"Mein Mitbewerber bietet die Dienstleistung günstiger an? Dann gehe ich mit dem Preis runter." Das ist ein typischer Fehler, den Handwerker begehen, wenn sie ihren Kunden ein Angebot machen. Steuerberaterin Silvia Kaufer erklärt, welche Fehler bei der Kalkulation außerdem gefährlich sind – und wie Handwerker es besser machen können.

Konkurrenzfähig muss er sein, attraktiv für den Kunden und ein Plus muss herausspringen: All das macht einen guten Preis aus. Doch den zu kalkulieren, ist für Handwerksunternehmer gar nicht so einfach. Denn bei der Preisgestaltung gibt es viele Stolperfallen, denen sie ausweichen müssen. Als Steuerberaterin begleitet Silvia Kaufer seit mehr als 30 Jahren Familienunternehmen, insbesondere Handwerker. Sie weiß, was bei der Kalkulation eines guten Angebotes grundlegend ankommt – und welche Fehler Handwerker unbedingt vermeiden sollten:
Fehler 1: Der Handwerker versteht seine Zahlen nicht
Silvia Kaufer betont, die Grundlage einer guten Kalkulation sind die betriebswirtschaftlichen Kennzahlen. Diese sind in der Betriebswirtschaftlichen Auswertung (BWA) enthalten. Die BWA wird in der Regel monatlich erstellt, meistens vom Steuerberater. Sie liefert aktuelle Informationen über Kosten, Erlöse und die Ertragslage des Handwerksbetriebs. "Wie soll man einen guten Kuchen backen, wenn man die Zutaten nicht kennt und nicht weiß, wie viel davon und wann man sie in die Schüssel geben muss? Genauso ist es mit der Kalkulation. Einer der größten Fehler besteht darin, dass der Handwerker die Kennzahlen in der BWA nicht versteht. Dadurch kann er sie auch nicht korrekt in sein Kalkulationsprogramm übertragen", erklärt Kaufer. Sie empfiehlt Handwerkern daher, sich gründlich mit den Daten auseinanderzusetzen.
Ebenso wichtig ist es, dass die Zahlen in der BWA korrekt sind. Silvia Kaufers Rat lautet: "Gehen Sie gemeinsam mit Ihrem Steuerberater durch, wie das Buchungssystem gestaltet werden kann, damit die Zahlen in der BWA aussagekräftig sind." Sollten Rechnungen dieses Monats, die noch nicht beglichen wurden, bereits beim Steuerberater eingereicht und verbucht werden? Werden monatliche Preiserhöhungen, wie z. B. bei den Stromkosten, in der BWA berücksichtigt? Diese und weitere Fragen sollten geklärt werden. "Beachten Sie jedoch, dass eine umfassendere Unterstützung durch den Steuerberater auch höhere Kosten verursacht", gibt die Steuerberaterin zu bedenken.
Fehler 2: Der Handwerker kalkuliert "Pi mal Daumen"
Manche Handwerker kalkulieren ihre Preise nach Bauchgefühl und haben seit Jahren keine Anpassungen vorgenommen. Doch in der Zwischenzeit sind Energiekosten und Materialpreise deutlich gestiegen und es gibt neue Branchenmindestlöhne. Eine ungenaue Kalkulation ist angesichts dieser Kostenentwicklung ein großer Fehler. Silvia Kaufer empfiehlt Handwerkern, ihre Kostenfaktoren genau zu überprüfen und regelmäßig – am besten monatlich – zu überprüfen, ob ihre Kalkulation noch angemessen ist.
Fehler 3 bei der Kalkulation: Den Preis vom Mitbewerber unbedingt unterbieten wollen
Der Mitbewerber verlangt 183 Euro für die Dienstleistung? Dann muss der Handwerker unbedingt einen niedrigeren Preis anbieten, um den Auftrag zu erhalten. Dies ist ein großer Irrtum. "Es ist zwar in Ordnung, sich an den Preisen des Mitbewerbers zu orientieren, aber der Handwerker muss vorrangig seine eigenen Kostenfaktoren berücksichtigen", erklärt Kaufer. So kann es zum Beispiel sein, dass der Mitbewerber eine eigene Werkstatt besitzt und diese bereits abbezahlt ist, während der andere Handwerker für diese Räume Miete zahlen muss. Es gibt viele Unterschiede bei den Kostenfaktoren, die berücksichtigt werden sollten. Silvia Kaufer empfiehlt Handwerkern, anstelle einer detaillierten Aufschlüsselung der Preise einen Pauschalbetrag oder Endpreis auf der Rechnung anzugeben und die Leistungen im Detail, ohne Einzelpreise, aufzuführen.
Fehler 4: Der Handwerker kennt die produktiven Stunden nicht
Eine gute Kalkulation muss alle Kosten eines Projekts berücksichtigen, einschließlich Lohnkosten, Materialkosten, Ausrüstungskosten und andere Ausgaben wie Reisekosten, Versicherungen, Telefon- und Kfz-Kosten. Es ist auch wichtig, die Anzahl der produktiven Arbeitsstunden für das Projekt genau zu bestimmen. Dabei dürfen Feier-, Urlaubs- und Krankheitstage, Besprechungszeiten, Arbeitsvorbereitung, Wartezeiten und Pausen nicht zu den produktiven Stunden gezählt werden. Die genaue Anzahl der produktiven Arbeitsstunden ist entscheidend für die Berechnung des Stundenverrechnungssatzes, der für die Angebotskalkulation verwendet wird. Kaufer empfiehlt Handwerkern, die Zeiten detailliert zu erfassen und eine professionelle Zeiterfassungs-Software einzusetzen, um genaue Daten zu erhalten.
>>> Lesetipp: Handwerkerstunde: Was kostet ein Handwerker?
Fehler 5 bei der Kalkulation: Der Handwerker macht keine Nachkalkulation
Bei der Kalkulation läuft nicht immer alles wie geplant. Daher ist eine Nachkalkulation nach Abschluss jedes Auftrags unerlässlich. "Warum stand der Dachdecker zwei Stunden länger als kalkuliert auf dem Dach? Haben vielleicht notwendige Schrauben gefehlt und er musste noch einmal in den Baumarkt fahren? Oder haben die Jungs auf dem Bau vielleicht Spinat gefrühstückt und sie waren damit sogar schneller als der Chef ausgerechnet hat?", sagt Kaufer augenzwinkernd. "Sie sehen: Nach Abschluss des Projekts sollten Handwerker ihre Kalkulationen überprüfen und die tatsächlichen Kosten mit den geschätzten Kosten vergleichen. Nur so können sie feststellen, ob es Abweichungen gab und wie sie diese zukünftig vermeiden können."
Weitere Tipps von der Expertin für die Kalkulation eines Angebotes
- Sorgfältige Planung: Nehmen Sie sich die Zeit, die Kalkulation gründlich vorzubereiten und alle Kosten im Voraus zu berücksichtigen.
- Regelmäßige Preisüberprüfung: In der aktuellen Zeit, in der die Preise für Materialien stark schwanken können, ist es wichtig, die Preise regelmäßig zu überprüfen und anzupassen.
- Nutzen Sie Kalkulationssoftware: Unterstützen Sie sich mit spezieller Software, die Ihnen bei der Kalkulation hilft und mögliche Fehler minimiert.
- Berücksichtigen Sie unvorhergesehene Kosten: Behalten Sie im Hinterkopf, dass es immer unerwartete Probleme geben kann, die zu zusätzlichen Ausgaben führen. Planen Sie daher einen Puffer für solche Fälle ein.
- Lernen aus Erfahrung: Nutzen Sie Ihre Erfahrungswerte aus vergangenen, ähnlichen Projekten, um präzisere Kalkulationen durchzuführen und potenzielle Fehler zu vermeiden.
- Investieren Sie in Schulungen: Verbessern Sie kontinuierlich Ihre Fähigkeiten in der Kalkulation, indem Sie in Schulungen und Weiterbildungen investieren.
- Verkaufen Sie nicht Ihren Preis, sondern Ihren Wert: "Zeigen Sie Ihren Kunden, dass Sie mehr Wert bieten als Ihre Mitbewerber und verdeutlichen Sie Ihnen den Mehrwert, den Sie bei Ihnen erhalten" lautet Silvia Kaufers Tipp. "Stellen Sie sicher, dass die Kunden erkennen, welchen Nutzen und Vorteil Sie durch Ihre Arbeit erhalten. Das können zum Beispiel hohe Qualität, Zuverlässigkeit, Fachkompetenz, termingerechte Fertigstellung oder ein exzellenter Kundenservice sein. Kommunizieren Sie aktiv und transparent mit Ihren Kunden über die besonderen Vorteile, die Sie bei Ihnen bekommen."