum aktuellen Zeitpunkt nicht arbeitsfähig ist und zum anderen beinhaltet sie eine Prognose, wie lange dieser Zustand aller Voraussicht nach anhalten wird. Und Prognosen können zutreffen oder eben auch nicht. Prinzipiell ist man sogar dazu verpflichtet, wieder bei der Arbeit zu erscheinen, wenn man wieder vollständig genesen ist. Und auch wenn der Arzt der Ansicht ist, dass Arbeiten die Gesundheit immer noch beeinträchtigt, kann der Arbeitnehmer frei entscheiden, ob er zur Arbeit geht oder nicht.
Will ein Arbeitnehmer trotz Erkrankung arbeiten, ist der Arbeitgeber jedoch nicht dazu verpflichtet, die angebotene Arbeitsleistung anzunehmen. Denn Arbeitgeber haben gegenüber ihren Mitarbeitern eine Fürsorgepflicht. Diese bezieht sich sowohl auf den kranken Mitarbeiter selbst als auch auf seine Kollegen, die sich anstecken könnten oder befürchten müssen, dass ein kranker Kollege etwa unter Medikamenteneinfluss eine Maschine falsch bedient. Daher haben Arbeitgeber grundsätzlich das Recht, selbst zu entscheiden, ob ein krankgeschriebener Mitarbeiter wirklich einsatzfähig ist oder ob es sicherer ist, ihn wieder nach Hause zu schicken.
War allerdings eine Corona-Infektion der Auslöser für die Krankschreibung, muss man natürlich die Quarantäne abwarten, bevor man wieder zur Arbeit kommen darf. Angesichts des Risikos für Kontaktpersonen wie Kollegen oder Kunden ist es zudem sinnvoll, am ersten Arbeitstag nach der Infektion einen negativen Corona-Test mitzubringen. Und auch bei anderen ansteckenden Krankheiten wie etwa Erkältungen sollte man natürlich erst dann wieder an den Arbeitsplatz zurückkehren, wenn keine Ansteckungsgefahr besteht. czy