80. Geburtstag Reinhold Würth: Der rastlose Ruheständler

Reinhold Würth wird 80. Er blickt auf spannende Jahrzehnte des Unternehmerdaseins zurück.

Burkhard Riering

Ein Leben für das Unternehmen: Reinhold Würth. - © Foto: Sebastian Kahnert/dpa/picture alliance

Ein Begriff verfolgt Reinhold Würth. "Schraubenkönig" wird er dauernd genannt. Doch die Bezeichnung mag der Selfmade-Unternehmer nicht so sehr, wie er jetzt in
einem Interview gestand. Seine Schrauben brauchen keinen König, und er will auch keiner sein. Dazu ist der Schwabe auch zu bodenständig. Obwohl er zu den zehn reichsten Menschen Deutschlands gehört.

Sein Geld hat Reinhold Würth, der am 20. April 80 Jahre alt wird, mit seinem Handelsunternehmen für Befestigungstechnik verdient. Aus der elterlichen Schraubengroßhandlung für Schreiner und Metaller hat der Sohn in den vergangenen Jahrzehnten einen Weltkonzern mit zehn Milliarden Euro Umsatz geschmiedet: die Würth Gruppe. 60.000 Mitarbeiter hat der Konzern inzwischen.

"Typischer Vertreter des schaffenden Mittelständlers"

Das Unternehmen vertreibt weltweit alles, was mit Befestigung und Montage zu tun hat. Kein Handwerker im Bau- und Ausbaugewerbe, der Würth nicht kennt. Würde man alle Würth-Schrauben in Deutschland auf einen Schlag entfernen, würde das Land wahrscheinlich zusammenbrechen.

Trotz der Konzerngröße ist Reinhold Würth der typische Vertreter des schaffenden und schöpfenden Mittelständlers aus dem Ländle. Unternehmertum, Familie, soziale Verantwortung – das ist ihm wichtig. Sein Umfeld kennt ihn als bodenständig, fleißig und akribisch, hinzu kommen Selbstdisziplin, Dynamik und eine gute Portion Bauernschläue. Die Schnelllebigkeit der Aktienbörsen und Quartalsberichte ist seine Welt nicht. Für ihn zählt die langfristige Strategie.

1949 hatte er im Betrieb der Eltern als Lehrling begonnen, die Hauptschule hatte er nicht zu Ende gemacht. Nach dem plötzlichen Tod des Vaters übernahm Reinhold Würth schon mit 19 Jahren die Geschäftsführung. Da begann die Erfolgsstory. Er kaufte weltweit Händler auf und vergrößerte sein Außendienstnetz immerzu.

1994 hat sich Reinhold Würth aus der operativen Geschäftsführung zurückgezogen. Doch ohne ihn ist die Firma auch heute nicht denkbar. Im Unruhestand fliegt er weiter zu Terminen in aller Welt. Er ist Vorsitzender der Würth-Stiftung. Ende offen. "Er ist sehr fit", sagt ein enger Mitarbeiter. Tochter Bettina Würth ist auch im Konzern angekommen, sie ist Beiratsvorsitzende, was einem Aufsichtsratvorsitz gleichkommt.

Die Leidenschaft für das Verkaufen hat in seiner Karriere immer im Mittelpunkt gestanden. Würth kann seine Mitarbeiter zu Höchstleistungen anspornen. Bummelei ist für ihn ein Graus. Die Firma ist auf Effizienz und Erfolg getrimmt.

Mit Briefen den Außendienst motivieren

Seine Verkäufer und Vertriebler können davon ein Lied singen. So erzählte Würth 2007 einmal, wie er Laptops für seine Außenmitarbeiter einführen wollte. Bis er merkte, wie lange die Dinger zum "Hochfahren" brauchten. Viereinhalb Minuten! Da war die Sache für ihn gestorben. Verschwendete Zeit. Heute indes wird er sich der Digitalisierung nicht mehr verschließen können.

Mit Briefen an seine Außendienstler versucht er sie immer wieder zu motivieren – auf seine Art. Einmal mahnt er an, dass die Außendienstler doch nach Feierabend tanken sollen, sonst seien wieder zehn Minuten von der Arbeitszeit weg. Ein anderes Mal appelliert er an die Mitarbeiter, ­gefälligst früher aufzustehen. Der Vertreter solle am besten schon um 7.30 Uhr beim Kunden sein. Und nicht dann erst losfahren.

Er kann polarisieren. Wegen eines "Linksrucks" in Deutschland sprach er einmal in der "Schwäbischen Zeitung" die Befürchtung aus, wir lebten bald in einer Art "Edel-DDR". Als Fußball-WM in Deutschland war, sorgte er sich öffentlich um die Arbeitsmoral der Arbeitnehmer. Bei ihm zählt das Leistungsprinzip.

Und die Bundesregierungen bekommen auch immer ihr Fett weg. Zum Beispiel die letzte rot-grüne Koalition: "Wenn Sie heute investieren wollen, wissen Sie nicht, ob in drei Monaten rückwirkend für das ganze Jahr das Steuerrecht so verändert wird, dass die Investition komplett in die Binsen geht", sagte er 2005 in einem Interview mit der Deutschen Handwerks Zeitung. Zu dem Zeitpunkt war er FDP-Mitglied.

Ein anderes Mal drohte er, aus Unmut über die Steuerpolitik mit dem Konzern in die Schweiz zu ziehen. Ein Aufschrei war die Folge.Mit seinem Geld tut Würth auch Gutes. Er unterstützt Kunst, Literatur und sponsert Projekte für geistig Behinderte, so die "Special Olympics".

Große Leidenschaft: das Fliegen

Ein Steckenpferd ist die Kunst. Er sammelt Munch, Picasso, Lüpertz. Christo verpackt schon mal etwas für ihn. Er hat Museen gegründet. Kürzlich wurde er von Baden-Württembergs Ministerpräsidenten Winfried Kretschmann ausgezeichnet. Mittlerweile soll er die größte private Kunstsammlung Europas besitzen. Zu seinen Interessen zählen auch klassische Musik, so Mozart, Brahms und Schumann, sowie Wandern und Radfahren – er will schließlich fit bleiben.

Eine große Leidenschaft ist das Fliegen, er fliegt seit mehr als 40 Jahren. Der passionierte Pilot hat eine Lizenz als Berufspilot/ATPL besessen. Doch jüngst hat Würth aus eigenen Stücken seinen Pilotenschein zurückgegeben – die Augen machen nicht mehr richtig mit, sonst ist er fit. Ein rastloser Ruheständler.