Die Deutsche Börse will zum September 2021 die Zahl der Deutschen Standardwerte von 30 auf 40 erhöhen. Wer Chancen auf den Aufstieg hat, was es Anlegern bringt und welche neuen Regelungen noch anstehen.
Gastautor Florian Junker

In gut neun Monaten ist es soweit: Die DAX-Familie wird größer. Der aus den Nachrichten bekannte Standardwerteindex der deutschen Börse soll um zehn Mitglieder auf 40 Titel anwachsen. Als mögliche Kandidaten werden zum Beispiel der Flugzeugbauer Airbus, der Online-Versandhändler Zalando oder der Duftspezialist Symrise gehandelt (weitere Kandidaten s. Kasten). "Grundsätzlich ein richtiger Schritt in die richtige Richtung", sagt Andre Koppers, Geschäftsführer bei der Oberbanscheidt & Cie. Vermögensverwaltungsgesellschaft mbH aus Kleve. Denn viele große Investoren wünschen sich mehr Breite und Qualität im DAX. Bisher dominieren SAP, Linde, Siemens und Allianz die Entwicklung, denn diese vier Aktien machen rund ein Drittel des gesamten DAX-30 aus. Aber das ist nicht der einzige Grund und es gibt weitere Neuregelungen, die Anleger kennen sollten.
Bilanzvorschriften und Gewinnvorgaben
Der Hauptgrund für die neuen Regularien ist kein Geheimnis. Die Deutsche Börse will verhindern, dass sich ein Bilanzskandal wie im Fall von Wirecard wiederholt. DAX-Werte sollen künftig zeitnah geprüfte Geschäftsberichte und Quartalsmitteilungen veröffentlichen, sonst droht der Indexausschluss. Neue Kandidaten sollen zudem erstmal einige Jahre Geld verdient haben und Mindestkriterien für den Börsenumsatz erfüllen. "Die neuen Qualitätsrichtlinien sind etwas schwammig und unpräzise", meint Oberbanscheidt-Fachmann Koppers, "hier muss die Zukunft zeigen, ob damit wirklich nachhaltig die richtigen Kandidaten in den DAX-40 kommen."
Junge, innovative Unternehmen dürften es aber auf jeden Fall schwer haben, denn sie müssen meist in den ersten Jahren massiv zulasten des Gewinns investieren. Diese finden Anleger daher wohl weiter eher im MDAX. Allerdings wird dieser von 60 auf 50 Werte um die Aufsteiger verkleinert . Das bedeutet, er wird deutlich weniger Marktkapitalisierung repräsentieren und könnte neben seinen größten Werten auch an Bedeutung verlieren. Experten raten Anlegern sowieso dazu, nicht nur vor der eigenen Haustür zu investieren.
Nicht allein auf DAX vertrauen
Denn auch wenn der DAX künftig die 40 bedeutendsten deutschen Börsenwerte repräsentiert und den heimischen Markt damit etwas breiter abbildet, ist er allein noch nicht die dringend nötige Alternative zum Sparbuch. "Nicht erst seit Corona sind die realen Zinserträge quasi tot und mit einem Sparbuch lässt sich die Inflation einfach nicht mehr ausgleichen", sagt Petra Ahrens, Vorstand bei der MAIESTAS Vermögensmanagement AG aus Köln. Wer noch die Chance auf eine reelle Rendite erzielen möchte, kommt am Aktienmarkt einfach nicht vorbei, sollte aber nicht nur vor der eigenen Haustür investieren. Profis setzen auf verschiedene Anlageklassen und eine breite Mischung von Unternehmen aus unterschiedlichen Regionen und Branchen. "Ein ETF-Sparplan auf einen weltweit gestreuten Index wie den MSCI World, kann hier ein guter Einstieg sein", sagt MAIESTAS-Expertin Ahrens.
Aber auch gezieltere Vermögensstrategien lassen sich zum Beispiel über ein aktiv gemanagtes Depot mit fachlicher Beratung schon mit kleineren Summen diversifiziert abbilden. Und das hat einen entscheidenden Vorteil: Je breiter aufgestellt ein Investment ist, desto geringer fallen einzelne Marktkapriolen ins Gesamtgewicht. Wer nur auf den DAX setzt, muss wohl auch trotz 40 Mitgliedern mit größeren Schwankungen leben können.
"Trotz Erweiterung wird der DAX-40 kein Anlageallheilmittel"
Petra Ahrens, Vorstand bei der MAIESTAS Vermögensmanagement AG aus Köln, ordnet die neuen Regularien für den deutschen Standartwerteindex als richtigen Schritt ein, rät aber Sparern, über den Tellerrand hinauszublicken.
Wird der DAX mit 40 Mitgliedswerten attraktiver werden?
Petra Ahrens: Das muss nicht sein, aber im Prinzip macht eine dadurch mögliche breitere Branchenabdeckung schon Sinn. Insbesondere wenn dadurch Technologiewerte mehr Gewicht bekommen und so der Wandel der Wirtschaft besser dargestellt wird. Aber die in Frage kommenden neuen Titel werden aufgrund ihrer größtenteils vergleichsweise geringen Markkapitalisierung nur einen überschaubaren Einfluss auf die Entwicklung des Gesamtindex haben.
Viele Anleger haben DAX-Werte oder -Indexfonds im Depot, profitieren die von den neuen Regeln?
Ahrens: Darauf gibt es keine einfache Antwort. Auch wenn die etwas breitere Basis und die neuen Regeln eher kein Nachteil sind, bleibt abzuwarten, ob gerade die vielen ausländischen Investoren jetzt deswegen spürbar mehr Vertrauen in den DAX haben. Grundsätzlich würde ich empfehlen, nicht nur vor der eigenen Haustür nach Investments zu suchen, sondern weltweit zu streuen. In so einem global diversifizierten Depot kann dann zum Beispiel ein DAX-ETF ein sinnvoller Baustein sein.
Wie bewerten Sie die sonstigen neuen DAX-Regeln?
Ahrens: Grundsätzlich ist es erstmal positiv, dass die Deutsche Börse versucht, die Lücken im Regelwerk zu schließen, die zuletzt durch den Wirecard-Skandal und den umstrittenen Nachrücker Delivery Hero offensichtlich wurden. Wer zu den deutschen Standardwerten zählt, soll künftig zeitnah ordentliche Bilanzen veröffentlichen und in den letzten Jahren Geld verdient haben, das ist ein richtiger Ansatz. Beim Thema Nachhaltigkeit, das in den nächsten Jahren immer mehr an Bedeutung gewinnen wird, hätten die neuen Vorgaben noch etwas fortschrittlicher sein können. Außerdem wird der MDAX genau um die zehn Aufrücker-Werte verkleinert. Das bedeutet, er verliert wichtige Zugpferde und einen Großteil seiner Marktkapitalisierung. Das könnte für die verbleibenden Titel weniger Aufmerksamkeit bedeuten und es bleibt abzuwarten, wie deren Kurse das aufnehmen.
Bedeutet das im Umkehrschluss, dass die aufsteigenden Werte mehr Aufmerksamkeit bekommen und die Kurse steigen?
Ahrens: Tatsächlich zeigt die Erfahrung, dass als zukünftige DAX-Werte gehandelte Kandidaten in den Fokus rücken, die Fantasien zunehmen können und Anleger hier möglicherweise von positiven Bewegungen profitieren. Für mich wäre das allein aber keine Grundlage für ein Investment. Denn spätestens nach dem Aufstieg, wenn das Interesse wieder nachlässt, zählen sehr bald wieder nur die nackten Zahlen und realistische Zukunftserwartungen.
Warum raten Sie dazu, nicht nur in den DAX zu investieren?
Ahrens: Wir orientieren uns hier an dem Motto, nicht alle Eier in einen Korb zu legen. Investments sollten über Anlagesegmente wie Aktien, Anleihen oder Rohstoffe und über Länder und Branchen hinweg gestreut werden. Dadurch nutzen wir globale Chancen und verringern den Einfluss von Einzelrisiken auf die Vermögensentwicklung. Wer zum Beispiel 2018 nur in den DAX investiert gewesen wäre, hätte ein zweistelliges Minus eingefahren, während die Leitindizes in den USA und anderen Ländern das Jahr ohne große Verluste überstanden. Nur auf einen Index wie den DAX zu setzen, kann unter dem Strich relativ riskant sein und ist auch mit 40 Mitgliedern kein Allheilmittel für Sparer.
Die DAX-Aufstiegskandidaten aus dem MDAX mit dem höchsten Börsenwert
Name | ISIN | Marktkapitalisierung in Mrd. Euro | Beschreibung |
Airbus | NL0000235190 | 74,7 | Luft-, Raumfahrt- und Rüstungsunternehmen |
Siemens Healthineers | DE000SHL1006 | 41,9 | Eigenständiger Healthcare Bereich der Siemens AG |
Sartorius | DE0007165631 | 24,6 | Labor- und Prozesstechnologie-Anbieter |
Zalando | DE000ZAL1111 | 20,8 | Online-Versandhändler für Mode und Lifestyle |
Hannover Rück | DE0008402215 | 17,5 | Rückversicherer |
Knorr-Bremse | DE000KBX1006 | 16,9 | Anbieter von Bremssystemen |
Symrise | DE000SYM9999 | 14,2 | Duft- und Geschmacksstoffhersteller |
Puma | DE0006969603 | 12,1 | Sportartikelhersteller |
Evonik | DE000EVNK013 | 10,9 | Spezialchemie |
Uniper | DE000UNSE018 | 10,1 | Energieversorger |
Quelle: onvista.de, Stand 9.Dezember 2020 |
DAX ist gut, aber es geht besser
Wer vor fünf Jahren in den DAX investiert hat, kann sich heute über ein ordentliches Plus freuen, musste aber in der Coronakrise auch mit roten Zahlen klarkommen. Im gleichen Zeitraum entwickelten sich die US-Standardwerte des Dow Jones und die breite Mischung des amerikanischen S&P 500 so gut, dass sie auch Börsenschocks überstehen konnten, ohne ins Minus zu rutschen. Im Vergleich zu den deutschen und noch viel mehr zu den europäischen Standardwerten des EuroStoxx, war es sehr sinnvoll, beim Investieren nicht nur vor der eigenen Haustür, sondern auch über dem großen Teich nach Chancen Ausschau zu halten.