Steigende Kosten im Lebensmittelhandwerk Bäcker und Konditoren: Zwischen Solidarität und Kostendruck

Ob Strom, Gas, Lebensmittel oder die anderen Dinge des täglichen Bedarfs – alles wird stetig teurer. Besonders hohe Belastungen spüren im Handwerk die Bäcker und Konditoren. Sie arbeiten energieintensiv und haben hohe Ausgaben für ihre Zutaten. Der Umgang mit den steigenden Kosten ist dennoch von Betrieb zu Betrieb unterschiedlich. Zwei sehr konträre Beispiele.

Dirk Mertes
Bei Bäcker Dirk Mertes gibt es im September eine Brotkarte für alle, die sehr stark unter den steigenden Kosten leiden. - © Mertes

Jörg Kraume ist fassungslos über das, was ihm sein Stromanbieter verkündet hat. Ab dem 1. Januar 2023 soll er statt jetzt acht Cent 1,13 Euro pro Kilowattstunde bezahlen. Das sind die Preise für Gewerbekunden, bei denen Steuern, Netzentgelte und andere Abgaben noch nicht mitberechnet sind. Normalerweise schließt sich der Konditormeister den Tarifen des Einzelhandelsverbandes oder seiner Kreishandwerkerschaft an. Nach eigenen Aussagen bevorzugt er, wenn möglich, heimische Energieversorger. Doch im Moment hat er dazu keine Chance, denn es wird ihm kein Branchentarif angeboten. Auch wenn er wollte, könnte er den Stromanbieter nicht wechseln, da ihn kein anderer aufnimmt. Kraume muss die Preise akzeptieren oder seine Öfen, die alle auf Strom laufen, ausschalten.

Der Konditor aus Bielefeld hofft nun sehr, dass die Maßnahmen des neuen Entlastungspakets Wirkung zeigen. Bislang sind aus dem Handwerk allerdings eher skeptische Stimmen zu hören. ZDH-Präsident Hans-Peter Wollseifer spricht von einer Enttäuschung, weil mögliche Entlastungen für Handwerksbetriebe erst zeitverzögert angegangen würden. Doch kommen diese nicht bald, müsste Jörg Kraume damit ernst machen, was er auf Facebook angekündigt hat: Dann will er zum 1. Januar 2023 selbst eine Energiepauschale erheben. Auf sein gesamtes Sortiment wird er dann 38 Prozent aufschlagen beim Preis. "Dann ist der Laden leer, da bin ich mir sicher", sagt Jörg Kraume.

Bäcker und Konditoren: Kosten für Strom steigen ins Unermessliche

Konditormeister Jörg Kraume.
Konditormeister Jörg Kraume. - © Kraume

Schon seine Ankündigung hat für viele Kommentare gesorgt – für Diskussionen im Internet, die zeigen, dass keiner mehr versteht, was da gerade passiert mit den Preisen. Jörg Kraume müsste durch die angekündigten Preisanstiege rund 280.000 Euro an Strom im Jahr bezahlen. Er nennt das, was da gerade passiert keinen "Aufreger" und er sagt auch nicht, dass es ihn ärgert. Stattdessen nur: "Es geht um unsere Existenz". Er berichtet von einem Kollegen, der ihm gerade erzählt hat, dass er Ende des Jahres seinen Betrieb aufgibt. Der Umsatz der Konditorei Kraume liegt mit zwei Filialen und einer Backstube derzeit bei 1,2 Millionen Euro. Er betreibt demnach nur einen kleinen Handwerksbetrieb. Sein Geschäft lohnt sich durch die hohen Preise aktuell schon immer weniger.

Dabei ist die Konditorei energetisch eigentlich schon gut aufgestellt: Jörg Kraume hat in den vergangenen Jahren bereits in die eigene Energieeffizienz investiert und deckt nun 100 Prozent seiner Kosten für die Warmwassererzeugung aus der Abwärme seiner Öfen. Zur Stromerzeugung hat er außerdem eine 30kW-PV-Anlage installiert. Aber das genügt noch nicht, um unabhängig zu sein und das, was gerade am Strommarkt passiert, schlägt auch bei ihm voll zu Buche.

Umrüsten auf einen anderen Energieträger als Strom bei seinen Öfen wäre in der aktuellen Lage keine Lösung. Immerhin ist die Elektrizität eigentlich die Form, über die sich auch Betriebe am ehesten unabhängig machen können. Doch Kraume hat bereits all seine Dachflächen mit PV-Modulen ausgestattet. "Mehr geht nicht und bei der Überlegung, nun auch die Gartenfläche mit Hochständermodulen dazu zu nehmen, stoßen wir an Grenzen", sagt der Konditormeister und berichtet davon, dass er derzeit weder neue PV-Module noch einen Speicher bekommt innerhalb der nächsten Monate. Noch mehr eigenen Strom kann er also nicht produzieren. Er sieht eine schnelle Lösung ausschließlich in politischen Maßnahmen und einer Limitierung des Strompreises. Aufgeben ist für ihn keine Option.

Gegen zu hohe Kosten: Brotkarte mit Rabatten für Kunden

Obwohl die Bäckerei Mertes aus Lieser in Rheinland-Pfalz ganz anders auf die steigenden Ausgaben reagiert, stehen auch bei ihr die Kosten im Fokus, die die Kunden noch bereit sein müssen, für die Backwaren zu bezahlen. Auch dieser Betrieb hat auf Facebook mit einer ungewöhnlichen Aktion auf sich aufmerksam gemacht bzw. dort für seine Aktion geworben. Denn die Bäckerei zeigt Solidarität mit den Kunden, die besonders stark unter den hohen Lebensmittelpreisen leiden. So kündigt der Betrieb eine Rabattaktion per "Brotkarte" für den Monat September an: "Wir wollen unterstützen. Das Leben ist zurzeit teuer genug“, heißt es in den sozialen Netzwerken. Die Brotkarte sei "für den eigenen Gebrauch oder zum Verschenken an Menschen, die gerade auf jeden Euro schauen müssen."

Die Brotkarte stellt eine Stempelkarte an, für die der Kunde 15 Euro bezahlt. Dafür kann er sich im Laufe des Septembers jede Woche entweder 1,5 kg Brot oder 1 kg Mehl abholen. Für 15 Euro bekommt man also entweder 7,5 kg Brot oder 5 kg Mehl, wenn man lieber selber backt. "Wir haben gemerkt, dass einige Stammkunden und darunter vor allem Rentner seltener zu uns kommen, da sie durch die hohen Preise insgesamt weniger Geld zur Verfügung haben", sagt dazu Bäcker Dirk Mertes.

Steigende Kosten bei Bäckern und Konditoren: Preiserhöhungen unumgänglich

Bislang hat er seine gestiegenen Kosten nicht an die Kunden weitergegeben, aber ab Mitte September kommt auch er nicht mehr darum herum. Rund 10.000 Euro hat er in den vergangenen Monaten für teurer gewordene Zutaten ausgegeben. Vor allem beim Mehl, bei den Sonnenblumenkernen, bei Öl und Butter war das spürbar. Nun muss er seine Backwaren teurer machen, um selbst weiter den Betrieb am Laufen zu halten. "Aber damit es die nicht so stark trifft, die sehr wenig haben, wollte ich einen Ausgleich anbieten mit der Brotkarte", sagt Mertes. Mehl zum Selberbacken bietet er an, da er es in seinem Laden immer gut verkauft. Es ist das Mehl der regionalen Mühle und hier besteht eine Nachfrage, die er weiter allen offen halten möchte.

Außerdem lehnt er seine Brotkarte an die Karten an, die es einst in den 50er-Jahren gab, als Backwaren noch rationiert wurden. "Daran erinnert sich der ein oder andere Kunde vielleicht", so der Bäcker. Damals habe es über die Karten auch Brot und Mehl gegeben. Ein weiterer Grund ist, dass Dirk Mertes darauf aufmerksam machen möchte, dass Brot vom Bäcker eine andere Qualität hat, als das aus dem Supermarkt. "Die Karten locken vielleicht auch den ein oder anderen zu uns. Wenn man erst einmal geschmeckt hat, wie handwerklich hergestelltes Brot sich von der Fertigware unterscheidet, bleibt man meist dabei."

Bis jetzt hat die Bäckerei Mertes noch nicht mit dem hohen Strompreis zu kämpfen. Dirk Mertes konnte sich über die Innung noch eine Preisbindung bis Ende 2023 sichern und darüber ist er sehr froh. "Aber unsere Öfen laufen mit Heizöl und da hat sich der Preis mehr als verdreifacht", berichtet er. Auch er ist gespannt, wie hoch die Preise noch steigen und auch er wird darauf reagieren müssen. Aus der Branche hat er bereits von Kollegen gehört, die nun Mitarbeiter entlassen müssen, um Kosten einzusparen.