Am Anfang stand eine latente Unzufriedenheit des Teams mit den Arbeitszeiten, am Ende ein Handwerksbetrieb, in dem alle zwar nicht kürzer, aber dennoch anders arbeiten. Denn die Firma Reuse Haustechnik hat umgesetzt, was in vielen Unternehmen im Handwerk als nicht machbar gilt, bei immer mehr Beschäftigten aber ganz oben auf der Wunschliste steht: die Vier-Tage-Woche.

Damit gehört das mittelständische Unternehmen mit seinen 40 Angestellten zu den ersten Handwerksbetrieben, in denen dieses Arbeitszeitmodell für alle, auch für die Geschäftsführung, gilt.
Der Weg dahin begann für die beiden Geschäftsführer Stephan Rech und Alexander Langhans mit dem Unmut der Belegschaft über die unterschiedlichen Arbeitszeiten, die in dem Betrieb für Haustechnik in Fuldabrück (Landkreis Kassel) für die Beschäftigten in Büro und Planung sowie für die Handwerker galten. Also kam das Thema bei einer Betriebsversammlung zur Sprache.
Mehrmals abgestimmt und an Ideen gefeilt
"Uns sind die Mitarbeiter wichtig", sagt Rech. "Im Rahmen unserer Unternehmenskultur, zu der Wertschätzung, Menschlichkeit und Zufriedenheit gehören, gehen wir solche Themen an." Das war 2021 und der Anfang eines monatelangen Prozesses. "Schon bei den ersten Gesprächen ging es nicht so sehr darum, was wir als Geschäftsführung wollen, sondern um die Bedürfnisse der Mitarbeiter."
Und so durften sich wirklich alle mit ihren Wünschen, Vorschlägen und Anregungen miteinbringen. Drei Teams erarbeiteten mit der Geschäftsführung unterschiedliche Modelle. "Ziel war es, die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter gleich zu behandeln und ihnen wegen der körperlichen Belastung längere Entspannungsphasen zu ermöglichen." Mehrmals wurde unter den Beschäftigten abgestimmt und an den Ideen gefeilt, bis alle zufrieden waren. So zeichnete sich die Vier-Tage-Woche als Lösung ab. Auch wenn die nicht von Anfang an bei allen auf Gegenliebe stieß, fand sie doch die meiste Zustimmung.
Probephase verlief ausgesprochen geräuschlos
Das neue Modell sieht nun so aus: Weiterhin arbeiten alle 37 Wochenstunden, aber an vier statt an fünf Tagen, die tägliche Arbeitszeit beträgt 9,25 Stunden. An den freien Freitagen stehen Notfalltechniker bereit, ebenso wie Samstag und Sonntag. Und wenn es sein muss, wird selbstverständlich auch freitags gearbeitet. Da sich die Arbeitstage verringern, verzichtet die Belegschaft auf sechs Tage Urlaub, hat nun 24 statt 30 Tage frei. Der Clou dabei: Auch wenn die Zahl der Urlaubstage gesunken ist, bleibt die der Urlaubswochen gleich. Weil nicht weniger gearbeitet wird, bleiben auch die Gehälter gleich.
Dann kam der Praxistest. "Die Probephase verlief sehr geräuschlos", berichtet Rech. Und nach drei Monaten stand fest: Die Mitarbeiter sind zufriedener und erholter. Auch von den Kunden gab es eine überwiegend positive Resonanz, da die Mitarbeiter nun täglich länger für sie da waren und die Baustellen in weniger Tagen abgearbeitet werden konnten. "Das fanden manche Kunden klasse", berichtet der Diplom-Ingenieur und ergänzt, dass die Kundenzufriedenheit die Voraussetzung für alles Weitere war. Aber vor allem war das Ziel, mehr Gerechtigkeit und Fairness in den unterschiedlichen Arbeitsbereichen zu schaffen, erreicht worden. Kein Wunder, dass 36 der 40 Mitarbeiter mit dem neuen Modell zufrieden waren.
Rechtsanwalt unterstützt bei Arbeitsverträgen
Daraufhin wurden alle Arbeitsverträge in einem recht aufwändigen Verfahren mithilfe eines Rechtsanwalts umgestellt. Am 1. Juli 2022 wurde die Vier-Tage-Woche dann endgültig eingeführt. "Damit sind wir sauber aufgestellt", erklärt Rech, der sich auch sonst sehr zufrieden zeigt. "Der Mut, sich mit diesem sensiblen Thema auseinanderzusetzen, hat sich für unseren Betrieb eindeutig gelohnt. Denn für mich ist es ein Gewinn, wenn die Angestellten erholter aus dem Wochenende kommen", bilanziert er. "In der heutigen Arbeitswelt muss man sich auch um die Themen Entschleunigung und Achtsamkeit kümmern. Denn wenn es den Mitarbeitern nicht gut geht, schadet das auch der Firma."