Kaum ein Mehrwegsystem funktioniert so gut wie das der Bierflaschen von Brauereien: Vier Milliarden Mehrwegflaschen, die bis zu 50 Mal wiederverwendet werden und eine Rücklaufquote von 80 Prozent erreichen. Dennoch hat die EU-Kommission einen Reformvorschlag vorgelegt – zum Ärger der Brauereien. Nach der ersten Kritikwelle hat die Kommission nun nachgebessert.

Mehr Mehrweg in den Alltag der Deutschen zu bringen, ist nicht einfach – zumindest bei Speisen zum Mitnehmen. Dafür ein eigenes neues System aufzubauen, stellt die Unternehmen noch immer vor Herausforderungen, für die die neue Mehrwegpflicht seit diesem Jahr gilt. Was dagegen seit Jahren gut funktioniert, ist das Mehrwegsystem bei Bierflaschen. Gut 80 Prozent der verschiedenen Pfandflaschen-Varianten der Brauereien kommen regelmäßig über den Handel zurück zu den Brauereien. Diese spülen, sortieren und überprüfen sie auf Beschädigungen und befüllen sie zum großen Teil wieder. Bis zu 50 Mal geschieht diese in der Regel bei einer Flasche.
Das System funktioniert. Dennoch möchte es die EU-Kommission nun reformieren. Im Zuge der Überarbeitung der EU-Verpackungsverordnung "Packaging and Packaging Waste Regulation" (PPWR) hat sie einen Vorschlag vorgelegt, der einige neue Regelungen auch für das Mehrwegsystem der Brauereien vorsieht. Noch sind es Pläne der EU-Kommission und es steht noch nicht fest, ab wann Änderungen greifen sollen. Der politische Prozess ist aber gestartet und nun beschäftigen sich die EU-Parlamentarier mit dem Thema, dessen Reformdetails schon zu diesem frühen Zeitpunkt eine Klarstellung nötig gemacht haben.
Mehrwegsystem der Bierflaschen gefährdet?
So haben mehrere Verbände der Getränkewirtschaft auf den ersten Kommissionsvorschlag mit einem gemeinsamen Kritikschreiben reagiert. Darin heißt es, dass die Pläne das Mehrwegsystem der Bierflaschen gefährde und damit statt ein Mehr an Umweltschutz zu erreichen, diesen ausheble. Die Reform setzt im Grunde daran an, mehr Nachhaltigkeit in die Abläufe zu bringen – weniger Verpackung und besser organisierte Transporte. Dafür sollen Mehrwegsysteme zentral gesteuert werden – einheitlich nach einer EU-weiten Verwaltungsbürokratie.
Da das Mehrwegsystem bei Bierflaschen in Deutschland schon so lange so gut funktioniert, ist es für Roland Demleitner, den Geschäftsführer des Verbands Privater Brauereien Deutschland unverständlich, dass dafür nun Veränderungen anstehen sollen. Gerade das Gegenteil einer zentralen Verwaltung hätte Vorteile gezeigt. "Die Bierflaschen, die bei uns im Umlauf sind, kann jeder Brauer nutzen. Jeder Verbraucher kann sie überall im Handel zurückgeben und bekommt sein Pfand", sagt er. Aufgebaut haben die Brauereien und Mineralbrunnen das Mehrwegsystem der Bierflaschen schon vor über 70 Jahren. Nach Angaben des Deutschen Brauer-Bunds haben allein die 1.500 überwiegend handwerklichen und mittelständischen Brauereien in Deutschland derzeit etwa vier Milliarden Mehrwegpfandflaschen im Umlauf.
Bierflaschen sollen neue Mehrwegkennzeichnung bekommen
Wäre die erste Version der Reformpläne bestätigt worden, wären all diese Flaschen schon bald nutzlos geworden. Doch einer der zentralen Kritikpunkte der Brauer hat nun bereits dafür gesorgt, dass die EU-Kommission eine Klarstellung veröffentlicht hat. Dabei ging es um die zukünftige Kennzeichnung der Bierflaschen als Mehrwegflaschen. Zwar gibt es diese auch schon jetzt auf freiwilliger Basis in Form von verschiedenen möglichen Symbolen auf dem Etikett. Die EU-Kommission wollte allerdings eine dauerhaft angebrachte Kennzeichnung, die einheitlich auf jeder Mehrwegverpackung angebracht sein muss. Neben der Kennzeichnung an sich, soll jede Verpackung außerdem einen QR-Code mit der Information enthalten, woraus die Verpackung besteht und in welchen Abfallbehälter sie gehört.
"Dann hätte man jede Bierflasche gravieren oder mit einem Chip versehen müssen", erklärt Roland Demleitner die Absurdität des Vorschlags, der nicht nur einen riesigen Haufen an Glasmüll produziert hätte, wenn man die Milliarden an aktuell genutzten Bierflaschen als nicht mehr regelkonform hätte aussortieren müssen. Das wiederum hätte auch erhebliche Kosten verursacht.
Dass dieses Vorgehen und die Kritik daran unter anderem durch Presseartikel des Verbandes Private Brauereien Deutschland und des Deutschen Brauer-Bunds öffentlich geworden ist, hat die EU-Kommission allerdings direkt schon zu Nachbesserungen veranlasst. Am 1. Juni 2023 hat sie Korrekturen an den Reformvorschlägen bekannt gegeben und erlaubt den Brauereien damit, künftig die Mehrweg-Kennzeichnung auch weiterhin auf das Etikett zu drucken – allerdings verpflichtend.
Bierflaschen: Hinweis auf Mehrweg genügt auf dem Etikett
Dazu schreibt die EU-Kommission nun: "Ablösbare Papier-Etiketten, die im deutschen Flaschenpfandsystem üblich sind, können diese Bedingung erfüllen. Vorausgesetzt, sie sind verfügbar, so lange die Flasche im Umlauf ist. Kommt sie in die Rotation zurück und löst sich das Etikett beim Waschvorgang ab, muss für die weitere Wiederverwendung ein neues angebracht werden. Es ist aber nicht notwendig, die Information in die Flasche einzugravieren. Diese Form der Kennzeichnung ist im Kommissionsvorschlag nur als Option genannt."
Die Klarstellung sorgt nun für ein Aufatmen bei den Brauerei-Verbänden. "Dass wir weiterhin Etiketten nutzen dürfen, um darüber alle Informationen mitzuteilen, ist eine erhebliche Erleichterung", sagt Roland Demleitner. Dennoch sieht er, dass ganz genau Details der neuen Kennzeichnung noch nicht abschließend geklärt seien und dass auch zum künftigen Ablauf der Mehrwegkreisläufe, wie sie die EU plant, viele offene Fragen bestehen. Demleitner bringt das wiederum dazu, den Ansatz, dass in Deutschland überhaupt eine Reform nötig sei, zu hinterfragen: "Warum diskutieren wir überhaupt über neue Rücknahmekreisläufe, wenn sie denn schon gut funktionieren."
Leerraumanteil beim Bierkistentransport: Brauer bekommen Ausnahme
Mit ihrer starken Kritik haben die beiden Brauerei-Verbände bei der EU-Kommission noch weitere Fortschritte in eigenen Sinne erzielt: Stand in der ersten Version des Reformvorschlags noch zur Debatte, dass der sogenannte Leerraumanteil, also die Luft in Transportverpackungen, auf 40 Prozent Leerraum begrenzt werden soll. Mit dem Ziel, Transporte insgesamt zu einzuschränken, wenn man bei einer Fahrt jeweils mehr transportieren kann, kam der Leerraumanteil einst vor allem für den Versandhandel in die Kritik. "Übertragen auf Wasser- oder Bierkästen würde die von Brüssel geplante Regulierung jedoch den Transport und die Lagerung von Mehrwegflaschen künftig unmöglich machen. Offenbar hat man dabei vergessen, dass die Rückführung im leeren Zustand ein wesentliches Merkmal von Mehrwegverpackungen ist", kritisierten die Brauer.
In den Nachbesserungen der EU-Kommission heißt es dazu nun allerdings: "Aus Sicht der Kommission spricht nichts dagegen, Transportverpackungen in bestehenden Mehrwegsystemen, wie zum Beispiel Bierkästen, von dieser Regel auszunehmen." Weiterhin heißt es: "Das Pfandsystem in Deutschland ist ein Erfolg. Die Kommission ermuntert auch andere Mitgliedstaaten und Wirtschaftszweige, solche Systeme einzuführen."