Die Gesetzeslage in Sachen Brandschutz wurde seit Jahren nicht verschärft. Behörden überwachen Brandschutzauflagen dennoch immer strenger. Das – und ständig neue Brandschutztechniken – lassen die Baukosten steigen. Die aktuelle Debatte um die neuen Brandschutzschalter zeigt, wie verschiedene Branchen mit dem Brandschutz kämpfen.
Jana Tashina Wörrle

Der BER dient noch immer als Paradebeispiel, doch auch der Stuttgarter Tiefbahnhof und die städtischen Bühnen in Frankfurt werden nicht weitergebaut, nicht fertig geplant und nicht saniert, da es Probleme mit dem Brandschutz gibt. Zudem hört man derzeit immer wieder von Hotels, die nach vielen erfolgreichen Jahren schließen müssen, weil die die Anforderungen der Behörden zu Schutz vor Bränden nicht erfüllen, von Bauherrn, die wegen der Brandschutzauflagen statt einer Sanierung doch lieber einen kompletten Neubau anstreben oder von Hauseigentümer die von einer Altbau-Sanierung absehen, weil sie die Aufrüstung in punkto Brandschutz abschreckt – und natürlich die Kosten.
Zwar sind die Brandschutzauflagen, auf die sich die Landesbauordnungen beziehen und die damit quasi zum Gesetz werden, auf dem Papier in den vergangenen Jahren nicht wirklich verschärft worden. "Aber die Behörden setzen sie strenger um", sagt Roland Glauner vom Zentralverband des Deutschen Baugewerbes (ZDB). Die Behörden seien darauf sensibilisiert, genauer hinzusehen und Bauherrn und Hausbesitzer strenger auf die bestehenden Gesetze hinzuweisen. Neben Vorfällen wie dem Düsseldorfer Flughafenbrand 1996 oder der jüngsten Brandkatastrophe des Hochhausbrands in London, durch die das Thema Brandschutz stärker in der Öffentlichkeit steht, seien dafür auch Veränderungen in den Städten ausschlaggebend.
Immer mehr neue Brandschutztechnik
So berichtet Glauner von enger werdenden Straßen, weil mehr Autos Parkplätze zur Verfügung gestellt werden müssen, von dem Ausbau des Öffentlichen Nahverkehrs und dafür nötige Oberleitungen und auch von Grünflächenämtern – wie etwa in Berlin – die Hausbesitzer darauf hinweisen, dass wegen Personalmangels Äste der Straßenbäume nicht mehr beschnitten werden. Das alles verhindert, dass die Feuerwehr im Brandfall an den Gebäuden eine Drehleiter als zweiten Rettungsweg aufstellen kann. Doch ohne zweiten Rettungsweg gibt es in Deutschland keine Baugenehmigung bzw. sind die Hausbesitzer nun darauf angewiesen, wenn sie sanieren, an-, um oder neu bauen, breitere Flure oder zusätzliche Treppenhäuser drinnen oder draußen einzubauen und sie müssen beispielsweise auch das Aufstellen von Kinderwägen verbieten. Das alles macht das Bauen teurer.
Eine große Rollen spielt nach Ansicht von Roland Glauner auch, dass neue Brandschutztechnik auf den Markt kommt und über den Umweg des sogenannten anerkannten Stands der Technik Einfluss auf das nimmt, was standardmäßig in einigen Gebäuden installiert werden muss. Das beste Beispiel sei dafür die aktuelle Diskussion um die sogenannten Fehlerlichtbogen-Schutzeinrichtungen (AFDDs) – umgangssprachlich "Brandschutzschalter" genannt.
Um diese kleine elektrotechnische Neuerung bzw. ihre Notwendigkeit ist eine Debatte entbrannt. Mit dem Ende einer Übergangsfrist sollen ab dem 18. Dezember 2017 Gebäude mit bestimmter Bauweise Brandschutzschalter haben. Dafür hat die Deutsche Kommission Elektrotechnik (DKE) eine neue Norm erlassen. Eine Norm, die der ZDB nicht anerkennen will. Doch das Elektrohandwerk verweist auf die Sicherheitsrelevanz der Schalter in bestimmten Fällen.
Der Vorwurf des ZDB: Mit den Vorgaben zum Einbau sogenannter Brandschutzschalter werde eine Branche mit neuen Pflichten belegt – Pflichten, die die sowieso sehr hohen Baukosten noch weiter nach oben treiben. "Irgendwann kann sich keiner mehr leisten, in Deutschland zu bauen", sagt Roland Glauner und betont gleichzeitig, dass der ZDB sich nicht gegen mehr Sicherheit bei Brandgefahren wehren möchte. Doch dass die Sicherheiten durch die Brandschutzschalter wirklich signifikant erhöht werden, sei bislang nicht nachgewiesen worden.
Brandschutzschalter: Kein Beweis für Gefahren im Holzbau
Brandschutzschalter sollen verhindern, dass Gebäude durch Störstellen in den elektrischen Leitungen in Brand geraten. Kommt es in einem Stromkreislauf zu einer unregelmäßigen Spannung und damit zu einem sogenannten Lichtbogen – ein blauer Funke, den man auch manches Mal sehen kann, wenn man einen Stecker aus der Steckdose zieht oder hineinschiebt – soll die Schutzeinrichtung dafür sorgen, dass der ganze Stromkreislauf keine neue Energie mehr bekommt und sich abschaltet. Pro Stromkreislauf ist also ein solcher Schalter nötig, der die Leitungen überwacht und im Notfall abschaltet.
"Wir wissen, dass Mängel in der Elektrik für etwa 30 Prozent aller Gebäudebrände verantwortlich sind. Deshalb ist es grundsätzlich löblich, wenn hier Ursachenforschung betrieben wird und am Ende Systeme eingeführt werden, die dieses Risiko deutlich reduzieren", sagt Glauner.
Dann folgt seine Kritik, denn der Holzbauingenieur sieht es als nicht gerechtfertigt an, dass Brandschutzschalter in Gebäuden eingebaut werden sollen, in denen beispielsweise Holz verbaut ist: "Solange keine zweifelsfreien Nachweise vorliegen, dass Fehlerlichtbögen in Kombination mit brennbaren Baustoffen tatsächlich ein signifikant höhere Brandrisiko darstellen, muss eine solche Forderung wenn überhaupt baustoffneutral oder aber als Empfehlung formuliert werden.“
Die neuen Vorgaben sollen für Räume gelten, in denen Holzvertäfelungen vorhanden sind, brennbare Dämmstoffe eingebaut wurden oder sich der Raum direkt unter dem Dachstuhl befindet. Holzhäuser müssten ab dem 18. Dezember 2017 komplett mit den neuen Brandschutzschaltern ausgestatten werden. Die Holzbauverbände, sehen hier eine ungerechtfertigte Belastung. "Immerhin muss man durch den Einbau der Schalter bei einem Einfamilienhaus von 1.500 bis 2.000 Euro Mehrkosten ausgehen", sagt Glauner. Wenn die Schalter wirklich helfen könnten, Brände zu verhindern, müssten sie in allen Gebäuden und nicht nur in Holzhäusern verpflichtend sein, gibt er zweifelnd zu bedenken.
Aber nicht nur Bauweisen mit brennbaren Materialien sind betroffen, auch Seniorenheime und Kindertagesstätten fallen unter die neue Regelung. "Uns liegen Berichte vor, wo der Einbau dieser Schalter eine Differenz von 35.000 Euro der Baukosten des Objekts ausmacht. Gerade die Beurteilung solcher Risiken, obliegt unserem Verständnis nach, aber dem Gesetzgeber und nicht einer privaten Normungsorganisation", so Glauner.
Brandschutzschalter: Ab wann die Vorhabe gilt und für was genau
Eingeführt wurde die neue Norm die DIN VDE "0100-420:2016-02– Errichten von Niederspannungsanlagen – Teil 4-42 – Schutz gegen thermische Auswirkungen" von der Deutschen Kommission Elektrotechnik (DKE). Damit wird nach Ende der Übergangsfrist am 18. Dezember 2017 ein Einbau der Fehlerlichtbogen-Schutzeinrichtung (AFDDs), umgangssprachlich "Brandschutzschalter", vorgeschrieben – zumindest bei besonderen Brandrisiken, also dann, wenn Räume mit überwiegend brennbaren Baustoffen ausgestattet sind. Zudem soll die Norm für alle barrierefreien Bauten gelten, in Räumen mit wertvollem Kulturgut und wenn in einem Heim oder einer Tageseinrichtung Schlaf oder Aufenthaltsräume für Senioren, Behinderte oder Kinder vorhanden sind wie etwa in Seniorenheimen oder Kindergärten.
Doch genau die Tatsache, dass die Brandschutzschalter nicht grundsätzlich und überall eingebaut werden müssen, sondern zunächst nur in besonders brandgefährdeten Gebäuden und in Räumen, in denen Personen mit eingeschränkter Mobilität schlafen – zum Beispiel Schlafräume in Kindertagesstätten –, wertet das Elektrohandwerk als Beleg, dass der neue Standard gut durchdacht ist. In allen anderen Gebäuden gilt nach Norm eine Einbauempfehlung. Der Zentralverband der Deutschen Elektro- und Informationstechnischen Handwerke (ZVEH) verweist auf den hohen Sicherheitsstandard, der mit den Brandschutzschaltern erreicht wird. Die Schalter sind von Prüfinstituten ausreichend erprobt und zertifiziert. Sie verhindern mögliche Brandursachen in der elektrischen Anlage, damit Brände erst gar nicht entstehen.
Dass Brandschutzschalter Baukosten steigen lassen, verneint auch der ZVEH nicht. Doch er möchte sich gegen den Eindruck wehren, dass er den Einbau nur deshalb unterstützt, weil Elektriker nun mit neuen Aufträgen rechnen können. „Die Norm gilt nur für Neubauten und es gibt keine Nachrüstpflicht. Wenn wir einen neuen Stromkreis aufbauen, ist es ein zusätzlicher Schalter, den wir einbauen, mehr nicht“, erklärt Andreas Habermehl Referatsleiter Innovation und Normung beim Verband des E-Handwerks. Die Betriebe der Branche seien verpflichtet, nach den allgemein anerkannten Regeln der Technik zu arbeiten und genau dazu gehört auch der Einbau der Brandschutzschalter – als sogenannte DIN-VDE-Norm.
Brandschutztechnik: Geprägt von Lobbyarbeit der Hersteller?
Der ZDB hofft allerdings noch immer, dass genau dies verhindert werden kann. So fordert er, dass diejenigen, die nun wieder neue Pflichten in Sachen Brandschutz einführen wollen, auch Nachweise, Forschungsergebnisse, Gutachten oder genaue Brandursachenstatistiken vorlegen müssen. Im Normungsprozess der DIN VDE 0100-420 sieht das Baugewerbe grundsätzliche Mängel, wie etwa das das zuständige Gremium nicht paritätisch mit den interessierten Kreisen besetzt gewesen sei. So könne die Norm nicht der Vermutungswirkung unterliegen, allgemein anerkannte Regel der Technik zu sein.
Roland Glauner befürchtet dennoch, dass die neuen Vorgaben in der Praxis Anwendung finden können, wenn Handwerker durch Verunsicherung am Ende doch den Schalter verbauen um Haftungsrisiken zu entgehen. Und obwohl sich der Gesetzgeber uns gegenüber klar dafür ausgesprochen hat, dass neben den FI-Schutzschaltern und den Leitungsschutzschaltern keine zusätzlichen Fehlerlichtbogen Schutzeinrichtungen zur Gefahrenabwehr notwendig sind, so könnte über den Weg der Marktdurchdringung am Ende doch ein Standard geschaffen werden.
Seine Zweifel an der Technik unterfüttert er noch mit einem Hinweis darauf, dass beim Thema Brandschutz viel Lobbyarbeit von Herstellern geleistet werde – nicht nur bei den Brandschutzschaltern. So sind die Fehlerlichtbogen-Schutzeinrichtungen ursprünglich eine Erfindung von Siemens und das Unternehmen hat auch heute noch ein Patent auf die Technik angemeldet. Da es mittlerweile ein paar Lizenznehmer und damit auch Hersteller der Schalter gibt, konnte nun ein Normgebungsprozess gestartet werden. Glauner und weist darauf hin, dass es nicht unüblich ist, dass auch Herstellerfirmen in den Gremien der Normungskommissionen – wie etwa der DKE – sitzen.
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