Digitalisierung Plattformen erhöhen den Druck auf Handwerksbetriebe

Die gute wirtschaftliche Position vieler Betriebe könnte durch neue Geschäftsmodelle zunehmend in Gefahr geraten. Denn digitale Plattformen drängen verstärkt in die Gefilde des Handwerks vor. Doch die neuen Herausforderungen bieten auch Chancen, wie eine Studie zeigt.

Optiker mit Brille
Das Augenoptiker-Handwerk zählt zu den von Plattformen bedrohten Branchen. - © ManuPadilla - stock.adobe.com

Im Handwerk ist eine große Pleitewelle infolge der Corona-Krise bislang ausgeblieben und die Auftragsbücher vieler Betriebe sind weiterhin gut gefüllt.

Entsprechend nachvollziehbar sei die konjunkturell bedingte Zurückhaltung beim Aufbau von digitalen Plattformen, heißt in einer neuen Studie zur Plattformökonomie im Handwerk, die vom Volkswirtschaftlichen Institut für Mittelstand und Handwerk (ifH) an der Universität Göttingen herausgegeben wurde.

Plattformen können sich schnell Marktmacht sichern

Auch wenn die akute Gefahr, durch die Plattformen in der eigenen Existenz bedroht zu werden, gering scheint, sollten sich Betriebe besser heute als morgen mit den neuen Herausforderungen auseinandersetzen, sind die Studienautoren überzeugt. Beispiele aus dem Bereich der Augenoptiker oder dem Dachdecker-Handwerk würden zeigen, wie Plattformen unerwartet schnell in einen Markt eindringen und bedeutende Marktanteile erobern können.

Bereits heute gibt es diverse Plattformen am Markt, die mit mehr oder weniger Erfolg versuchen, ihre Serviceleistungen an die Kunden zu bringen. Der Markteinfluss der Plattformen im Handwerk ist verglichen mit anderen Branchen jedoch noch relativ gering. Netzwerkeffekte könnten aber zu einer raschen Etablierung einer oder weniger Plattformen für Handwerksdienstleistungen führen, heißt es in der Studie weiter. Wie schnell mit digitalen Geschäftsmodellen und intelligenter Datennutzung eine marktbeherrschende Stellung erreicht werden kann, zeigten Beispiele wie Google oder Amazon.

Weniger Bürokratie und gezielte Kundenansprache

Das ifH sieht in der Plattformökonomie gleichermaßen Chancen und Herausforderungen für das Handwerk. Die zentralen Chancen liegen nach Einschätzung der Wissenschaftler in einer effizienten Kundenakquise, weniger Verwaltungsaufwand bei der Abwicklung eines Auftrags und dem Aufbau neuer datengetriebener Geschäftsmodelle.

Auf der anderen Seite könnten einzelne Handwerksbetriebe durch die Plattformen in ihrer Unabhängigkeit beschnitten und letztendlich in die Rolle des Erfüllungsgehilfen gedrängt werden oder komplett vom Markt verschwinden.

Besonders von den Plattformen betroffen sind laut den Studienautoren schon heute stark digitalisierte Branchen wie das Kfz-, SHK-, Elektro- und Bauhandwerk. Vor allem die industriellen Hersteller hätten hier ein Interesse, über Plattformen den Direktkontakt zum Kunden zu suchen und Serviceleistungen zur Wartung und Reparatur von Maschinen und Geräten anzubieten. Zudem liefen besonders Kleinst- und Kleinunternehmen Gefahr, in die Abhängigkeit der Plattformen zu geraten, weil ihnen die Zeit, das Wissen und die Mittel fehlen, um ihre Geschäftsmodelle zu digitalisieren.

Die Forscher kommen zu dem Schluss, dass das Handwerk sich Kooperationen mit Handel und Herstellern nicht verschließen sollte, um in der neu strukturierten Wertschöpfungskette seinen Einfluss zu behalten. Gleichzeitig könnte die Position der Betriebe durch den gemeinsamen Aufbau handwerkseigener Plattformen gestärkt werden.

Die vollständige Studie kann unter ifh.wiwi.uni-goettingen.de heruntergeladen werden