Praktikum in Skandinavien "Das Wichtigste ist immer dabei: die eigenen Hände"

Tischler Lennart Bolinius und Friseurin Selina Selle waren in Norwegen und Schweden. Sie berichten über besondere Erfahrungen, spezielle Mentalitäten und eine große Unterstützung.

Friseurin färbt Kundin die Haare
Dresdens beste Friseurgesellin 2021, Selina Selle, überzeugte mit ihrem Fingerspitzengefühl in Stockholm. - © Privat

Dass Erasmus auch im Handwerk möglich ist, hatte ich vorher noch nie gehört", sagt Tischlergeselle Lennart Bolinius am Ende seines dreimonatigen Praktikums in Norwegen. Auf einem Hof in der Nähe von Bergen konnte der 26-Jährige sein Können als Tischler beweisen und baute beispielsweise einen Hochaufsteller zum Verkauf von saisonalen Produkten des Hofes. Seinen Praktikumsbetrieb "Stølen i Strandvik" hatte er mit Hilfe der Mobilitätsberatung der Handwerkskammer Dresden gefunden. "Ohne die Hilfestellung wäre ich heute gar nicht hier und hätte diese einzigartige Chance verpasst", so der Niedersachse, der sein Handwerk beim Dresdner Tischlermeister und Restaurator Olaf Ehrhardt erlernt hat.

Fremde Gewerke und ungewohnte Baustoffe

Neben kleineren Restaurierungs- und Instandhaltungsprojekten konnte sich der Tischler auch den Traum vom eigenen Haus erfüllen – fast. Gemeinsam mit einem Tischlergesellen stellte er in sechs Wochen den Rohbau für ein Tiny-House an einem kleinen Berghang auf dem Hof-Grundstück fertig. Auf 35 Quadratmetern Wohnfläche sollen künftig Erntehelfer und Feriengäste unterkommen. "Ich komme auf jeden Fall auch wieder, um das fertige Haus zu sehen", erklärt Bolinius, der von der Konstruktion über Beton- und Dachdeckerarbeiten bis hin zur Verglasung der Frontfassade überall selbst Hand angelegt hat. "Als Tischler war es für mich schon herausfordernd, in mehreren fremden Baugewerken zu arbeiten und ungewohnte Baustoffe wie Beton für Fundamente einzusetzen. Dabei habe ich aber Vieles gelernt, was nicht Teil meiner Ausbildung war und das ist wichtig für meine Zukunft als Handwerker", so der 26-Jährige. Das Wichtigste hätte er aber im Gepäck gehabt: seine eigenen Hände. Das Auslandspraktikum war für den Niedersachsen eine Art Probezeit: "Die Zeit in Norwegen hat mich in meinem Wunsch bestärkt, auf Wanderschaft zu gehen – 2022 soll es losgehen. Danach könnte ich mir vorstellen meinen Meister zu machen", geht sein Blick in die Zukunft.

Anspruchsvolle Färbetechnik

Im knapp 1.000 Kilometer entfernten Stockholm stylte Gesellin Selina Selle im Rahmen ihres dreiwöchigen Auslandspraktikums Kunden im Friseursalon "The Venue". "Ich bin richtig stolz, dass ich während meines Praktikums vollwertiges Mitglied des Salon-Teams war", sagt die 19-Jährige nach ihrem Aufenthalt in Schweden. Ob Schneiden, Färben oder Stylen – die Friseurgesellin aus Dresden, die diesen Sommer als Jahrgangsbeste ihres Gewerkes im Kammerbezirk Dresden abschloss, durfte vor Ort ihr Können bei der Stammkundschaft unter Beweis stellen. Mit der anspruchsvollen Färbetechnik "Balayage", bei der ein besonders natürlicher Look nachempfunden wird, konnte Selina Selle in Stockholm viele Kunden glücklich machen. Erlernt hat sie ihr Handwerk im Dresdner Friseursalon Villa Baumgarten GmbH.

Im Friseurhandwerk ist die Kommunikation mit dem Kunden das A und O – natürlich auch in Schweden, sagt die 19-Jährige. "Ich habe definitiv mein Englisch verbessert und die Gespräche mit den Kunden sehr genossen. Hier herrscht eine offene und tolerante Mentalität und ich habe mich ab dem ersten Tag sehr wohl gefühlt", so ihr Resümee. Das Auslandspraktikum habe zudem ihr Selbstbewusstsein gestärkt und gezeigt, dass sie in einem fremden Land gut alleine zurechtkommt. Neben der Arbeit blieb aber auch Zeit für Sightseeing und Ausflüge in die Natur – vor ihrer Unterkunft etwas außerhalb von Stockholm hat sie sogar einen Elch gesichtet.