TV-Kritik: ARD - "hart aber fair" 4-Tage-Woche, Burnout: ARD-Talk mit Handwerks-Chefin

Viertagewoche, Burnout, weniger arbeiten, mehr Freizeit – die Diskussionen um die neue Arbeitswelt in Deutschland werden derzeit engagiert geführt. Auch die Redaktion von hart aber fair nahm sich nun des Themas an – und brachte als Praxisbeispiel einen Malerbetrieb, der die Viertagewoche eingeführt hat.

Im Einzelgespräch mit Louis Klamroth: Jessica Hansen führte in ihrem Betrieb die Viertagewoche ein. Binnen drei Wochen habe sie 50 Bewerbungen erhalten. - © WDR/Oliver Ziebe

"Wir brauchen mehr Bock auf Arbeit." Diese Aussage des Hauptgeschäftsführers des Bundesverbands der Deutschen Arbeitgeberverbände, Steffen Kampeter, wurde direkt eingangs der hart-aber-fair-Ausgabe, offenbar provozierend gemeint, zitiert. Moderator Louis Klamroth nutzte den Satz denn auch ausgiebig, um etwa eine Erzieherin in der Diskussionsrunde herauszufordern, sie streike wohl, weil die "keinen Bock auf Arbeit" hätte. Kampeter wiederum griff auch selbst darauf zurück, als er anmerkte, wir bräuchten in Deutschland auch wieder mehr "Bock auf unternehmerische Arbeit", nicht nur Angestellte.

Letztlich aber war die Frage, wer wie viel Bock auf Arbeit habe, gar nicht die zentrale. Vielmehr sollte es unter dem Titel "Die neue Macht der Arbeitnehmer: Mehr Geld für weniger Arbeit?" darum gehen, wie die moderne Arbeitswelt im Spannungsfeld von Fachkräftemangel und zunehmender Macht der Arbeitnehmer auf dem Arbeitsmarkt ausgestaltet werden solle.

Journalistin und Buchautorin drohte das Burnout

Frank Thelen rückte die Dinge ein wenig zurecht, als er darauf hinwies, dass "wir in einer globalen Marktwirtschaft leben" und entsprechend wettbewerbsfähig bleiben müssten. Das ist eigentlich eine Binsenweisheit, aber der IT-Unternehmer und Startup-Gründer argumentierte in dieser Situation gegen die Journalistin und Buchautorin Sara Weber, einst Führungskraft beim Karrierenetzwerk LinkedIn, die ihren Job hinwarf, weil die Arbeit sie krank zu machen, ihr der Burnout drohte. Sie hatte gesagt, dass in erster Linie die Arbeitnehmer vom Erfolg der Unternehmen profitieren müssten. Thelen hingegen schränkte ein, dass zunächst einmal das Management entscheiden müsse, was mit einem Gewinn auch im Hinblick auf Investitionen geschehen solle.

Die Art und Weise, wie die widerstreitenden Interessen von Arbeitgebern und Arbeitnehmern in Deutschland im Rahmen der Tarifautonomie in Verhandlungen ausgeglichen werden, hob Hubertus Heil, Bundesarbeitsminister, lobend hervor. Aktuelle Tarifabschlüsse, etwa bei der Post, oder Auseinandersetzungen wie im öffentlichen Dienst, werde er nicht durch Gesetzesänderungen beeinflussen, sagte Heil mit Blick auf Forderungen, das Streikrecht angesichts hart geführter Warnstreiks aufzuweichen.

IT-Unternehmer Frank Thelen fassungslos

Und wie gehen diese Tarifkonflikte weiter? Thelen zeigte sich angesichts von Aussagen vor allem von Weber und der Erzieherin Karen Malsy, Mitglied von Verdi und der Linkspartei, zusehends fassungslos, wenn man sein Gesicht betrachtete. Die betonten, die aktuellen Warnstreiks seien angemessen, da sonst nichts passiere. Auch die Forderungen etwa im Tarifkonflikt im öffentlichen Dienst seien lediglich Ausdruck der Leistungen der Arbeitnehmer.

Als Vermittler zwischen den Positionen brachte sich immer wieder Heil in Stellung, etwa als es um die Aussage der Chefin der Bundesagentur für Arbeit, Andrea Nahles, ging, die mit Blick auf junge Arbeitnehmer gemahnt hatte, Arbeit sei "kein Ponyhof". Heil sagte, dass es um gute Arbeitsbedingungen gehe, und wiegelte ansonsten professionell ab. Und als es um die Work-Life-Balance ging, sagte BDA-Hauptgeschäftsführer Kampeter, was für eine Gesellschaft das sein solle, in der Work kein wichtiger Bestandteil von Life sei. "Dieses Land gründet auf Arbeit, auf harter Arbeit", rief Kampeter aus. "Wir brauchen bessere Bedingungen für Arbeit, für Bock auf Arbeit", sonst werde man in eine soziale und ökonomische Rezession steuern.

Und so plätscherte die Debatte zwischen "Bock" und "Ponyhof"  in den wohl angesichts der Gästeauswahl vorgesehenen Bahnen dahin. Thelen und Kampeter gegen Weber und Malsy, dazwischen Heil. Das war alles so erwartbar wie über weite Strecken nicht besonders fesselnd. Auch der neue hart-aber-fair-Moderator Klamroth brachte nicht so Recht Leben in die Runde, seine Nachfragen waren wenig engagiert vorgebracht, keiner der Gäste fiel aus seiner Rolle.

Praktiker aus dem Handwerk

Spannender wurde es, als Praktiker ins Spiel kamen. "Ich hätte mich früher nicht getraut, wegen einem kleinen Schnupfen daheim zu bleiben", sagte ein Dachdeckermeister in einem Einspieler. Heute sei es einfach, dem Chef eine Whatsapp zu schreiben mit der Krankmeldung. Arbeit habe nicht mehr den Stellenwert wie früher, führte der Handwerker aus. Zuschauer-Redakteurin Brigitte Büscher, die den Dachdecker besucht hatte, erzählte im Studio dann noch die Geschichte, warum der Meister so verärgert war. Ein Mitarbeiter habe mehr Geld gefordert, woraufhin der Chef gesagt habe, das gehe klar, wenn auch andere Aufgaben übernommen würden, etwa auf die Baustelle zu fahren und sich dort um Azubis zu kümmern. Als der Mitarbeiter dann sagte, er habe keinen Führerschein und vom Chef forderte, er müsse ihm den Führerschein bezahlen, sei es dem Chef zu viel geworden – verständlicherweise.

Ein wenig anders lief es im Malerbetrieb von Jessica Hansen. Sie führte die Viertagewoche ein, und seither klappt es mit den Fachkräften. Über Social Media habe sie Werbung für das neue Arbeitszeitmodell gemacht und hatte binnen drei Wochen 50 Bewerbungen. Mitarbeiter können entscheiden, ob sie um 7 oder 8 Uhr anfangen. Die Chefin zahlt die Fahrzeiten und hat über steuerfreie Sachbezüge den Nettolohn erhöht. Sie selbst arbeite an fünf Tagen, aber freitags nur im Büro. Also alles eitel Sonnenschein? Moderator Klamroth fragte leider nicht kritisch nach, ob es auch Probleme gegeben habe bei der Einführung der Viertagewoche. Kampeter bemerkte aber, dass durch eine Verringerung der Arbeitszeit nicht die Zahl der offenen Stellen – im Handwerk etwa 300.000 – reduziert werde. Da sei die Botschaft "nur noch vier Tage arbeiten" möglicherweise missverständlich, wenn das so verstanden würde, dass die gesamte Arbeitszeit abgesenkt werden könne. Und Heil erinnerte daran, dass auch Menschen ungewollt Teilzeit arbeiteten.

Die wichtigste Frage: Wie die Herausforderungen stemmen, wenn alle weniger arbeiten wollen?

Wie auch immer, richtig Feuer kam nicht in die Runde. Schließlich ging es noch um das aktuelle Dauerthema Burnout. Weber hatte, um einen solchen zu vermeiden, als Führungskraft hingeworfen. Kampeter vermutete, dass sich nicht nur die Arbeit, sondern auch die Menschen verändert hätten. Thelen gestand zu, das Arbeiten besser gestalten zu wollen. "Wenn wir aber heute gehört haben, dass immer mehr Menschen weniger arbeiten wollten, dann müssen wir auch sagen: es gibt auch Menschen, die kommen aus der Schule und wollen sechs Tage arbeiten." Weber konterte, dass aber bei einer Viertagewoche das Geld nicht reichen würde. Die Gesellschaft müsse dafür sorgen, dass Menschen unabhängig davon gut leben können. Das klang angesichts der Probleme, vor denen das Land steht, und die leider kaum skizziert wurden, doch naiv und nach Anspruchsdenken. Die Sendung, das blieb, krankte letztlich an der stark polarisierenden Zusammensetzung der Gäste, und daran konnten am Ende auch weder Heil noch die Beispiele aus der Handwerkspraxis etwas ändern. Die Frage, die leider nicht beantwortet wurde, lautete indes: Wie soll ein Industrieland funktionieren, wenn immer mehr immer weniger arbeiten wollen? Vermutlich eben nicht besonders gut.

>>> Die komplette Sendung können Sie sich hier ansehen: Die neue Macht der Arbeitnehmer: Mehr Geld für weniger Arbeit